Fallstricke der Emanzipation. Autoritäres und Regressives in der Linken gestern und heute (Vortrag)
ID 135561
Linke Bewegungen stehen für Freiheit und Gleichheit – doch auch in ihren eigenen Reihen gibt es autoritäre und rückschrittliche Tendenzen. Der Vortrag von Lothar Galow-Bergemann am 14. Mai 2025 in Jena beleuchtet, wie alte Denkmuster und Machtstrukturen in der Linken bis heute fortwirken – von Männlichkeitskult bis Antisemitismus. Woran sind echte emanzipatorische Bewegungen zu erkennen und wie grenzen sie sich von autoritären Irrwegen ab?
Eine Veranstaltung der Linksjugend Jena
Eine Veranstaltung der Linksjugend Jena
Entstehung
AutorInnen: Anna
Kontakt: redaktion(at)radio-frei.de
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 21.05.2025
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Skript
Veranstaltungstext:
Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Besser lassen sich Anspruch und Programm menschlicher Emanzipation nicht auf den Punkt bringen. Wenn der Begriff Links Sinn hat, dann diesen. Oft sehen linke Theorie und Praxis jedoch ganz anders aus. Was längst überwunden sein sollte, lebt auch in vielen linken und linksradikalen Strukturen und Denkweisen fort: Die Herrschaft von Zwangsgemeinschaften und von Menschen über andere Menschen.
Das kann sich in Männlichkeitskult und sexistischem Verhalten äußern, in der Vorliebe fürs Agitieren statt fürs Argumentieren oder in der Vorstellung, antifaschistische Akteur*innen seien stets im Recht, was auch immer sie tun. Aber auch im Glauben, man sei zur „Führung der Arbeiterklasse“ berufen. Der Griff in die Mottenkiste staatssozialistischer Parteidiktaturen und Sympathie für autoritäre Führergestalten wie Lenin liegen da oft nahe. Der Glaube, „die Klasse und das Volk“ brauche eigentlich nur die richtigen Führer, korreliert zudem mit zwei ebenso absurden wie folgenreichen Fehleinschätzungen: Nationalsozialismus und Antisemitismus seien die Folge rechter Verführungskünste und bürgerlich-rechtsstaatliche Verhältnisse seien letztlich ebenfalls „faschistisch“.
Autoritäres lebt auch in einem „Antiimperialismus“, der den Westen grundsätzlich immer zum „eigentlich Schuldigen“ an internationalen Konflikten erklärt und dabei den Charakter autoritärer Regime ignoriert oder relativiert. Regressives kann sich auch in gut gemeinter antirassistischer Absicht verstecken. Unterordnung von Individuen unter Zwangsgemeinschaften gibt es auch in Form unreflektierter Verteidigung für sakrosankt erklärter „Kulturen“, denen Menschen zugeordnet werden. Und wo Antisemitismus als eine Art Rassismus missverstanden wird, ist man blind für eine wahnhafte „Welterklärung“, die in Krisenzeiten rasend schnell um sich greifen und zum mörderischen Flächenbrand werden kann.
Mit unverstandener Dynamik regressiver Krisenverarbeitung hat auch eine weitere Form des Autoritären zu tun: Die Projektion der faschistischen Gefahr auf ein vermeintlich Äußeres – häufig auf „den“ Islam. Einsichten in die Genese des Antisemitismus können so verschüttet und Distanz zu „rechtspopulistischen“ Positionen verloren werden.
Was unterscheidet Kapitalismuskritik von antikapitalistischem Ressentiment? Welche Mindestanforderungen müssen emanzipatorische Bewegungen erfüllen?
Lothar Galow-Bergemann begann 1971 in der Krankenpflege zu arbeiten und war aktiver Gewerkschafter und Personalrat im Klinikum Mannheim und im Klinikum Stuttgart. Er hält die Überwindung des Kapitalismus für dringender denn je, kennt aber auch die Verirrungen linker Holzwege und glaubt, man sollte aus ihnen lernen. Er schreibt u.a. für Jungle World und Emma und Fritz.
Mit Lothar Galow-Bergemanns Vortrag zur Vergangenheit und Aktualität autoritärer Tendenzen in der Linken bestreiten wir, die Linksjugend [’solid] Jena, den zweiten Teil unserer im April mit einem einführenden Vortrag von Peter Schulz begonnenen Vortragsreihe „Neue Sehnsucht nach dem »starken Mann«? Die gesellschaftlichen Grundlagen des Autoritarismus und aktuelle autoritäre Tendenzen in Politik und Gesellschaft“ im Sommersemester 2025.
