Lechleitergruppe - 65. Jahrestag der Ermordung der Mannheimer AntifaschistInnen

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Der 15. September ist der 65. Jahrestag der Ermordung von Mannheimer AntifaschistInnen durch die Nazis. Die Lechleitergruppe hatte aktiven Widerstand geleistet und die subversive Publikation „Der Vorbote“ veröffentlicht. Auch dieses Jahr wird ihrer am Samstag, den 15. September 2007, auf dem Georg-Lechleiter-Platz in Mannheim gedacht.
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Upload vom 07.09.2008 / 17:52

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Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Andere, Kultur, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: contra.funk
Kontakt: contra.funk(at)bermudafunk.org
Radio: bermuda, Mannheim im www
Produktionsdatum: 12.09.2007
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Jedes Jahr findet am 1. November auf dem Heidelberger Bergfriedhof eine Gedenkveranstaltung für die dort begrabenen 27 WiderstandskämpferInnen statt, denen stellvertretend für alle im Widerstand gegen das NS-Regime Getöteten gedacht wird.
Auch 10 Mitglieder der im Raum Mannheim-Heidelberg aktiven Lechleitergruppe haben hier ihre letzte Ruhestätte. Aus diesem Anlass wollen wir euch im folgenden Beitrag die Aktivitäten dieser Gruppe und ihre Publikation „Der Vorbote“ vorstellen.


"Bekanntmachung: Georg Lechleiter, Jakob Faulhaber, Rudolf Langendorf, Ludwig Moldrzyk, Anton Kurz, Eugen Sigrist, Philipp Brunnemer, Max Winterhalter, Robert Schmoll, Rudolf Maus, Daniel Seitzinger, alle aus Mannheim, ferner Käthe Seitz und Alfred Seitz aus Heidelberg sowie Johann Kupka aus Ilvesheim, die der Volksgerichtshof am 15. Mai 1942 wegen Vorbereitung zum Hochverrat, Feindbegünstigung, Zersetzung der Wehrkraft und Verbreitens ausländischer Rundfunksendungen zum Tode und zum dauernden Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verurteilt hat, sind heute hingerichtet worden. 15. September 1942."

Über dieses Plakat erfuhren die Angehörigen der Genannten von der Vollstreckung der Todesurteile, die am Ende des Schauprozesses gegen die Lechleitergruppe im Justizgebäude des Mannheimer Schlosses gestanden hatten. Willi Probst, Hans Heck und Fritz Grund waren zuvor aufgrund der Folter während der Verhöre gestorben. In weiteren Prozessen wurden 18 WiderständlerInnen angeklagt, Albert Fritz, Richard Jatzek, Ludwig Neischwander, Bruno Rüffer und Henriette Wagner wurden am 24. Februar 1943 hingerichtet, die übrigen erhielten hohe Zuchthausstrafen.
Die Überreste der Ermordeten wurden entsprechend einer Verfügung des Reichsministeriums für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung von 1939 in die Anatomien der Universitäten Freiburg, Tübingen und Heidelberg verbracht. (Erst ... wurden sie auf dem Heidelberger Bergfriedhof beigesetzt.)

Als die KPD-Funktionäre Georg Lechleiter, Rudolf Langendorf und Jakob Faulhaber, 1935 aus der Schutzhaft entlassen, zurück nach Mannheim kamen, begannen sie, zunächst unabhängig voneinander, kommunistische Widerstandszellen in verschiedenen Betrieben aufzubauen. Aus diesen illegalen Zellen entstand 1937 die sog. Lechleitergruppe.
Im Winter 1940/41 hatten schließlich die systematischen Tätigkeiten zur Bildung von arbeitsfähigen Widerstandszentren in sieben Mannheimer Großbetrieben geführt. Die Ausweitung über Mannheim hinaus wurde geplant.
Unter dem Eindruck des Überfalls Nazideutschlands auf die Sowjetunion forcierte die Gruppe den Plan zur Schaffung einer illegalen Zeitung für den Raum Mannheim/Heidelberg. Wie die Gruppe beschloss, sollte „Der Vorbote“ ein „Informations- und Kampforgan gegen den Hitlerfaschismus“ sein.
Im ersten Teil wurde stets die militärische Lage analysiert und der Nazipropaganda gegenübergestellt. Der zweite Teil befasste sich mit der wirtschaftlichen und politischen Lage und der dritte mit der Organisierung des antifaschistischen Kampfes.
Es erschienen vier bis zu 13-seitige Ausgaben: Eine im September 1941, zwei im November und eine im Dezember.
Zitat aus der dritten Ausgabe:

