Südwest Nachrichten vom 29. September

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- Stuttgart - Hausdurchsuchungen bei vier Antifa-AktivistInnen
- Uli Sckerl stellt Kleine Anfrage zum Heidelberger Spitzelskandal
- Schweiz erhöht Militärbudget und ermöglicht den Neukauf von Kampfjets
- Erste Volksabstimmung in der Geschichte BaWüs auf den Weg gebracht
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Upload vom 29.09.2011 / 17:08

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Jugend, Internationales
Serie: Fokus Südwest Einzelbeitrag
Entstehung

AutorInnen: Simone
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 29.09.2011
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
NACHRICHTEN

1.
Stuttgart - Hausdurchsuchungen bei vier Antifa-AktivistInnen

Im Zusammenhang mit dem verhinderten Naziaufmarsch in Dresden am 19. Februar dieses Jahres wurden gestern morgen in Stuttgart vier Wohnungen durchsucht. Das badenwürttembergische LKA und Stuttgarter BFE-Einheiten leisteten der Dresdner SoKo 19/2 und der Dresdner Oberstaatsanwaltschaft dabei eifrige Amtshilfe. Die Wohnungen wurden nach Kleidung, Datenträgern und Schriftstücken durchsucht. Die anwesenden Verdächtigen – ihnen wird u.a. „Verstoß gegen das Vermummungsverbot“, aber auch „fünf Steinwürfe in Richtung von Polizeibeamten“ und Landfriedensbruch vorgeworfen – wurden ED-behandelt und teilweise wurden ihnen sogar DNA-Proben entnommen. Die Dresdner Behörden haben angeblich geworfene Steine auf DNA-Spuren hin untersucht.
Der geplante Naziaufmarsch im vergangenen Februar war von über 20.000 Menschen verhindert worden. Die Polizei war gegen die antifaschistischen Demonstrierenden massivst vorgegangen und hatte zudem die Mobilfunkdaten von ca. 300.000 Menschen aufgezeichnet, die derzeit noch ausgewertet werden. Diese flächendeckende Überwachungsmaßnahme und die enorme Datenspeicherung waren im Nachhinein bei Medien und Politik in Kritik geraten. Die sächsische Justiz bevorzugte es bisher jedoch, gegen diejenigen vorzugehen, die den Datenskandal öffentlich gemacht hatten, anstatt gegen jene, die ihn zu verantworten haben. Ob diese immer noch umstrittenen Daten auch zu den gestrigen Hausdurchsuchungen in Stuttgart geführt haben, ist bisher nicht bekannt.


2.
Uli Sckerl stellt Kleine Anfrage zum Heidelberger Spitzelskandal

Der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall (SPD) hat diese Tage Post von seinem Koalitionspartner erhalten. Uli Sckerl, innenpolitischer Sprecher von B90/Die Grünen und parlamentarischer Geschäftsführer, fordert in einer Kleinen Anfrage nun endlich Aufklärung des Spitzelfalls Simon Bromma. Konkret will er unter anderem wissen, ob noch immer andere verdeckte Ermittler in Heidelberg tätig sind oder waren; wie viele Verfahren auf Grundlage der Erkenntnisse des Einsatzes eingeleitet wurden und insbesondere zu wie vielen Menschen Daten erhoben worden sind und was mit diesen Daten geschieht.
Nach der baden-württembergischen Landtagswahl im März 2011 hatte Uli Sckerl gegenüber RDL sein Vertrauen in den neuen Innenminister Gall ausgedrückt und eine rasche Aufklärung angekündigt. In den letzten Monaten wurde jedoch immer deutlicher, dass diese Aufklärung im neuen Innenministerium bei weitem nicht die Priorität besitzt, wie vor der Wahl noch seitens der SPD, aber zuforderst von den Grünen versprochen.
Simon Bromma war im Dezember 2010 in Heidelberg als verdeckter Ermittler des LKA enttarnt worden. Er hatte zuvor über 10 Monate zahlreiche linke und studentische Gruppen in Heidelberg ausgeforscht.
Nachdem sich Uli Sckerl in den vergangenen Monaten von Betroffenen und einigen Medien, allen voran Radio Dreyeckland, kritische Fragen zur ausbleibenden Aufklärung anhören musste, bringt er mit seiner für ein Mitglied der Regierungskoalition ungewöhnlichen Anfrage das Thema nun anscheinend auch gegen den Willen des Innenministeriums auf die Tagesordnung. Es bleibt spannend, ob von dieser Seite nun endlich Antworten geliefert werden oder man wie in den vergangenen Monaten weiter mauert. Die Landesregierung muss laut der Geschäftsordnung des Landtags innerhalb von 3 Wochen antworten.

