Das NSU-Verfahren aus türkischer Sicht

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Im Gespräch mit Radio Dreyeckland erläutert Mikdat Karaalioglu, Geschäftsführer und Chefredakteur der Europa-Ausgabe der Zeitung Sabah, warum seine Zeitung in Karlsruhe gegen das vergabeverfahren des OLG München, bei dem kein einziger türkischer Journalist zum Zuge kam, klagt. Außerdem enthält das Feature weitere Kommentare.
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08:20 min, 7813 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 11.04.2013 / 14:15

Dateizugriffe: 72

Klassifizierung

Beitragsart:
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich:
Serie: Morgenradio
Entstehung

AutorInnen: Jan Keetman
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 11.04.2013
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Manuskript enthält nur Moderation und Kommentar vom Autor, keine Abschrift des Interviews und des eingesprochenen Zitates von Ali Kilic

Am 17. April beginnt vor dem Oberlandesgericht München das Verfahren gegen Beate Zschäpe und einige NSU-Helfer. Dass kein einziger Vertreter eines türkischen Mediums zugelassen wurde, obwohl der NSU bei seinen speziell gegen Einwanderer gerichteten Mordanschlägen 8 türkische Emigranten ermordet und weitere verletzt hat, hat sowohl in der Türkei als auch in Deutschland hohe Wellen geschlagen. Das Gericht ist bisher weder bereit, mehr Journalisten und in diesem Falle speziell auch ausländische, insbesondere türkische Journalisten zuzulassen, noch akzeptiert es, wenn deutsche Journalisten, die einen ständigen Platz auf der Pressebank ergattert haben, diesen für türkische Kollegen bzw. Kolleginnen freimachen.

Eine Zeit lang war das Gericht auch nicht dazu bereit, sich zu seiner diesbezüglichen Entscheidung zu äußern. Dazu ist es nun durch die Klage der türkischen Zeitung Sabah, zu Deutsch „Der Morgen“ gezwungen. In seiner Einlassung gegenüber dem Bundesverfassungsgericht erklärte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl, er habe verschiedene Verfahren für die Zulassung der Medien erwogen. Dabei hätten sich aber derartig viele Gesichtspunkte und Kriterien für die Zulassung der Medien ergeben, dass er am Schluss das sogenannte „Windhundverfahren“ gewählt habe. Das heißt, die fünfzig ersten Anwärter werden genommen, die anderen sind draußen, egal wer oder was sie sind.

Radio Dreyeckland sprach mit Mikdat Karaalioglu, dem Geschäftsführer und Chefredakteur der Europa-Ausgabe von Sabah über die Gründe für die Verfassungsklage und den Ablauf des sogenannten „Windhundverfahrens“. Das Interview wurde geführt ehe die Einlassung, des Münchner Gerichts bekannt wurde.



Im Prinzip scheint das Windhundverfahren gerecht, wer zuerst kommt malt zuerst. Ali Kilic sieht es anders. In einem Artikel in dem Online-Magazin Migazin, das sich speziell mit Themen beschäftigt, die Migrantinnen besonders angehen, führt er aus, warum das Windhundverfahren zu einer Bevorzugung deutscher Medien führt.

Nun was…

Mal sehen, wie die Bundesrichter den Knoten lösen und ob sie ihn lösen. Indessen ist ein typisch deutscher Streit darüber entbrannt, ob die Kritik von Politikern an dem Gericht oder gar der Aufruf des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel nachdem sich die Bundesregierung und die bayerische Landesregierung einmischen sollten, nicht ein Verstoß gegen das Prinzip der Gewaltenteilung darstellen. Kann man sicher so sehen. Aber ist es in diesem Fall nicht ein Gespräch über Bäume, um mit Brecht zu sprechen.

Lassen wir mal den Fall kurz Revue passieren: Da wütet über Jahre eine rechtsradikale Mördercrew in Deutschland und die Ermittler suchen völlig in der falschen Richtung, verdächtigen gar die Angehörigen. Selbst beim Nagelbombenanschlag in Köln, einem typisch terroristischen Akt, verwerfen sie die Möglichkeit eines rechtsradikalen Anschlages sofort. Durch die in den deutschen Medien verbreitete Bezeichnung „Dönermorde“ werden Opfer und Angehörige weiter stigmatisiert.

Als die Wahrheit zufällig herauskommt, beginnt plötzlich ein großes Aktenvernichten in verschiedenen Verfassungsschutzämtern. Schließlich kommt es zur Verhandlung, die ohne Not in München, in einem gemessen an dem enormen öffentlichen Interesse an dem Verfahren relativ kleinen Gerichtssaal stattfinden soll. An der Wand prangt ein Kreuz, ein religiöses Symbol, das eigentlich nichts mit einer säkularen, neutralen Justiz zu tun hat und die nichtchristlichen Angehörigen irritiert. Und dann auch noch ein Verfahren, das im Endeffekt dazu geführt hat, dass die sicherlich interessierten türkischen Medien nicht zum Zuge gekommen sind. Bei der Schweiz, waren Mannheimer Richter im Falle Kachelmann sensibler. Ist das alles nur eben so gekommen oder ist dies, dass alles eben immer so kommt nicht gerade der Kern des deutschen Problems, das mit den Dönermorden – offensichtlich geworden ist?


Kommentare
12.04.2013 / 17:12 Redaktion Freitags-Sona, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
Gesendet bei Bermuda.Funk
Gespielt in der Sendung Sonar vom Freitag, 12.4.2013 - Danke !
 
15.04.2013 / 08:18 hikE, Radio Unerhört Marburg (RUM)
in Frühschicht 15.4.2013
gesendet. Danke!