GAMMA - Trojaner foltern nicht

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Das BKA testete neulich "Finspy", den Trojaner aus dem Hause Gamma. Dessen Geschäftsführer findet nicht nur die Polizei ganz dufte, sondern versteht auch die ganze Aufregung um seine Software nicht. Trojaner foltern niemanden, sagt er. Nun ist er Menschenrechtsbeauftragter.
Audio
08:09 min, 15 MB, mp3
mp3, 256 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 16.02.2013 / 00:05

Dateizugriffe: 610

Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: LDR
Radio: RadioBlau, Leipzig im www
Produktionsdatum: 15.02.2013
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Nach dem 2011 der Chaos Computer Club wohl in braunen Umschlägen, zu
analysierende Festplatten, konspirativ übergeben wurden und diese eben
auf Spuren eines sogenannten Bundestrojaner untersucht wurden, der bis
dahin in noch keiner freien Wildbahn gesicht worden war. Zeitweise
schien es nicht mal gesichert, ob so etwa überhaupt existieren kann oder
es sich um eine inszenierte PR Schlacht der deutschen
Ermitttlungsbehörden handle. Also nach der wohl zu recht forensisch
genannte Analyse, waren diese Trojaner erstmal in aller Munde. Ein
bösartiges Stück Software, was das tut, was ein Oberster befehlt und so,
Mikrofon, Webcam und Bildschirminhalte inkl. Tastatureingaben an
jemanden übertragen kann, den das eigentlich so gar nichts angeht.
Rechtlich gesehen. Aber deswegen, natürlich, sollte dieser Trojaner nur
eingesetzt worden sein, wenn richtig schwere Delikte verübt worden. Wie
z.b. Verstöße gegen das BtmG.. Nun ja. Der damalige Hersteller DigiTask
konnte sich in dieser Zeit nicht gerade über mangelnde presse beklagen,
auch wenn sie ausnahmslos schlecht daherkam. Neben all den Dingen, von
denen man nicht will, dass sie auf dem eigenen Rechner passieren, war
dieser Trojaner auch noch einfach schlechtes Handwerk. Billiger Code,
fehlerbehaftet und mit allerlei Zusatzfunktionen ausgestattet, die da
auch nicht hingehören. Rechtlich... jedenfalls, einige Zeit später, also
heute, möchte das BKA so gerne immernoch einen Trojaner. Einen
funktionierenden. Rechtlich einwand Freien. Oder zumindest einen fast
funktionierenden, ein bisschen rechtlich einwandfreien, das Recht kann
man ja später anpassen. Ist ja auch nichts neues. Um der Schmach, des
Billigprodukts von Digitask zu entgehen, will man den neuen Trojaner
diesmal selbst herstellen. Ein eigenes Kompetenzzentrum schrieb man
dafür aus, dutzende Arbeitsplätze wurden geschaffen. Allein, die
Bewerbungsschreiben trudelten nicht in dem Maße ein, wie man sich das
wohl erhofft hätte. Es programmiert sich eben eher mit Bauchschmerz,
wenn man weiß dass mit dem fertig übersetzten Programmcode irgendwie
irgendwer ausspioniert wird. Und so sagte das BKA neulich, oder
zumindest schriftlich, dass vor Ende 2014 nicht mir der mit Spannung
erwarteten Eigenkreation zu rechnen ist. Nun, das ist eine lange Zeit,
und bis dahin? Den Digitasktrojaner nochmal einzusetzen ist
aussichtslos, die damals gefundenen Varianten kennen heute auch die
ganzen Anti-Virusfirmen. Und Lehrgeld bezahlte man ja schon. Also wird
geschaut, was der Markt noch so her gibt. Und der Markt ist groß. Und
mit Messe. Auf der ISS World Europe. Lang: Intelligence Support Systems
for Lawful Interception, Criminal Investigation and Intelligence
Gathering. Da präsentiert sich die Creme de la Creme, dort wird
vorgegführt und vorgesprochen und so mancher Vertrag unterzeichnet. Also
der Markt ist da, man muss nur noch testen. Das BKA testete. Unter
anderem den Trojaner namens Finspy, aus der Finfisher Suite von der
Firma Gamma. Eine dt./britische Angelegegnheit. Allerdings mit
schlechten Leumund, denn als in Ägypten, nach der Stürmung des dortigen
Staatssicherheit, Dokumente gefunden wurden, die zeigten, dass auch
Mubarak auf die Angebote von Gamma und ihrem Finfisher setzte um
