Sicherheit neu denken – von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik

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In den letzten Jahren haben sich die Spannungen zwischen der NATO und Russland deutlich verschärft. Inzwischen befindet man sich in einem neuen kalten Krieg, aus dem auch ein heißer werden könnte. Was tun in einer solchen Lage? Diese Frage hat man sich in der evangelischen Landeskirche von Baden gestellt und ein Konzept entwickelt mit dem Titel: „Sicherheit neu denken – von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik“. Ralf Becker, der zuständige Referent der badischen Landeskirche stellte das Konzept im Frühjahr bei einer Veranstaltung in München vor.
Audio
26:29 min, 24 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 04.07.2019 / 22:08

Dateizugriffe: 3597

Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Harald Will
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 04.07.2019
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Sicherheit und ein Leben in Frieden – das schien nach dem Ende des kalten Krieges vielen in Europa garantiert. Aber sehr bald entdeckte die NATO einen neuen alten Feind im Osten, der angeblich in Schach gehalten werden muss: Russland. In den letzten Jahren hat sich die Situation deutlich verschärft, inzwischen befindet sich die NATO mit den Russen in einem neuen kalten Krieg. Der ist nicht preiswert - US-Präsident Trump jedenfalls ist er auf Dauer zu teuer. Deshalb verlangt er, dass die Europäer, allen voran die Deutschen, mehr Geld für Rüstung und Militär ausgeben. Sollten sich Trumps Forderungen durchsetzen, würde das in Zukunft für Deutschland einen Militär-Etat von 80 Milliarden Euro pro Jahr bedeuten – gut das doppelte dessen, was bisher ausgegeben wird. Die Militäraufwendungen in Russland dagegen stagnieren – jedenfalls zur Zeit. Sie betragen nicht einmal ein Zehntel der NATO-Ausgaben. Aber Präsident Putin hat Zweifel gesät an den friedlichen Absichten Russlands - mit seinem Vorgehen auf der Krim und in der Ukraine. Und den Befürwortern höherer Militärausgaben im Westen hat Putin damit geradezu eine Steilvorlage geliefert.
Was tun in einer solchen Lage? Diese Frage hat man sich in der evangelischen Landeskirche von Baden gestellt und als Antwort gefunden: Ein „Weiter-so“ darf es nicht geben. Und ein Konzept entwickelt für den Ausstieg aus der herkömmlichen Sicherheitspolitik mit dem Titel: „Sicherheit neu denken – von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik“. Ralf Becker, der zuständige Referent der badischen Landeskirche stellte das Konzept im Frühjahr bei einer Veranstaltung in München vor.

Zuspielung Becker 1


Mod.:


Wenn man sich von dem Gedanken verabschiedet, Sicherheit mit militärischen Mitteln erreichen zu wollen, dann hat das vielerlei Konsequenzen. Es geht dann beispielsweise um die Frage: Was tun wir in dem Fall, dass wir von außen militärisch angegriffen werden? Das ist ein sehr unwahrscheinlichen Fall - derzeit ist keine unmittelbare Bedrohung Deutschlands durch eine militärische Intervention von außen zu erkennen. Dennoch müssen wir vorbereitet sein, zu einer nachhaltigen zivilen Sicherheitspolitik gehört das dazu - meinen die Autoren des Konzepts „Sicherheit neu denken“. Ein wichtiger Baustein in ihrem Konzept ist deswegen der gewaltfreie Widerstand gegen den Versuch eine äußeren Macht, mit militärischen Mitteln die Kontrolle bei uns zu übernehmen. Um sich gegen einen solchen Versuch verteidigen zu können, braucht es eine „resiliente“, d.h. widerstandsfähige Demokratie, sagt Ralf Becker, der das Konzept „Sicherheit neu denken“ mit entwickelt hat.

Zuspielung Becker 2


Mod.:


Auch wenn die Alternativen zum Militär durchaus funktionieren wie z.B. die zivile Konfliktlösung mit Hilfe von Friedensfachkräften, so bleibt doch ein Problem: Die Regierungen setzen weiterhin vor allem auf's Militär. Das machen zum Beispiel die Planungen der NATO deutlich. 2014 haben die NATO-Staaten bei einem Gipfeltreffen in Wales das berühmt-berüchtigte Zwei-Prozent-Ziel beschlossen. Die Militärhaushalte der Mitgliedsstaaten sollen jeweils die Höhe von zwei Prozent des Brutto-Inlandsprodukts erreichen. Innerhalb von zehn Jahren, also bis 2024, will man sich auf diesen Richtwert zubewegen. In Deutschland werden zur Zeit etwa 1,2 Prozent des Brutto-Inlandsprodukts für Rüstung und Militär ausgegeben. Die Einhaltung des NATO-Ziels würde bedeuten, dass sich der Militäretat nahezu verdoppeln würde – konkret auf eine Summe bis zu 80 Milliarden Euro pro Jahr.
Würde man diese Summe nicht für militärische, sondern für andere Zwecke ausgeben, so ließe sich vieles finanzieren, wofür bisher keinoder zu wenig Geld da ist. Ralf Becker von der evangelischen Landeskirche Baden nennt Bespiele.

Zuspielung Becker 2a

Mod.:

Viel Sinnvolles könnte also geschehen, wenn zivile Entwicklung statt Militär gefördert würde. Um eine Umwidmung der Militärausgaben zu erreichen, braucht es aber entsprechenden gesellschaftlichen Druck, eine breite zivilgesellschaftliche
Bewegung. Darauf weisen auch die Autoren des Szenarios „Sicherheit neu denken“ hin. Sie fühlen sich ermutigt vom Beispiel etwa der Anti-AKW-Bewegung, die den Ausstieg aus der Atomenergie entscheidend befördert hat. Oder auch von der Kampagne „Entwicklung braucht Entschuldung“ in den 90er Jahren, die sich erfolgreich für einen Schuldenerlass für die Länder des globalen Süden eingesetzt hat. Voraussetzung dafür, dass eine breite Bewegung für eine neue Sicherheitspolitik entsteht, ist natürlich, dass das Konzept für diese Politik bekannt wird. Die Autoren von „Sicherheit neu denken“ haben sich in ihrem Szenario deshalb auch darüber Gedanken gemacht, wie sie die Öffentlichkeit erreichen. Dazu haben sie eine Reihe von so genannten Meilensteinen aufgestellt – auf dem Weg zur Umsetzung ihres Konzepts bis zum Jahr 2040.


Zuspielung Becker 3

Mod.:
Soweit Ralf Becker, Referent bei der evangelischen Landeskirche in Baden und einer der Autoren des Konzepts „Sicherheit neu denken – von der militärischen zur zivilen Sicherheitspolitik“. Wer sich für das Konzept interessiert, findet es auf der Internetseite der badischen Landeskirche.