Blumenexport - verkanntes Umweltproblem

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Erschreckende Bilanz über den "ökologischen Fussabdruck" von Blumen aus Südamerika.
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mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 25.05.2012 / 10:13

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Umwelt
Entstehung

AutorInnen: Maike Weiss (Greenpeace München)
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 24.05.2012
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Blumenindustrie in Lateinamerika

Jetzt haben wir es erst einmal hinter uns. Nächstes Jahr geht die Überlegung nach dem passenden Geschenk dann wieder von vorne los. Die Kreativen basteln, die Spendablen schenken einen Massagegutschein und die eher Einfallslosen Blumen. Die sind schließlich immer ein gutes Geschenk und deshalb auch überaus beliebt bei uns.
Deutschland hat den höchsten Schnittblumen-Verbrauch in Europa. Für jährlich 1 Milliarde € werden über 80% der Blumen, die im deutschen Handel verkauft werden, importiert. Hauptlieferant sind die Niederlande, die als Zentrum des weltweiten Blumenhandels gelten. Gefolgt von Kenia, Ecuador, Kolumbien, Israel und Zimbabwe. Doch nur die Hälfte der Blumen aus den Niederlanden ist auch aus niederländischer Produktion. Die andere Hälfte stammt aus Ländern in Afrika und Lateinamerika. Der Import aus diesen Ländern ist trotz des aufwändigen Transportes per LKW und Flugzeug kostengünstiger als die eigene Produktion. Nicht erstaunlich, denn die Arbeiter verdienen dort viel weniger als in einer deutschen Blumenfarm: Im Durchschnitt bekommen sie nur 40€ im Monat. Denn Blumenanbau ist Handarbeit. Nur beim Verpacken der Ware können Maschinen eingesetzt werden, weshalb bereits auf einer mittelgroßen Plantage schon um die 500 Angestellte arbeiten. Außerdem fallen, dank des günstigen Klimas, Kosten für die Beheizung der Gewächshäuser weg und es gibt kaum Umweltschutzrichtlinien, die Zusatzkosten verursachen.

Dass diese aber in allen Blumenzuchten notwendig wären, sieht man vor allem am dortigen Pestizid- und Düngemitteleinsatz, der dreimal so hoch ist wie in Deutschland. Bei einer Überprüfung von importierten Rosen fand Öko-Test bis zu 20 verschiedene Spritzgifte pro Strauß; elf davon waren in der EU nicht mehr erlaubt und vier laut Weltgesundheitsorganisation WHO "hoch gefährlich". Diese Fahrlässigkeit der Unternehmen, deren Hauptsitz meist in Europa ist, schädigt Mensch und Natur. Die Arbeiter sind im Umgang mit den Mitteln nicht geschult und Schutzmaßnahmen werden nicht oder nur unzureichend eingehalten. Erhebliche Gesundheitsschäden sind die Folge. Allein in Kenia sterben nach Angaben der Gewerkschaft jährlich 1.000 Menschen an Pestizidvergiftungen. Fehlgeburten und Unfruchtbarkeit sind weitere Konsequenzen des Gifteinsatzes. Ökologische Folgen sind z.B. die Vergiftung der Böden und Gewässer. Das Grundwasser ist vielerorts belastet und der Grundwasserspiegel sinkt kontinuierlich, denn der Wasserverbrauch auf den Plantagen ist enorm. Jede einzelne Rose braucht 5 Liter Wasser bis sie geerntet werden kann. Nur die allerwenigsten Farmen benutzen ein Kreislaufsystem, das das Wasser reinigt und wiederverwendbar macht. Verseuchtes Wasser wird in den nächsten See oder Fluss geleitet; kostbares Grundwasser zur Pflanzenbewässerung unaufhörlich zu den Feldern gepumpt.

Wegen der vergifteten Seen konnten Fischer ihrer Arbeit teilweise Monate lang nicht nachgehen. Und auch für Nomaden stellt die boomende Blumenindustrie eine Bedrohung dar. Sie haben kaum noch Zugang zu Feldern und Gewässern, an die sie ihre Viehherden bringen können, da hier ständig neue Blumenfarmen gebaut werden. In Kolumbien wird die Lage der Indios immer problematischer. Besonders ihr Lebensraum in den Anden ist begehrt und wird immer weiter eingeschränkt. Schon beim Anflug auf Bogotá sind die langen Reihen der Gewächshäuser mühelos aus der Luft zu erkennen. Bisher waren Kaffee und Kokain als kolumbianische Exportschlager bekannt. Doch in den letzten Jahren ist Kolumbien nach den Niederlanden zum bedeutendsten Blumenexporteur der Welt aufgestiegen. 14% aller Schnittblumen werden in den Anden produziert. Vor allem Rosen und Nelken gedeihen im tropischen Hochgebirgsklima gut. Rund 80% der Produktion gehen in die USA, der Rest nach Europa. Die Arbeitsbedingungen sind auch für die ca. 100.000 Beschäftigten der kolumbischen Blumenbranche die gleichen: es wird kaum der Mindestlohn gezahlt, die Schutzmaßnahmen sind unzureichend und es gibt kein Recht auf Gewerkschaften. Aber ein schlechter Job ist besser als gar keiner und so gibt es wenig Protest von Seiten der Arbeiter. Wenn doch mal einer die Arbeitsbedingungen anprangert, wird er entlassen, Ersatz gibt es genug. Die Blumenindustrie in Afrika und Lateinamerika beutet ihre Angestellten aus, verdrängt die Ureinwohner und Landbevölkerung und nimmt denen, die von der Natur abhängig sind, ihre Lebensgrundlage.

