Das social Distel-Ding - eine neue soziale Zeit

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Aktuell sind alle im "social distancing". Und was wird man dabei? Der Autor zumindest fühlt sich wie ein social Distel-Ding.
Audio
03:32 min, 8306 kB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 31.03.2020 / 18:17

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Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales
Serie: Das social Distel-Ding
Entstehung

AutorInnen: Fabian Ekstedt
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 31.03.2020
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Langsam gewöhnen wir uns daran social Distel-Dinger zu sein. Letztlich ist der Mensch ein anpassungsfähiges Wesen und als solches hat er jeden Fleck der Erde bevölkert. Wüsten, Regenwälder, Inseln, Berge, Eisflächen… Überall sind Menschen zu finden. Es gibt allerdings ein Problem: Der Mensch ist und bleibt ein soziales Wesen. Ganz egal wie asozial sich Einzelne manchmal verhalten. Menschen brauchen den Kontakt zu anderen Menschen, brauchen einander um zu überleben, brauchen Nähe und Austausch. Und das stellt uns gerade vor Probleme. Die zeigten sich schon in der Frühphase der Corona-Gefahr. Erinnern wir uns nur daran wie schwer es uns gefallen ist auf das Händeschütteln zu verzichten. Von Prinz Charles kursiert ein Video aus dieser Zeit, das zeigt wie er sich immer wieder kurz bevor er eine Hand schütteln wollte daran erinnerte, das er das unterlassen sollte und dann zu einem indischen Namasté-Gruß ausweicht. Als Teil des britischen Königshauses hat er ja einige Erfahrung mit indischen Gebräuchen gesammelt. Allerdings scheint es mittlerweile so, als wäre diese geistige Umschaltung von ur-britische auf koloniale Gewohnheit mindestens einmal zu spät gekommen. Auch Prinz Charles ist an Covid-19 erkrankt.
Natürlich können wir nicht wissen ob die Erkrankung direkt auf ein Händeschütteln zurückzuführen ist, aber irgendeine social distancing Regelung wird auch in diesem royalen Fall nicht eingehalten worden sein. Es könnte also auch daran liegen, dass er sich einmal zu oft ins Gesicht gefasst hat, oder er hat nicht auf genügend Abstand in der Öffentlichkeit zu anderen Menschen geachtet. Ist ja auch schwer.
Denken wir nur an das Einkaufen im Supermarkt. An der Kasse sind zwar die Abstandsmarkierungen angebracht, aber wer achtet tatsächlich darauf eben nicht mal schnell durch eine Lücke zwischen den Regalen und den Einkaufswägen zu schlüpfen? Oder draußen vor der Tür in möglichst großer Entfernung aneinander vorbei zu gehen?
Das fühlt sich komisch an. Komisch, weil wir den anderen nicht das Gefühl geben wollen aussätzig zu sein und uns selbst nicht wie Aussätzige fühlen wollen. So sehr uns andere Menschen im Alltag auch nerven, sind sie doch unser Spiegel, unsere Bestätigung der Realität, der Normalität. Aber das wird immer schwerer. Nicht zuletzt wegen diesen Masken. Ein maskiertes Gesicht ist für uns unglaublich schwer zu lesen. Die blaffenden Geräusche, die darunter herauskommen schwer einzuordnen. Hustet mein Gegenüber gerade, lacht sie oder er, oder werde ich gerade beschimpft?
Nicht so schlimm möchte man meinen, aber was bedeutet das für mein eigenes Verhalten, wenn ich nicht mehr sehe, wie andere Menschen auf mich reagieren. Zur allgemeinen Verunsicherung, die sich bisher aus gesundheitlicher und finanzieller zusammensetzt, kommt auch noch die soziale Verunsicherung hinzu. Wer bin ich und wie finden mich die anderen?
Die Antwort darauf ist recht einfach: Ich bin ein social Distel-Ding, genauso wie alle anderen auch. Und die anderen social Distel-Dinger finden mich gar nicht, weil sie zumeist extrem mit sich selbst und ihren eigenen Problemen und Ängsten beschäftigt sind.
Aber wir kommen da schon noch rein. Letztlich ist der Mensch ein anpassungsfähiges Wesen. Wir werden einen Gruß finden, der uns der Gemeinsamkeit versichert, werden lernen Gesichter auch mit Masken zu lesen und werden uns weiterentwickeln, damit diese generelle Unsicherheit nicht immer das Erste ist, was in unserem Kopf herumschwirrt. Und ganz nebenbei, kommen wir dann irgendwann aus dieser Krise wieder heraus. Hoffentlich gesund und munter.