Alles anders? Der Realsozialismus und seine Ökonomie

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Wiederholt schon haben wir uns mit dem Verhältnis von Revolution und Realsozialismus, von Anspruch und Wirklichkeit, beschäftigt. Naiv, zu glauben, ein derart ausuferndes Thema, nämlich 70 oder 100 Jahre Geschichte – und sie gehört mit zum komplexesten, was im vergangenen Jahrhundert an historischer Dialektik ins Kraut geschossen² ist – ließen sich in wenigen Texten bzw. Radiosendungen bzw. Stunden bewältigen.

Im Bewußtsein, daß sowohl diejenigen, die die Revolution als reine Lehre der staatssozialistischen Realpolitik gegenüberstellen und damit die Emphase gegen die Ernüchterung in Anschlag bringen möchten, als auch diejenigen, die beides – sei es in apologetischer, sei es in denunziatorischer Absicht – kurzerhand miteinander identifizieren, es sich zu einfach machen ... In diesem Bewußtsein tut man gut daran, sich noch einmal die Geschichte genau zu beschauen, zu analysieren und zu bewerten: hinsichtlich realer Möglichkeiten, die bestanden haben mögen oder nicht – auf dem jeweils vorgefundenen Produktivitäts- und Mentalitätsniveau. Spätestens im Hinblick auf Perspektiven, die sich heute auftun könnten, stellen sich solche Fragen objektiver und subjektiver Reife.

Konkret und exemplarisch, nicht nur weil die Öffentlichkeit weithin "den Kommunismus" mit der "Sowjetunion" identifiziert, sondern weil ihre Geschichte tatsächlich Studienmaterial liefert, wenden wir uns im Rahmen der Sendereihe 100 Jahre Oktoberrevolution noch einmal der wirklichen Geschichte des Realsozialismus zu. Mit zwei Vorträgen zu den Aporien der Planwirtschaft:

> "Die Wirtschaftspolitik der frühen Sowjetunion"
(2016 in Frankfurt; ca. 75 Minuten)

> "Wie kapitalistisch war der Sozialismus?"
(2010 in Leipzig; ca. 45 Minuten)

In historisch überaus kenntnisreicher und detaillierter Darstellung schildert Rüdiger Mats die Maßnahmen und innerparteilichen Debatten der Bolschewiki in den 20er Jahren, als Revolutionäre nolens volens zu Volkswirten mutierten. Waren sie angetreten, der gesellschaftlichen Reproduktion eine andere Form zu geben, so waren sie nun durchweg damit beschäftigt, deren Inhalt sicherzustellen: das nackte gesellschaftliche Überleben zu gewährleisten. Und immer wieder wurde die Frage bestimmend, welches Interesse da gesellschaftspolitisch "gestiftet" werde (Mats). Und es ist noch heute spannend zu diskutieren, entlang welcher Fragestellungen diese Partei seit Mitte der 20er Jahre in den Stalinismus abgeglitten ist.

Das alles mag, im Rahmen dieser Sendereihe, redundant und zwanghaft anmuten; doch psychoanalytische Theorie ernst zu nehmen, heißt auch, das Durcharbeiten, Durchwalken des Notorischen und Perennierenden immer wieder zu leisten. Schließlich sind die geschichtlichen Mythen keine Marginalien, sie sollen brechen.



²) "ins Kraut schießen": Im ursprünglichen Sinne wurde die Redewendung ausschließlich für Pflanzen benutzt, die zu viele Blätter und zu wenig Blüten und Früchte treiben, deren Wachstumskraft also zu sehr auf die krautigen Bestandteile gerichtet ist. (Quelle: wiktionary)


Dauer: 120 Minuten

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Audio
01:59:59 h, 41 MB, mp3
mp3, 48 kbit/s, Mono (48000 kHz)
Upload vom 18.03.2018 / 23:03

Dateizugriffe: 41

Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Arbeitswelt, Kultur, Politik/Info
Serie: Sachzwang FM
Entstehung

AutorInnen: Dr. Indoctrinator
Radio: Querfunk, Karlsruhe im www
Produktionsdatum: 18.03.2018
CC BY-ND-NC
Creative Commons BY-ND-NC
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Keine Bearbeitung 4.0 International - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Passend zum Thema die schwerindustrielle Hintergrundmusik von Techno Animal, brachialer Dada-Futurismus ...

Die Reihe zu 100 Jahren Oktoberrevolution wird fortgesetzt.