Intercept Leaks: Morddrohungen für Miranda und Greenwald; Freilassung Lulas nicht in Sicht

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Mehrere tausend Audios und andere Dateien birgt das sogenannte „geheime Brasilienarchiv“: Telegramchats zwischen Staatsanwälten der Lava Jato und dem zuständigen Richter und jetzigen Justizminister Sérgio Moro werden seit dem 8. Juni diesen Jahres von The Intercept Brasil unter Glenn Greenwald peu à peu veröffentlicht. Aus den geleakten Daten des intercept geht hervor, daß Richter Moro und Chefankläger Deltan Dallagnol des Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva seine Anklage zusammen vorbereiteten. Dies ist aber nicht Aufgabe eines Richters. Ziel der Anklage war es, Lula so zu schwächen, daß er bei den Präsidentschaftswahlen 2018 nicht kandidieren könne. Und tatsächlich wurde er im April 2018 in zweiter Instanz verurteilt und sofort inhaftiert. Dies wiederum bereitete den Boden für die Wahl des rechtsextremen Jair Bolsonaro, der nun das Amt des Präsidenten bekleidet.

Kollege Fabian erläutert zunächst die Operation Lava Jato...

Außerdem zu hören:

Glenn Greenwald von The Intercept
Mario Schenk von Amerika21
Audio
10:10 min, 205 MB, wav
pcm_f32le ([3][0][0], 2822 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 02.07.2019 / 16:23

Dateizugriffe: 56

Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich:
Serie: Süd-Nord-Funk
Entstehung

AutorInnen: Fabian, Democracy Now!, die meike
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 02.07.2019
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Morddrohungen für Miranda und Greenwald; Freilassung Lulas nicht in Sicht

Mehrere tausend Audios und andere Dateien birgt das sogenannte „geheime Brasilienarchiv“: Telegramchats zwischen Staatsanwälten der Lava Jato und dem zuständigen Richter und jetzigen Justizminister Sérgio Moro werden seit dem 8. Juni diesen Jahres von The Intercept Brasil unter Glenn Greenwald peu à peu veröffentlicht. Aus den geleakten Daten des intercept geht hervor, daß Richter Moro und Chefankläger Deltan Dallagnol des Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva seine Anklage zusammen vorbereiteten. Dies ist aber nicht Aufgabe eines Richters. Ziel der Anklage war es, Lula so zu schwächen, daß er bei den Präsidentschaftswahlen 2018 nicht kandidieren könne. Und tatsächlich wurde er im April 2018 in zweiter Instanz verurteilt und sofort inhaftiert. Dies wiederum bereitete den Boden für die Wahl des rechtsextremen Jair Bolsonaro, der nun das Amt des Präsidenten bekleidet.
Kollege fabian erläutert zunächst die Operation Lava Jato:
audio
Am gestrigen Montag nun hat Bundesrichter Luiz Antonio Bonat angeordnet, rund 80 Millionen Reais (circa 20 Millionen Euro) aus dem Vermögen Lulas zu beschlagnahmen. Dessen Pressestelle teilte mit, daß dieser "keinesfalls auch nur annähernd ein Vermögen von solch einem Umfang besitzt oder jemals besaß". Die Petition zu seiner Freilassung wurde abgelehnt. Darüber wird erst wieder im September verhandelt. Inzwischen mehren sich die Hinweise darauf, was viele seiner Unterstützer*innen seit der Anklage wiederholen: Die Verurteilung Lulas war eine Farce.
Während die Rechtsanwaltskammer Moro zum Rücktritt auffordert, wurde die Debatte zur Unparteilichkeit des Justizministers im Obersten Gericht verschoben. Am vergangenen Sonntag gingen Tausende zur Unterstützung Sérgio Moros auf der Straße.
Die Regierung ihrerseits büßt nach nur wenigen Monaten Amtszeit bereits an Popularität ein: 51% der brasilianischen Bevölkerung trauen dem Präsidenten Bolsonaro nicht mehr.
Wir hören Mario Schenk, der über die Intercept Leaks auf Amerika21.de schreibt.
Audio mario schenk
audio greenwald


