Doku von der EU-Außengrenze: "Ich fühlte mich wie eine Romanfigur - gefangen in einem Kapitel"

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Die Dokumentation ECHOES FROM BORDERLAND von Lara Milena Brose begleitet Geflüchtete aus Afghanistan, die in Bosnien-Herzegowina an der EU-Außengrenze "stranden" und dort zum Teil über mehrere Monate in informellen Zeltlagern ohne Wasser oder Heizmöglichkeit leben. Sie treten mehrfach und meist ohne Erfolg mithilfe von Fluchthelfer*innen den gefährlichen Weg durch fließende Gewässer nach Kroatien an. Viele Gebiete sind dort noch aus den Zeiten des Krieges vermint; die Polizei ist gewaltsam und führt illegale Push-Backs durch; manche Menschen finden dort den Tod und doch nennen sie im Camp die Versuche der Grenzübertretung "das Spiel". Echoes from Borderland gewann den Max Ophüls Preis für den Besten Dokumentarfilm. Der Preis ist dotiert mit 7.500 Euro, die in nächste Produktionen fließen müssen.

Begründung der Jury: “Ein Film mit starken ProtagonistInnen und einer mitreißenden Geschichte, der uns berührend und eindrücklich vor Augen führt, dass Europa seine Grenzen für geflüchtete Menschen verschließt und damit humanistische Werte missachtet und seine Verantwortung nicht wahrnimmt. Wie der Film von diesem großen Unrecht und Leid, aber auch von Sehnsucht und Hoffnung erzählt, hat uns mit seiner Nähe zu den Figuren, mit seiner szenischen Erzählweise, seiner präzisen Tongestaltung und seiner formalen und visuellen Eleganz stark beeindruckt.”

Wir hören das Publikumsgespräch mit Nahid, der halbwüchsigen Protagonistin des Films, die im Zeltlager als Übersetzerin und Organisatorin tätig war und nun in der Nähe von Leipzig lebt und einen Aufenthaltstitel hat. Außerdem beteiligt am Gespräch: Boris Gavrilović (Montage). 10:05
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10:05 min, 23 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 01.02.2024 / 14:04

Dateizugriffe: 45

Klassifizierung

Beitragsart: Collage
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich:
Serie: MoRa3X
Entstehung

AutorInnen: die meike
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 30.01.2024
Folgender Teil steht als Podcast nicht zur Verfügung
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Skript
nahid: seit fast zwei jahren.

nahid: das war tatsächlich sehr lustig - sie kam einfach vorbei und ich war eine der wenigen dort, die englisch sprachen, also haben lara und ich, wir haben angefangen uns über die situation zu unterhalten. dann hat sie mir erzählt, daß sie an einer filmhochschule studiert. und sie hatte die idee, diesen film zu m achen. für mich war das auch interessant aber es wurde irgendwann hart, denn ich wußte ja nicht, ob ich noch dasein würde oder nicht. aber letzten endes hab e ich mich entschlossen, den film zu machen. das wichtigste daran war mir einfach, die situation zu zeigen, wie sie ist. die realität der leute, die dort leben, zu zeigen. viele von euch haben sicher viele nachricten aus der gegend gehört, aber es war mir wichtig, diese informationen nicht als interview rüberzubringen, sondern die leute auf einer gefühlsebene anzusprecehn. denn manchmal fehlen dir die worte. für mich war es also so, daß ich den leuten ein bild geben wollte, das ihr herz berührt.

nahid: die geschichte, wie ich in bosnien lebe parallel zu dem leben der bosnischen leute und dann noch parallel zu einer geschichte aus afghanistan, wo ich herkomme, zu erzählen - die absicht dahinter ist auszusagen, daß krieg alle menschen betrifft. wenn irgendwo ein krieg ist, betrifft er alle gleich. das wollten wir den leuten zeigen. wie ihr gesehen habt, hatte ich mein handy nicht mehr. die polizei hat unsere handies kaputtgemacht, daher konnten wir nicht die original spcrachnachrichten benutzen. alle diese geschcihten sind wahr, aber es haben sie verschiedene leute erlebt. ich habe sie versucht zu rekonstruieren und aufgeschrieben, das war meine aufgabe.