Doch der Blumenmarkt in Deutschland ist ein lohnendes Geschäft. Schätzungsweise 4Milliarden € geben die Deutschen jährlich für Schnittblumen aus. So viel wie kein anderes Land in Europa. Um immer exotischere Kreuzungen herzustellen, ist Gentechnik längst ein Bestandteil der Züchtung geworden. So erhält z.B. die Nelkensorte „Moonlite“ ihre Blaufärbung durch Gene der Petunie. Ein australisches Unternehmen hat die Erlaubnis, die blauen Nelken in die EU einzuführen. Die Pflanze darf jedoch noch nicht in der EU angebaut werden.

Inzwischen gibt es in Deutschland, Europa und anderen Ländern eine Reihe von Siegeln, an denen Verbraucher umweltverträglich, menschenfreundlich und/oder ökologisch erzeugte Blumen erkennen können. Aber wie bei fast allen Zertifizierungen muss man sich auch hier durch einen unübersichtlichen Dschungel von Siegeln kämpfen. In Deutschland ist vor allem das „Fairtrade“-Siegel von Bedeutung. Es berücksichtigt soziale Faktoren, aber auch die Umweltbedingungen bei der Blumenproduktion in den Ländern des Südens. Allein auf die Umweltaspekte in der Schnittblumenproduktion setzt das Siegel "Das Grüne Zertifikat". Es kennzeichnet umweltgerechte und ressourcenschonend arbeitende Zierpflanzen-Betriebe. Wenn man es nicht aus Liebe zur Natur oder seinen Mitmenschen macht, sollte man zumindest im eigenen Interesse beim Blumenkauf auf diese Siegel achten. Denn bisher ist ungeklärt, wie stark Pestizide aus Blumen ausgasen. Von Floristen gibt es bereits Berichte über Hautekzeme und Atembeschwerden. Schwachpunkt der internationalen Zertifizierung ist allerdings, dass Kontrollen nur selten stattfinden und zudem in der Regel angekündigt werden.

Wer regional und ökologisch angebaute Blumen kaufen möchte, wird vor allem auf Wochen- und Öko-Märkten fündig. Blumen aus ökologischem Anbau wachsen langsamer als Blumen aus konventioneller Produktion, weil sie nicht mit chemisch-synthetischen Düngemitteln behandelt werden und nicht im Gewächshaus wachsen. Dadurch sind sie widerstandsfähiger und halten länger. Was ja auch nicht verwunderlich ist, da Schnittblumen aus konventioneller Produktion schon einen langen Weg in gekühlten Frachtbehältern hinter sich haben. Als verderbliche Ware sollten sie eigentlich spätestens drei Tagen nach dem Schneiden im Laden stehen. In der Realität sind es allerdings meist vier bis fünf Tage. Eine weitere gute Alternative ist das Selbstpflücken, auf denen man in vielen Regionen neben Sonnenblumen, Gladiolen und Dahlien auch unterschiedliche Sommerblumen selbst schneiden kann. Da gibt’s das Gefühl der Naturverbundenheit sozusagen gratis dazu! Über die Hälfte der Schnittblumen werden in Deutschland allerdings bequem im Blumenfachgeschäft gekauft, doch kaum eines verkauft zu 100% ökologisch angebaute Schnittblumen. Im Internet kann man sich über die Partnerbetriebe ökologischer Anbauverbände wie Bioland informieren. In jedem Fall sollte man darauf achten, saisonale Blumen zu kaufen. Das Angebot von Blumen aus dem Freiland-Anbau ist von Mai bis September am vielfältigsten. Auf oeko-fair.de kann man sich darüber informieren, welche Blumen gerade regional wachsen.

Es gibt also eine Menge zu beachten. Und das ausgerechnet beim einfachsten und unkompliziertesten Muttertagsgeschenk! Einfach mal vormerken – für 2013!

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27.05.2012 / 06:00 AL, coloRadio, Dresden
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