Oppositionelle anzuzapfen und abzuhören. Das BKA ruderte auch bald
zurück und betonte, dass FINSPY nur zu Testzwecken genutzt wurde und
nicht weiter in Betracht gezogen. Alles gut. … Nicht ganz! Dann muss es
eben ein anderer werden, der den dt. Gesetzen zur Quellen
Telekommunikationsüberwachung genüge tut. Ein Ding der Unmöglichkeit
eigentlich, aber Paragraphen sind dehnbar. Deswegen heisst es seitens
des Bundeskriminalamts auch: die Software werde derzeit "getestet". Sie
erfülle "die Anforderungen derzeit nicht". Also doch ein Auftrag für
Gamma in naher Zukunft? Deren PR-Abteilung musste jedenfalls einstecken
in der letzten Woche. Verschiedene Menschenrechtsorganisationen,
darunter Reporter ohne Grenzen, beschwerten sich bei der OECD
(Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) über
das Unternehmen. Unter anderen ging es um die geschäftliche
Zusammenarbeit von Gamma mit Bahrain. In Bahrain kam es 2011 in
Zusammenhang mit dem sogenannten arabischen Frühling zu Protesten und
Demonstrationen der Bevölkerung, die ein gewaltsames Ende fanden. Nun
wird unter anderen gefordert, dass solche Software einer strengen
Ausfuhrkontrolle unterliegen sollen. Gamma antwortete zwar, dass sie nie
ihre Finfisher Suite nach Bahrain verkauft hätten, sich aber vorstellen
könnnen, dass eine Demo „gestohlen“ wurde und dann eben genutzt. Macht
die Software aber an sich nicht besser. Zwar befindet der Kopf hinter
Gamma, der Deutsche Martin Münch, dass Software keine Menschen foltere,
aber das hat ja auch niemand behauptet. Wie auch. Ein offensichtliches
Scheinargument, geht es ja darum, dass mittels solcher Software Folter
überhaupt erst ermöglicht wird, da mit ihrer Hilfe erst Aufenthalt und
Aufdeckung von ins Visier geratenen Menschen gelingt. Software foltert
nicht, Waffen tötet nicht. Eine GähnDebatte, die sich seit Jahre
überholt haben sollte. Dabei wirbt Gamma gerne mit ihrer Herkunft. Auf
besagter Sicherheitsmesse, der ISS, betont der Gammamitarbeiter, dass
bei Bestellung, die Lieferung zwar organisatorisch aus England erfolge,
die Software an sich, aber 100%ig in Deutschland entwickelt wird. Echte
deutsche Wertarbeit sozusagen. Und ein Geschäft mit Zukunft. Da sich die
Nutzung Verbreitung des Internets eher ausdehnt als irgendwie abnimmt,
werden Aufträge und Folgeaufträge für solche Software zunehmen. Und
Spezialanfertigungen kosten, etwa dann, wenn die Software dem dt. Recht
angepasst werden muss. Denn Technik ist es ziemlich egal, wer da gerade
mit wem über was übers Internet telefoniert. Die Einordnung, ob da
gerade der Kernbereich privater Lebensggestaltung berührt wird, erklärt
sich erst hinterher. Und dann gibt es auch noch das blöde, relativ
junge, Grundrecht auf digitale Intimsphäre. Alles nicht so einfach. Aber
selbst solche Papiertiger gibt es in manch anderen Ländern nicht. Und
der Einsatzzweck mehr als klar. Martin Münch stört das nicht. Es hat ja
gegen keine Gesetze verstoßen und findet, Zitat, es gut dass die Polizei
ihren Job mache. Da fällt einem wenig zu ein. Außer vielleicht noch,
dass nach nach der Beschwerde bei der OECD, Münch ankündigte, nun Einen
Verhaltenskodex für seine Firma zu erarbeiten. Dieser „solle den Export
der Software in Länder ausschließen, die Menschenrechte verletzen“.
Ferner wird er selbst der menschenrechtsbeauftragte seiner Firma. Heißt
es. Wie war das mit dem Bock und dem Gärtner? Noch nicht weiter benannte
Menschenrechtsgruppen sollen in Grenzfällen als Berater hinzugezogen
werden falls „ sämtliche Menschenrechtsorganisationen einen Staat
verurteilen, werde Gamma keine Produkte mehr dorthin verkaufen“. Sagte
Münch. Wovon träumen sie eigentlich Nachts so?

Kommentare
19.02.2013 / 13:05 Hagen, LORA München
Wird heute gesendet bei LORA München
so ab ca. 20:30 Uhr. Vielen Dank!
 
19.02.2013 / 19:00 Jörg B., Radio T
Heute im Infomagazin Detektor bei Radio T
Schön!