Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll

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Der Beitrag beschreibt die Problematik des Plastikmülls in den Weltmeeren.
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Upload vom 28.03.2010 / 13:01

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Umwelt
Entstehung

AutorInnen: Annette Gauck (Greenpeace München)
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 25.03.2010
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Die Verschmutzung der Meere ist ein Thema, dass jeder kennt und mit Fotos von verendeten Vögeln und Ölteppichen assoziiert. Während der Betrachter Mitleid für die toten Tiere empfindet ist der Bezug zur eigenen Gesundheit und damit die Notwendigkeit des Selbstschutzes nicht so klar.

Seit diese Problematik in den 80er Jahren thematisiert wurde, sind zahlreiche Gesetze erlassen worden mit denen Umweltverstöße strafrechtlich verfolgt werden können – allerdings sind auch neue Gefahren hinzugekommen. Hier spielt die Vermüllung des gesamten Planeten durch Plastik eine zentrale Rolle. Die Problematik des Plastikmülls - immer noch zu wenig im Fokus der Öffentlichkeit - erweitert das Verschmutzungsszenario, in welchem bislang das Insektengift DDT, Pestizide und Erdöl tonangebend waren. Wie viel Kunststoff täglich in die Weltmeere gelangt, kann niemand genau sagen. Der japanische Chemieprofessor und Forscher Katsuhiko Saido schätzt die Menge, die allein in Japan pro Jahr angespült wird, auf 150.000 Tonnen. Da Plastik im Alltag sehr robust ist, gingen Forscher bisher davon aus, dass es auch im Meer stabil bleibt und erst nach langer Zeit chemisch abgebaut wird.

Forscher um den Chemiker Katsuhiko Saido präsentierten auf einem Treffen der American Chemical Society in Washington nun Belege dafür, dass der Abbauprozess der Kunststoffe - entgegen bisheriger Expertenmeinungen - schon nach weniger als einem Jahr im Meer beginnt. Allerdings ist dies keine gute Nachricht, sondern bedeutet, dass dabei unter anderem die Substanz Bisphenol A frei wird. Dieser Stoff steht im Verdacht, gesundheits- und erbgut-schädigend zu sein. Auch die häufig vorkommenden Polystyrol-Abfälle setzen verschiedene giftige Verbindungen frei, die Krebs verursachen können.

Um den Ablauf dieser Prozesse zu erforschen, entwickelte Saidos Team eine neue Methode, die den Abbau von Plastikprodukten bei niedrigen Temperaturen simulieren kann. Ihre Ergebnisse deckten sich sehr genau mit den im Meer gemessenen Konzentrationen der untersuchten Schadstoffe. Die Gifte, über deren Ursprung bisher nur spekuliert werden konnte, stammen also vom Plastikmüll, zumal sie in der Natur ohne menschliches Zutun nirgends vorkommen. Das Problem wäre selbst dann nicht gelöst, wenn ab sofort kein Plastik mehr produziert werden würde, erläutert Saido. Denn die vorhandenen Plastikmengen werden uns noch Jahrzehnte erhalten bleiben

Etwa 240 Millionen Tonnen Plastik werden jedes Jahr produziert, davon gelangen 10% in die Meere. Hiervon gelangen etwa 20 Prozent von Schiffen und Plattformen ins Meer, der Rest vom Festland, entweder mit dem Wind oder über die Flüsse. Nach Angaben des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) schwimmen bereits 100 Millionen Tonnen Plastikmüll in den Ozeanen. Dies bedeutet 13.000 Stückchen Plastik pro Quadratkilometer.

Natürlich schwimmt nicht alles Plastik frei im Meer herum. Der überwiegende Teil sinkt auf den Meeresgrund. Holländische Wissenschaftler haben errechnet, dass auf einen Quadratmeter Meeresboden 110 einzelne Plastikartikel kommen. Diese Plastikgegenstände können den Meeresboden im wahrsten Sinne „zumüllen“ und alles Leben unter sich begraben.

Ein besonderes Phänomen sind die fünf sogenannten Plastikstrudel, in denen sich der Müll in den Weltmeeren sammelt. Im größten von ihnen, zwischen Hawaii und Kalifornien rotiert das Wasser in einer langsamen Spirale im Uhrzeigersinn. Die Winde sind hier schwach, und die Strömung treibt alle schwimmenden Stoffe in das energiearme Zentrum des Wirbels. Auch gibt es nur wenige Inseln, an denen das Treibgut angespült werden kann. Folglich bleibt es bis zu seinem Zerfall im Wirbel.