nahid: das war seltsam. ich weiß nicht, wer damit angefangen hat. aber ich weiß noch, daß alle, die versuchten, die grenze zu überqueren, sagten "ok, wir gehen zum spiel". an irgendeinem punkt war es tatsächlich wie ein spiel, nur daß es echt war. wir spielten mit unserem leben. und wenn du dort hingingst, wußtest du nie, ob du lebend wiederkommen würdest. und das ist traurig.

nahid: nein, ich kannte die leute schon. wir haben uns alle schon mal gesehen, aber nie wirklich miteinander geredet. ich wußte nichts über den krieg, der dort stattgefunden hatte. sie sagte, alle geschichten wiederholten sich, all der schmerz, all das. das ist mein lieblingsteil. die geschichte über afghanistan und ich, die jahrelang unterwegs ist und dann ihre geschcihte daneben - alles ist sehr miteinander verbunden. den teil mag ich am liebsten.

nahid: tatsächlich hatte sie mir die geschichte schonmal erzählt. ich wußte also worum es geht. aber ich spreche kein bosnisch oder nur ein paar worte, aber ein mädchen hatte zuvor schon für mich übersetzt. als sie also zu erzählen begann, wußte ich, worüber sie sprach.

nahid: ich gewöhne mich gerade an den ort, an dem ich lebe. am anfang war ich nicht sicher. wie ihr alle gesehen habt, haben wir am ende des filmes eine dublin-abschiebung (in das eu-land, das sie bei der einreise zuerst betreten haben, anm. der übersetzterin) bekommen. also war uns - mir und meiner familie - für fast ein jahr nicht klar, ob wir in deuthsland bleiben konnten. als wir dann usner bleiberecht bekamen, konnte ich wieder an ein normales leben denken und von vorn anfangen. ich gewööhne mich an deutschland. die leute sind nett zu mir.

nahid: das hauptziel dieser dokumentation war es, die realität abzubilden, damit die leute sehen können, was wirklich dort passiert.
für mich und die anderen famlien war es okay, denn wir haben einander, aber für diesen alleinstehenden mann, den wir im film sehen, ist es viel härter, denn sie haben niemanden. die polizei verhält sich sehr schlecht gegenüber alleinstehenden männern.

nahid: ich möchte zunächst daruaf eingehen, daß ich mich wie ein kapitel in einem buch fühlte - weißt du, wenn du so wie ich als sehr junger mensch dort lebst und all diese erfahrungen machst, ist das sehr hart. das war sehr viel drukc. ich ich mußte meiner familie helfen; ich mußte ander leuten dort helfen - so viele leute kamen iimmer zu mir mit so vielen anliegen und ich versuchte immer irgendwelche dinge zu organisieren und z ufinden. dabei habe ich mich selbst vergessen. ich bin froh, daß ich ihnen helfen konnte. als sie uns nach sarajevo brachten und unser camp zerstörten - als ich dort diese jungen menschen auf der straße sah, die einfach halloween feierten. dachte ich so bei mir - oh mein gott. warum bin ich in dieser situation in meinem jungen alter und kann kein normales leben haben? da dachte ich - jemand wird vielleicht mein kapitel lesen, ich durchlebe all diese dinge und dann gehe ich zum nächsten kapitel, das ein besseres kapitel sein wir dun d auch ein besseres leben für mich. das war meine einzige hoffnung. auf ein normales leben.
ich bin so froh, daß ihr den film jetzt gesehen habt und daß noch andere leute ihn sehen werden!

nahid: gerade gehe ich auf eine hauptschule und versuche meinen hauptschulabshcluß zu machen. ich war ja so viele jahre nicht in der schule, da ist das etwas schwieriger, aber ich gebe mein bestes um den abschluß zu schaffen und dann weiterzumachen - ich weiß noch nicht was, aber ich werde hoffentlich etwas finden, das mir spaß macht!