Auf Grund von falschen Beweisen verhaftet und angeklagt. Vom neugeborenen Baby getrennt, das in der Folge stirbt.

ID 105509
 
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Zum 25. November, internationaler Tag gegen alle Formen von Gewalt an Frauen.
Ein Interview mit der Anwältin der politischen Gefangenen Rina May Nazino. Cathy Panguban ist von der National Vereinigung progressiver Anwältinnen und Anwälte auf den Philippien. Sie berichtet über den Kampf von Rina May Nazino für Gerechtigkeit für sich und ihre verstorbene Tochter.
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13:02 min, 30 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 23.11.2020 / 16:21

Dateizugriffe: 1529

Entstehung

AutorInnen: Bianca und Pawikan, Radio LoRa Zürich
Radio: LoRaZH, Zürich im www
Produktionsdatum: 23.11.2020
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
BERICHT ANLÄSSLICH DES DIESJÄHRIGEN 25. NOVEMBER TAG GEGEN ALLE FORMEN VON GEWALT AN FRAUEN:

Auf Grund von falschen Beweisen verhaftet und angeklagt. Vom neugeborenen Baby getrennt, das in der Folge stirbt. Das musste die junge Menschenrechtsktivistin Rina May Nazino auf den Philippinen erleben.

Im folgenden Auszüge aus einem Interview mit der Anwältin von Rina May Nazino, Cathy Panguban. Cathy Panguban ist von der National Vereinigung progressiver Anwältinnen und Anwälte auf den Philippien.

O-Ton 1
Rina May Nazino ist eine politische Gefangene auf den Philippinen. Sie wurde am 5. November 2019 verhaften zusammen mit zwei anderen Aktivistinnen, Alma Moran und Ram Bautista. Sie gehören alle der Organisation Bayan an. Sie wurden auf Grund eines fehlerhaften Durchsuchungsbefehls verhaftet, der von einem Richter in Metro Manila ausgestellt wurde, der bekannt dafür ist, schon viele willkürliche Durchsuchungsbefehle ausgestellt zu haben. Während der Durchsuchung plazierte die Polizei Waffen und Sprengstoff als Beweise in der Unterkunft der Aktivistinnen und des Aktivisten. Die drei werden des illegalen Besitzes von Schusswaffen und Sprengstoff angeklagt. Eine Anklage bei der keine Kaution hinterlegt werden kann.

Auf die Frage wie Rina politische Aktivistin wurde erzählte ihre Anwältin:
O-Ton 2
Sie wurde als Studentin Aktivistin und wehrte sich zuerst gegen die Erhöhung der Studiengebühren an ihrer Schule. Bald lernte sie die schwierige Situation der Menschen in den Armenvierteln kennen und entschied die Schule abzubrechen und eine Vollzeitaktivistin zu werden. Sie schloss sich der Vereinigung der Armenviertel Kadamay an, zog nach Tondo, daem grösste Armenviertel von Manila. Als sie verhaftet wurde arbeitete sie mit den Menschen in Tondo, um sich gemeinsam für eine Verbesserung ihrer Situation einzusetzen.

O-Ton 3
Bei der Gesundheitsuntersuchung beim Eintritt ins Gefängnis in Manila erfuhr Rina, dass sie schanger war.

O-Ton 4
Am 1. Juli 2020 brachte Rina ihre Tochter River zu Welt. Das Baby war untergewichtig. Die schwierige Situation im Gefängnis, mit überfüllten Zellen, mangelhafte Ernährung und der Corona-Pandemie sind vermutlich dafür verantwortlich.
O-Ton 5

O-Ton 6
Am 13. August dieses Jahres wurde Rina von der Gefängnisleitung mitgeteilt, dass ihr das Baby noch am selben Tag weggenommen und Verwandten übergeben werde. Dies obwohl River immer noch unterernährt und dringend auf die Muttermilch angewiesen war. Trotz den Einsprachen von Rina's Verteidigung konnte die Trennung von Mutter und Kind nicht verhindert werden. Dies verstösst gegen die internationalen Übereinkommen, die die Philippinen unterzeichnet haben. Mutter und Kind sollen im Gefängnis nicht getrennt werden. Die Gefängnisleitung und das Gericht argumentierten, damit, dass die Infrastruktur des Gefängnisses nicht auf Mütter mit Kleinkindern und stillende Mütter eingerichtet sei und sie deshalb das Kind von der Mutter trennen mussten.
O-Ton 7

O-Ton 8
Das Baby River wurde zur Grossmutter gebracht, wo es bald darauf erkrankte. Im Spital wurde eine Lungenenzündung festgestellt. Nachdem es River etwas besser ging, wurde die Lungenerkrankung wieder schlimmer und River verstarb am 9. Oktober 2020.