Tatsächlich dreht sich hier eine Plastik-Insel so groß wie Texas langsam im Uhrzeigersinn um sich selbst. Der Wirbel hat mittlerweile Namen wie «Asian Trash Trail», «Trash Vortex» oder «Eastern Garbage Patch».
Entdeckt wurde der sog. „Garbage Patch“ 1997 vom kalifornischen Millionär Charles Moore, als der passionierte Segler vor Honolulu kreuzte. Er hatte bereits zuvor die Algalita Marine Research Foundation zum Schutz der Meere ins Leben gerufen, die sich mittlerweile ausschließlich dem Versuch der Beseitigung dieses Problems widmet. Mit einem Team von Meereswissenschaftlern, Biologen, Chemikern und Studenten versucht er den Müll einzusammeln und Lösungsansätze zu finden. 1998 fand Moore ein Plastik-Plankton-Verhältnis von 6:1 vor – auf ein Kilogramm Plankton kamen sechs Kilogramm synthetische Reste. Zwei Jahre später lag das Verhältnis bereits bei 46:1, und derzeit deutet alles daraufhin, dass sich die Situation weiter dramatisch verschlechtert hat. In einigen Stichproben, die sein Team 2009 dem Müllstrudel entnommen hat, fanden sie hundertmal mehr Plastik als Plankton.
Schon über die Ausdehnung der von Moore durchpflügten Müllsuppe gibt es widersprüchliche Angaben: Schwimmt da ein einziger durchgehender Müllteppich zwischen Hawaii und den USA? Oder sind es zwei, jeder so groß wie Mitteleuropa? Weil ein Großteil des Mülls in einer Tiefe von bis zu zehn Metern treibt, können Satellitenmessungen seine Ausdehnung nur ungenau erfassen.
Tatsächlich gehen Experten davon aus, dass jedes einzelne Plastikteil, das in den vergangenen 60 Jahren hergestellt worden ist und in den Pazifischen Ozean gelangte, noch immer dort ist. Über Menge und Gewicht der Kunststoffmasse wird spekuliert. Die Schätzungen reichen von drei Millionen bis 100 Millionen Tonnen.

Da der Müll in internationalen Gewässern kreiselt, fühlt sich kein Land verpflichtet, ihn zu beseitigen. Allerdings dürfte die US-amerikanische Gesellschaft zur Erforschung der Ozeane NOAA grundsätzlich Interesse an einer Säuberungsaktion haben, nicht zuletzt, weil der Meeresstrudel an seinen südlichen Rändern Plastikabfälle verliert, die dann an den Küsten Hawaiis angespült werden.
Auch der kalifornische Meereskundler Jim Dufour und der Umweltschützer Doug Woodring aus Hongkong verfolgen ein ehrgeiziges Projekt: Sie hoffen mittels Fangnetzen den Müll herausfischen und als Brennstoff aufbereiten zu können. Ihr Forschungsschiff «Kaisei» – auf japanisch Meeresplanet – wird von einem Fischtrawler begleitet. Mit seiner Hilfe sollen Fangtechniken für die Plastikpartikel erprobt werden, die die Meereslebewesen schonen. «Es müssen Netze sein, die engmaschig genug sind, um eine Menge Müll herauszufischen, aber großmaschig genug, um Plankton durchzulassen», erläutert Woodring. Obwohl diese Methode fragwürdig erscheint, wäre es doch ein Fortschritt, wenn wenigstens größere Plastikteile entsorgt werden könnten.
Unterstützt wird das Projekt vom UN-Umweltprogramm und einer Firma für Wasseraufbereitungssysteme. Die umgerechnet 1,4 Millionen Euro, die für die Expedition notwendig sind, sollen aus Spenden aufgebracht werden.
Medienwirksam erreicht die Plastikmüll-Thematik aktuell mit Werner Bootes Dokumentarfilm "Plastic Planet" ein breites Publikum. Nach zehnjähriger Recherchezeit präsentiert Boote einen Film, der zwar eine Dokumentation des Schreckens ist, den Zuschauer aber auch unterhält. Auch Vorschläge zum verantwortungsbewussteren Umgang mit Plastik im Alltag werden unaufdringlich vermittelt.

Plastik ganz aus dem Weg zu gehen, dürfte allerdings kaum möglich sein. Die Menge des Kunststoffs, die in den vergangenen 100 Jahren produziert wurde, würde reichen, um den gesamten Erdball sechsmal einzupacken. Die Kunststoffindustrie macht 800 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr. Mehr als eine Million Menschen arbeiten allein in Europa in der Plastikindustrie. Jeder Industriezweig ist heute auf Kunststoff angewiesen.

Boote verfolgt einen eher pragmatischen Ansatz: "Ich würde nicht sagen: 'Kauft überhaupt kein Plastik mehr' erläutert er, „Das würde ohnehin nicht funktionieren". Bewusster werden und sich selbst überprüfen, das wäre doch schon ein Anfang. "Der Bioapfel in der Plastiktüte beispielsweise, das ist einfach absurd." "Erkundigen Sie sich. Fragen Sie die Supermarktverkäufer, warum auf der Plastikverpackung nicht drauf steht, was da alles für Schadstoffe in das Essen übergehen können." Der Konsument müsse nicht befürchten als Quertreiber abgestempelt zu werden. Es ist EU-Recht, dass der Händler dem Konsumenten Auskunft geben muss, was in den angebotenen Produkten enthalten ist.

Man kann sich auch mit einer E-Mail direkt an den Hersteller des Produkts wenden. Gibt die Firma keine korrekte Antwort, verstößt sie damit gegen geltendes Recht und muss mit einer empfindlichen Strafe rechnen, so Boote. Er hofft, dass seine Dokumentation ein breites Publikum anspricht und prophezeit: "Wenn Sie diesen Film gesehen haben, werden Sie nie wieder aus einer Plastikflasche trinken."