„Gewiss ist unsere Arbeit in der heutigen Zeit des Naziterrors nicht leicht. Aber zu allen Zeiten war die revolutionäre Tätigkeit mit Schwierigkeiten und Gefahren verbunden. Wer aber die Gefahren und Schwierigkeiten kennt, muss und wird denselben zu begegnen wissen, will er nicht von vornherein vor derselben kleinmütig kapitulieren und damit ungewollt die heutigen Schmachvollen Verhältnisse als unabänderlich erkennen.“

Die Herstellung und Verbreitung des Vorboten gestaltete sich ausgesprochen schwierig:
Lechleiter war Gesamtredakteur der Zeitung. Seine Informationsquellen waren vorwiegend die Sendungen des Moskauer und Londoner Rundfunks, sowie des deutschen Volkssenders in der Sowjetunion, deren Empfang durch von Daniel Seitzinger umgebaute Volksempfänger geschah. Eher wirtschaftliche Beiträge verfasste Rudolf Langendorf. Käthe Seitz erklärte sich bereit, die Manuskripte auf Matrizen zu schreiben. Die dafür benötigte Schreibmaschine kam von Jakob Faulhaber, der sie Philipp Brunnemer brachte. Dort wurde sie von Rudolf Maus abgeholt, der sie dem, ihm damals noch unbekannten, Alfred Seitz übergab.
Johann Kupka und Philipp Brunnemer brachten die handschriftlichen Texte für die Zeitung von Mannheim nach Heidelberg zu Käthe Seitz und getippte Matrizen wieder zurück zur Vervielfältigung. Max Winterhalter hatte die gefährliche Aufgabe Farben, Matrizen und Papier in verschiedenen Städten zu kaufen, da der Kauf solcher Artikel sehr intensiv überwacht wurde. Jakob Faulhaber besaß einen Abziehapparat, Daniel Seitzinger versteckte diesen bei sich. Die Vervielfältigung des Vorboten erfolgte allerdings aus Sicherheitsgründen im Keller des Hauses Brunnemers.
Die Verteilung des Vorboten erfolgte zuerst mit 70 Exemplaren nur über die KPD-Betriebsgruppen, später dann im Raum Heidelberg/Mannheim/Ludwigshafen über zuverlässige Freunde, zuletzt mit etwa 200 Exemplaren. Sogar in der Wehrmacht tauchten Ausgaben des Vorboten auf, die von Willi Probst an Antifaschisten unter den Soldaten weitergegeben wurden.

Ende Januar 1942 kam es zu ersten Verhaftungen im Zusammenhang mit dem Vorboten. Ausschlaggebend waren die Aussagen von Gustav Süss, der als Spitzel in die Organisation eingeschleust worden war. Am 26. Februar 1942 begann die Gestapo schlagartig mit Verhaftungen in den Mannheimer Betrieben. Bis Ende März wurden nahezu 60 AntifaschistInnen aus Heidelberg und Mannheim inhaftiert.


Neben der eingangs erwähnten Veranstaltung auf dem Heidelberger Bergfriedhof findet in Mannheim jährlich ein Gedenken an die Mitglieder der Lechleitergruppe statt.
Am 15. September 2005, dem 62. Todestag der 14 zuerst Verurteilten, gedachten auf dem Georg-Lechleiter-Platz AntifaschistInnen der ermordeten WiderstandskämpferInnen.
Indem sie es mit einem Hakenkreuz beschmierten, schändeten in der Nacht davor Neonazis das Mahnmal.