O-Ton 9
Die Verteidigung versuchte für Rina May eine dringende Bewilligung zu erreichen, dass sie ihr sterbendes Kind besuchen konnte. Aber das Gericht behandelte den Fall nicht bevor das Baby verstarb.

O-Ton 10
Auf Anfrage von Rinas Verteidigung gewährte das Gericht Rina zuerst einen dreitägigen Trauerurlaub vom 14.- 16. Oktober.
O-Ton 11
Dies war das erste Mal, dass eine politische Gefangene einen so langen Urlaub erhielt. Normalerweise erhielten die politischen Gefangenen bei einem Todesfall in der Familie überhaupt keinen Urlaub oder nur ein paar Stunden. Im Gegensatz zu reichen Gefangenen, Politiker die z.B. Wegen Korruption angeklagt sind, wie die frühere Präsidentin Macapagal Arroyo, die problemlos mehrere Tage Urlaub erhalt und auch nicht in einem normalen Gefängnis leben muss.
O-Ton 20

O-Ton 12
Aber auf Druck der Gefängnisleitung und der Nationalen Polizei revidierte das Gericht seinen Entscheid und gab Rina nur an zwei Tagen je drei Stunden Trauerurlaub. Sie argumentierten damit, dass es sich bei Rina May um eine Hochsicherheitsgefangene handle.

O-Ton 13
Als Rina May am Nachmittag des 14. Oktobers zur Totenwach ihrer Tochter River gebracht wurde, wurde sie von 47 uniformierten Polizisten begleitet. Niemand konnte in ihre Nähe kommen, weder die Familienmitglieder noch ihre Anwältinnen und Anwälte. Sie war in Handschellen und konnte nicht mal ihre Verwandten umarmen. Nur zum Essen wurde ihr eine Handschelle für kurze Zeit weggenommen.
O-Ton 14

O-Ton 15
Auch am 16. Oktober, an der Beerdigung ihrer Tochter wurde Rina von einem Grossaufgebot von bewaffneten Polizisten in Kampfausrüstung begleitet. Diese versuchten um jeden Preis zu verhindern, dass Rina May Nazino mit den Medien sprechen konnten. Damit beschnitten sie das Grundrecht auf freie Meinungsäusserung von Rina May Nazino, das auch für politische Gefangene gilt.
O-Ton 16

O-Ton 17
All Aufforderungen, Rina die Handschellen abzunehmen, von der Verteidigung, der Familie und sogar dem Pfarrer, damit Rina sich in Würde von ihrer Tochter River verabschieden könnte und wenigsten selbst die Tränen abwischen könnte, wurden von den Polizisten missachtet.

Auf die Frage, wie die legale Situation von Rina May Nazino und den beiden anderen Verhafteten sei, antwortete die Anwältin Cathy Panguban:

O-Ton 18
Die Verteidigung stellte einen Antrag den fehlerhaften Durchsuchungsbefehl aufzuheben und die plazierten Beweise für ungültig zu erklären. Diesen Antrag hat das Gericht abgelehnt und die Verteidigung hat dagegen beim Berufungsgericht Einsprache erhoben. Im Moment warten Sie auf den Engscheid des Berufungsgerichts.

Zur Frage, wie es den Gefangenen geht, meinte Cathy Panguban:
O-Ton 19
Rina ist eine starke Frau mit einem starken Willen. Aber sie trauert, nicht nur über den Tod ihrer Tochte sondern auch über die Ungerechtigkeit, die sie erfährt. Am Grab ihrer Tochter schwor sie, dass sie für Gerechtigkeit kämpfen wird, damit ihre Erfahrungen sich nicht wiederholen werden bei anderen Gefangenen.

O-Ton 21
Die Anwältin Cathy Panguban ruft Feministinen über die Grenzen hinaus auf die Freilassung der politischen gefangenen Frauen auf den Philippinen zu fordern. Den in erster Linie sollten diese Menschenrechtsverteidigerinnen nicht hinter Gittern sein.

O-Ton

Sie sind im Gefängnis auf Grund von falschen, fabrizierten Anschluldigungen.
Sie sind im Gefängnis, weil die Philippinische Regierung keine Kritik tolieriert.
Sie sind im Gefängnis, weil sie die Situation von marginalisierten Frauen in Armenvierteln, von verarmten Bäuerinnen und Arbeiterinnen aufzeigen und sich für ihre Rechte einsetzen.
Kein sollte ins Gefängnis gehen, weil sie sich für die grundlegenden Menschenrecht einsetzen.


Dies der Bericht über die Ungeheuerlichkeiten, die die politische Gefangene Rina May Nacino auf den Philippinen erlebt. Die O-Töne im Bericht sind aus der Sendung Radio Pawikan auf Radio LoRa. Am Mikrophon waren Julia und Bianca. Wir beenden den Bericht mit einem Lied der Frauenband Ilang Laya, Kayo ba ang mga babae oder zu deutsch Ihr Frauen.

Musik 22