Am 12.06.2025 geht es dann weiter mit einem Vortrag von Cornelius Helmert (Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft Jena), der über das Thema „Baseballschlägerjahre 2.0 oder kurzer TikTok-Trend? — Ursachen und Ausprägungen des erstarkenden Rechtsextremismus bei Jugendlichen“ referieren wird. Weitere Veranstaltungen sind aktuell noch in Planung und werden rechtzeitig angekündigt.
Alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Besser lassen sich Anspruch und Programm menschlicher Emanzipation nicht auf den Punkt bringen. Wenn der Begriff Links Sinn hat, dann diesen. Oft sehen linke Theorie und Praxis jedoch ganz anders aus. Was längst überwunden sein sollte, lebt auch in vielen linken und linksradikalen Strukturen und Denkweisen fort: Die Herrschaft von Zwangsgemeinschaften und von Menschen über andere Menschen.
Das kann sich in Männlichkeitskult und sexistischem Verhalten äußern, in der Vorliebe fürs Agitieren statt fürs Argumentieren oder in der Vorstellung, antifaschistische Akteur*innen seien stets im Recht, was auch immer sie tun. Aber auch im Glauben, man sei zur „Führung der Arbeiterklasse“ berufen. Der Griff in die Mottenkiste staatssozialistischer Parteidiktaturen und Sympathie für autoritäre Führergestalten wie Lenin liegen da oft nahe. Der Glaube, „die Klasse und das Volk“ brauche eigentlich nur die richtigen Führer, korreliert zudem mit zwei ebenso absurden wie folgenreichen Fehleinschätzungen: Nationalsozialismus und Antisemitismus seien die Folge rechter Verführungskünste und bürgerlich-rechtsstaatliche Verhältnisse seien letztlich ebenfalls „faschistisch“.
Autoritäres lebt auch in einem „Antiimperialismus“, der den Westen grundsätzlich immer zum „eigentlich Schuldigen“ an internationalen Konflikten erklärt und dabei den Charakter autoritärer Regime ignoriert oder relativiert. Regressives kann sich auch in gut gemeinter antirassistischer Absicht verstecken. Unterordnung von Individuen unter Zwangsgemeinschaften gibt es auch in Form unreflektierter Verteidigung für sakrosankt erklärter „Kulturen“, denen Menschen zugeordnet werden. Und wo Antisemitismus als eine Art Rassismus missverstanden wird, ist man blind für eine wahnhafte „Welterklärung“, die in Krisenzeiten rasend schnell um sich greifen und zum mörderischen Flächenbrand werden kann.
Mit unverstandener Dynamik regressiver Krisenverarbeitung hat auch eine weitere Form des Autoritären zu tun: Die Projektion der faschistischen Gefahr auf ein vermeintlich Äußeres – häufig auf „den“ Islam. Einsichten in die Genese des Antisemitismus können so verschüttet und Distanz zu „rechtspopulistischen“ Positionen verloren werden.
Was unterscheidet Kapitalismuskritik von antikapitalistischem Ressentiment? Welche Mindestanforderungen müssen emanzipatorische Bewegungen erfüllen?
Lothar Galow-Bergemann begann 1971 in der Krankenpflege zu arbeiten und war aktiver Gewerkschafter und Personalrat im Klinikum Mannheim und im Klinikum Stuttgart. Er hält die Überwindung des Kapitalismus für dringender denn je, kennt aber auch die Verirrungen linker Holzwege und glaubt, man sollte aus ihnen lernen. Er schreibt u.a. für Jungle World und Emma und Fritz.
Mit Lothar Galow-Bergemanns Vortrag zur Vergangenheit und Aktualität autoritärer Tendenzen in der Linken bestreiten wir, die Linksjugend [’solid] Jena, den zweiten Teil unserer im April mit einem einführenden Vortrag von Peter Schulz begonnenen Vortragsreihe „Neue Sehnsucht nach dem »starken Mann«? Die gesellschaftlichen Grundlagen des Autoritarismus und aktuelle autoritäre Tendenzen in Politik und Gesellschaft“ im Sommersemester 2025.
Am 12.06.2025 geht es dann weiter mit einem Vortrag von Cornelius Helmert (Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft Jena), der über das Thema „Baseballschlägerjahre 2.0 oder kurzer TikTok-Trend? — Ursachen und Ausprägungen des erstarkenden Rechtsextremismus bei Jugendlichen“ referieren wird. Weitere Veranstaltungen sind aktuell noch in Planung und werden rechtzeitig angekündigt.
Kommentare
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27.05.2025 / 17:59 | Monika, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar |
in sonar
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am 27.05.. Vielen Dank ! | |