3.
Schweiz erhöht Militärbudget und ermöglicht den Neukauf von Kampfjets

Mit dem Schweizer Ständerat hat gestern die zweite Kammer des Schweizer Parlaments einer Erhöhung des sog. Ausgabenplafonds der Armee um fast 25% zugestimmt. Zudem soll in Zukunft auch die Neuanschaffung von Kampfflugzeugen im Rahmen des ordentlichen Militärbudgets erfolgen. Nach bisheriger Gesetzeslage war hierfür eine Sonderfinanzierung nötig, die einem Volksentscheid unterlegen hätte. Das Schweizer Parlament ist sich nun aber einig, das dieses direktdemokratische Element umgangen werden soll. Damit kommt es der Schweizer Armee und Verteidigungsminister Ueli Maurer entgegen, die sich 22 neue Kampfflugzeuge wünschen. Die anti-militaristische „Gruppe für eine Schweiz ohne Armee (GsoA)“ erwägt nun eine Volksinitiative gegen den Kauf der Kampfjets in Gang zu bringen – der einzige Weg, wie sich die Schweizer BürgerInnen noch zum Militärbudget äußern können.
Insbesondere kritisiert wird beim Zustandekommen dieser politischen Entscheidungen der ungebührliche Einfluss der Rüstungslobby: im Armeebeirat ist die PR Agentur „Farner PR“ gleich doppelt vertreten und hat damit sogar mehr Stimmen als das Finanzministerium. Farner PR vertritt die Rüstungsfirma Dassault, die auch Kampfflugzeuge herstellt – welche sie natürlich gerne an die Schweizer Armee verkaufen möchte. Ein Antrag des Grünen-Politikers Luc Recordon, der aufgrunddessen eine Verschiebung der Armeedebatte beantragte, scheiterte jedoch.



4.
Erste Volksabstimmung in der Geschichte BaWüs auf den Weg gebracht

Nach der zu Erwarten gewesenen Ablehnung einer Kündigung der Finanzierungsverträge des S21-Projektes beantragten Abgeordnete von Grünen und SPD gestern einen entsprechenden Volksentscheid.
Am 27. November sollen nun alle wahlberechtigten Bürgerinnen abstimmen können, ob sich das Land aus der Finanzierung des umkämpften Bahnprojekt zurückzieht. Laut der vorläufigen Formulierung werden die BürgerInnen im Entscheid gefragt, ob sie der Gesetzesvorlage "Gesetz über die Ausübung von Kündigungsrechten bei den vertraglichen Vereinbarungen für das Bahnprojekt Stuttgart 21" zustimmen. S21-Gegner müssten demnach mit JA stimmen, die Befürworter mit NEIN.
Im üblichen Parteien-Kleinklein feiern die einen den anstehenden Volksentscheid als historisches Ereignis und Erfolg für die Demokratie, die anderen sehen ihn ihm nur ein Mittel um koalitionsinterne Unstimmigkeiten zu umschiffen. Die Erfolgschancen für die Volksabstimmung stehen schlecht: die Verfassung sieht ein sehr hohes Quorum vor; ein Drittel aller Stimmberechtigten müssten sich demnach an der Abstimmung beteiligen. Das wären allerdings ca. 2,5 Millionen Menschen und damit weit mehr als im März die Grünen gewählt hatten. Die rot-grüne Koalition hatte sich auf eine Senkung des Quorums geeinigt, aber die entsprechende Verfassungsänderung war von der CDU boykottiert worden.