JUAN GONZÁLEZ: Diese Korruption der Regierung – es ist klar: in einer industriellen oder westlichen Demokratie gibt es zwei Wege, eine politische Führungsperson zu entfernen: du wählst ihn ab oder beschuldigst ihn, wirfst ihn ins Gefängnis und beseitigst ihn auf diese Art. Sollten wir skeptischer sein, wenn Regierungschefs so aus dem Weg geschafft werden? Ist das eine Warnung für Menschen in aller Welt, daß sie vorsichtig sein sollen, auch wenn die Beweise gegen politische Führungspersonenn zunächst niederschmetternd zu sein scheinen?
GLENN GREENWALD: Seit 2002 will die, sagen wir, oligarchische Klasse – die sich, das nebenbei gesagt, ganz gut mit Lula und der Arbeiterpartei PT arrangieren konnte - , dennoch, daß die Rechte Mitte an die Macht kommt. Ich habe Lula dazu befragt: “Warum widersetzt sich die Elite Ihnen gegenüber dermaßen, wenn sie doch unter Ihrer Präsidentschaft wächst und gedeiht? Obwohl Sie Millionen Menschen aus der Armut geholt haben, sind Sie doch kein Sozialist. Sie sind kein Castro. Sie sind kein Chávez.” Die Märkte in Brasilien und die Reichen haben unter Lula weiter im Wohlstand gelebt. Er antwortete mir, das sei kulturell bedingt. Die Reichen würden die Tatsache hassen, daß jemand aus armen Verhältnissen Präsident wird; jemand, der nicht perfekt Portugiesisch spricht, der nicht lesen konnte bis er 10 war. Die Eliten würden es verabscheuen, am Flughafen Leute zu sehen, die vorher unsichtbar in den Favelas gelebt haben und jetzt in der Lage sind, ins Flugzeug zu steigen, um ihre Familien zu besuchen oder Wohnungen zu kaufen. Sie würden es kulturell bedingt verabscheuen, das sagte mir Lula. Es ist für sie, als würde man ihnen ihr Brasilien wegnehmen, das Brasilien, das sie kennen. Sie konnten Lula und die Arbeiterpartei nicht demokratisch schlagen, also mußten sie den illegalen Weg gehen. Das ist eine schwerwiegende Warnung. Mächtige Menschen stellen eine Gefahr dar, weil sie jederzeit auch Macht im Geheimen ausüben. Ihnen gegenüber müssen wir skeptisch sein – und mit wir meine ich die ganze Menschheit.
Ich glaube übrigens, daß diese Ankläger*innen mit guten Absichten begannen. Brasilien ist wirklich ein Land, das seit sehr langer Zeit von Korruption geplagt ist, sowohl von links als auch von rechts. Das sind junge Leute in ihren 30ern. Ich glaube, sie begannen die Anklage mit guten Absichten. Aber ihre Macht stieg ihnen zu Kopf. Niemand hat sie hinterfragt. Die großen Medien hier in Brasilien – mit der Ausnahem der Zeitung Folha – hatten aufgehört, ihr Vorgehen zu hinterfragen. Sie applaudierten lediglich und fungierten als ihr Sprachrohr. Wenn dir soviel Vertrauen entgegengebracht wird – diese unhinterfragte Macht korrumpiert die Leute. Sie wurden korrumpiert. Sie wurden politisiert. Sie glaubten daran, Gutes zu tun. Sie glaubten, sie stünden über dem Gesetz und könnten Regeln brechen, denn der Zweck heiligt ja die Mittel. Das ist eine wichtige Lektion, die wir hier lernen.
AMY GOODMAN: dann war da noch die Amtsenthebung von Dilma Rousseff, kurz bevor Lula inhaftiert wrude. Stimmen werden laut, Moro, der „Superjustizminister“, wie Du ihn nanntest, solle zurücktreten; Lula solle aus dem Gefängnis entlassen werden. Was sind die Chancen? Du sagtest auch, daß dieses Archiv größer sei, als das von Snowden. Einen Großteil der Daten habt ihr noch gar nicht veröffentlicht. Was macht ihr damit?
Audio greenwald :
GLENN GREENWALD: Wir arbeiten fieberhaft daran, die Dateien so schnell wie möglich zu veröffentlichen. Vergangenen Sonntag erschien Teil acht auf unserer Website. Natürlich gibt es den Wunsch, mehr davon zu sehen, aber wir haben eine Verantwortung, genau wie im Fall Snowden. Bevor wir es veröffentlichen müssen wir erst sichergehen, daß das, was wir schreiben, gut gemacht ist, professionell und akkurat. Denn wenn wir einen einzigen Fehler machen, werden sie das bis in alle Ewigkeit gegen uns verwenden, um die Glaubwürdigkeit unserer Berichterstattung zu untergraben. Es kommt noch mehr, sehr bald.
Wenn Du fragst, was mit Moro passiert und mit Lula, dann hängt das sehr davon ab, wie gut unsere Berichterstattung ist und wieviel wir zeigen. Ich glaube kaum, daß Sérgio Moro zurücktreten wird, denn er hat immer noch Bolsonaros Unterstützung. Er ist wichtig für die Regierung. Aber er ist sicherlich schwer beschädigt und geschwächt und das wird so weitergehen mit jedem Teil, der an die Öffentlichkeit geht. Ich bin mir nicht sicher, ob er das überleben wird. Ich denke, es besteht eine reelle Chance, daß der Oberste Gerichtshof die Verurteilung Lulas als eine Begleiterscheinung von so viel Untauglichkeit ansieht, daß wir das so nicht stehenlassen werden können. Zumindest hoffe ich darauf, daß er einen neuen Prozeß bekommt.

Kommentare
12.07.2019 / 20:59 niki müller,
gesendet
am 12.07.19 bei uns gesendet. Vielen Dank!