Democracy Now! - Verfahren gegen Lula neu aufgerollt

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„Die aus einer anonymen Quelle stammenden Intercept-Leaks könnten zur Aufhebung von Urteilen im Lava Jato-Komplex führen. Der ehemalige brasilianischen Präsident Lula da Silva könnte vielleicht sogar aus dem Gefängnis freikommen. Aus den Intercept Leaks geht hervor, daß der Justizminister Sérgio Moro in seiner Funktion als Richter die ermittelnden Staatsanwälte im Verfahren gegen den früheren Präsidenten anleitete. Ferner berieten sie die effektivste Vorgehensweise, um "eine Rückkehr der PT an die Macht" zu verhindern. Die Leaks zeigen, daß Richter und Staatsanwälte nicht wie unparteiische und unpolitische Akteure handelten, sondern nach ideologischen Überzeugungen.
Bereits vor über zwei Wochen nun folgte der Bundesrichter Gilmar Mendes dem Antrag von Lulas Verteidigung und eröffnete ein Verfahren, um eine mögliche Freilassung des Ex-Präsidenten zu prüfen. Seit der Veröffentlichung der Chats, SMS und Audios bröckelt die Unterstützung für Bolsonaro sowie die Regierungsmehrheit...
Democracy Now! sprach mit Glenn Greenwald von The Intercept in Rio de Janeiro.
Audio
04:52 min, 49 MB, wav
pcm_s16le ([1][0][0], 1411 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 25.06.2019 / 09:32

Dateizugriffe: 4488

Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich:
Serie: MoRa3X
Entstehung

AutorInnen: Democracy Now! die meike
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 25.06.2019
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
JUAN GONZÁLEZ: Glenn, könntest Du über die Natur der Quellen sprechen, die Du hast? Wir haben von SMS gehört, aber Du hast auch von Audios gesprochen. Haben diese Leute ihre eigenen Gespräche aufgezeichnet?
GLENN GREENWALD: Wir haben bisher noch keine dieser Audios veröffentlicht, deshalb werde ich keine Details dazu äußern. Aber im Grunde haben sie einfach miteinander über Sprachnachrichten kommuniziert. Also anstatt eine lange Nachricht zu tippen, sprichst Du sie als zwei- oder dreiminütigen Monolog ein. Das ist sehr üblich für Leute, die WhatsApp oder Telegram oder Signal benutzen.
AMY GOODMAN: Die brasilianische Anwaltskammer hat gefordert, Moro zu suspendieren und alle in den Skandal involvierten Jurist*innen zu entlassen. Bolsonaro hat ihn zu einer Art „Superjustizminister“ gemacht, wie Du bereits ausgeführt hast. Das heißt Funktionen wie Strafverfolgung, -vollstreckung, Überwachung und Ermittlung – was vorher auf verschiedene Ministerien verteilt war - sind nun alle in seinem Amt vereint. Damit ist er die zweitmächtigste Person in Brasilien. Was passiert jetzt?
GLENN GREENWALD: Das ist faszinierend, Amy, denn die Geschichte erinnert mich in sehr vielen Punkten an Snowden. Diese begann, als der damalige Koordinator der Nachrichtendienste der Vereinigten Staaten, James Clapper, vor dem Senat log, als er gefragt wurde, “Sammeln Sie Daten über Millionen von US-Bürger*innen?” und er sagte, “Nein, sir, das tun wir nicht. Wir haben kein solches Programm.” Es war schockierend für Snowden, jemanden in dieser hohen Position zu sehen, wie er dermaßen soziopatisch log. Das hat ihn letztendlich zu der Entscheidung gebracht “Ich muß die Wahrheit zeigen.” Das ist die gleiche Reaktion, die ich habe, wenn ich Richter Moro in die Kamera blicken sehe und sagen höre, “Es verärgert mich zu hören, daß ich angeblich in diese Anklage verwickelt sei”. Es ist also genauso für mich schockierend, jetzt da ich all diese Dokumente und Gespräche angesehen habe und sein süffisantes Grinsen vor Augen habe und seine selbstgefällige Lüge. Viel davon haben wir bereits veröffentlicht und vieles werden wir noch veröffentlichen. Die Bereitschaft zu lügen in diesen hohen Positionen über das was sie tun, scheint sehr hoch zu sein, obwohl das nicht so sein sollte.
In der Geschichte Snowdens war es so, daß Leute jahrelang die NSA in Verdacht hatten, die Bevölkerung auszuspionieren, aber sie wurden Verschwörungstheoretiker*innen oder paranoid genannt. Und dann zeigten die Beweise, daß sie richtig lagen.
Ähnlich war es in Brazilien, wo eine Menge Leute lange das unterstützten was Lula sagte —nämlich, daß Moro in einer Position ist, wo er gezwungen ist, Lula für schuldig zu befinden. Moro war durch nichts von seinem Ziel abzubringen. Er war wie besessen. Die brazilianischen Eliten verlangten das von ihm und er willigte ein, alles zu tun – auch wenn das hieß, Regeln und Gesetze zu brechen. Die Leute, die diese These vertraten, wurden auch Verschwörungstheoretiker*innen genannt. Paranoid. Sie wurden linke Lügner*innen und Ideolog*innen genannt, die damit lediglich ihren politischen Anführer (Lula) schützen wollten. Und jetzt stellt sich heraus, daß das, was Lula letztes Jahr im Interview sagte, absolutel richtig ist.
Der Schuldspruch von Sérgio Moro, der seltsamerweise sehr sehr schnell gefällt und am Berufungsgericht bekräftigt wurde, so daß Lula zur Wahl nicht zugelassen wurde, wird jetzt bezweifelt. Wir sehen die Beweise, daß der Prozeß, der zu seiner Verurteilung führte, extrem korrumpiert war, weil die Person, die ihn für schuldig befand, genau das tat, was Richter*innen nicht dürfen. Der Oberste Gerichtshof wird jetzt entscheiden, ob dieser Schuldspruch im Licht der neuen Beweislage aufrecht erhalten werden kann.

Kommentare
01.07.2019 / 11:05 bb,
lief im inforadio 28.06.19
danke!!