Corona-Krise auf den Philippinen und die Repression gegen Menschenrechtsaktivist*innen durch das Duterte Regime

ID 101314
 
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Tinay Palabay ist die Generalsekretärin der Menschenrechtsorganisation Karapatan auf den Philippinen. Sie berichtet über die Auswirkungen der Regierungsmassnahmen gegen das Coronavirus auf die Bevölkerung und über die Repression gegen Menschenrechtsaktivistinnen, Aktivisten und Genderqueerpersonen auf den Philippinen.
Audio
19:52 min, 31 MB, mp3
mp3, 218 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 04.04.2020 / 17:11

Dateizugriffe: 2058

Entstehung

AutorInnen: Radio LoRa, Bianca Miglioretto
Radio: LoRaZH, Zürich im www
Produktionsdatum: 04.04.2020
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Tinay Palabay ist eine Menschenrechtsaktivistin aus den Philippinen.
Sie sagt, die Nationale Regierung unternimmt sehr wenig, um das Coronavirus und dessen Verbreitung zu bekämpfen, während die lokalen Regierungen versuchen ihr Bestes zu geben, um die Bevölkerung zu schützen und zu unterstützen.

Tinay Palabay ist die Generalsekretärin der Menschenrechtsorganisation Karapatan.
Anfang März kam sie nach Genf um den Menschenrechtsbericht für die Philippinen am UNO-Hochkomissariat für Menschenrechte vorzubereiten, der im Juni vorgelegt werden muss. Als die Schweizer Regierung die ersten Ausnahme bestimmungen gegen COVID 19 erliess wurde ihr Rückflug gestrichen und seither sitzt sie in der Schweiz fest. Ich führte mit ihr ein Skype-Interview über die Auswirkungen des Coronavirus und die repressiven Massnahmen der Duterte Regierung durch.

Wenn Tinay Palabay endlich wieder nach Manila zurück kann erwartet sie dort ein Haftbefehl. Wenn sie Pech hat wird sie gleich nach der Ankunft auf dem Flughafen verhaftet. Der Haftbefehl gegen sie ist Teil einer Repressionskampagne des Duterte Regimes gegen Menschenrechtsaktivistinnen, Aktivisten und Genderqueerpersonen auf den Philippinen.

Tinay Palabay berichtet zuerst über die Auswirkungen der Regierungsmassnahmen gegen das Coronavirus auf die Bevölkerung und dann spricht sie über die Repression gegen Menschenrechtsaktivistinnen, Aktivisten und Genderqueerpersonen auf den Philippinen.

Interview
Tinay wie schlimm sind die Philippinen vom Coronavirus betroffen?
Im Januar und Februar behauptete die Philippinische Regierung noch, dass wir vor dem Virus sicher wären. Aber die Situation hat sich in der letzten Februarwoche rapide verschlimmert. Bis heute 30. März haben wir über 1500 bestätigte infizierte Personen und 78 Tote. Das Coronavirus forderte also schon Opfer auf den Philippinen.
Diese Zahlen hängen immer davon ab, wieviele Leute getestet werden.
Das Gesundheitsdepartment sagt, bis jetzt hätten sie über 4000 Personen getestet, aber das ist nichts, angesichts einer Bevölkerung von 110 Mio. In der Hauptstadt allein leben nur schon 10 Mio Menschen, da, wo die ersten Corona-Fälle aufgetreten sind.
Die Philippinische Regierung unternimmt also kaum etwas um die Menschen zu testen.
Welche Massnahmen hat denn die philippinische Regierung unternommen gegen das Coronavirus?
Wir finden die Reaktion der Regierung militaristisch. Sie verhängte eine Ausgangssperre, statt die Bevölkerung zu unterstützen. Trotz Notstandsrecht, das dem Präsidente zugestanden wurde, sind keine öffentlichen Gelder ins Gesundheitssystem geflossen, um die Kapazität der Spitäler zu erhöhen und das Spitalpersonal zu schützen. Es wurden auch kaum ökonomische Massnahmen ergriffen um auf die Bedürfnisse der Bevölkerung in den Armenvierteln auf Einkommensausfall und Nahrung zu reagieren.
Die lokalen Regierungen sind da viel aktiver, sie richten Isolationszimmer ein und ermöglichen, kranke Menschen zu testen. Sie fordern von der nationalen Regierung Unterstützung.
Auf den Punkt gebracht, die Nationale Regierung unternimmt sehr wenig um das Coronavirus und dessen Verbreitung zu bekämpfen. Während die lokalen Regierungen versuchen ihr Bestes zu geben, um die Bevölkerung zu schützen und zu unterstützen.
Der öffentliche Verkehr wurde auf der Hauptinsel Luzon bereits eingestellt. und Am 31. März erfolgt die Einstellung des öffentlichen Verkehrs in den Visayas und nächste Woche auf Mindanao im Süden, D.h. Ab Nächster Woche gibt es keinen öffentlichen Verkehr im ganzen Land mehr.
Welche Auswirkungen haben diese Massnahmen auf das alltägliche Leben der Menschen?
Die Leute in den Armenvierteln sagen, es fühlt sich an als ob Kriegrecht verhängt worden wäre. Sie sind in ihren Häusern eingesperrt ohne irgendwelche Unterstützung von Seiten der Regierung. Sie fühlen sich hilflos. Sie müssen zu Hause bleiben, haben aber weder Einkommen noch Essen, ganz zu schweigen von Jobsicherheit, einige haben nicht mal ein Zu Hause. Die Menschen in den Armenvierteln und den armen ländlichen Gebieten sind also am meisten von den Regierungsmassnahmen gegen das Virus betroffen.
Was passiert mit Menschen die ihre Häuser verlassen müssen um zu überleben?
Die Regierung nennt es Nachbarschaftsquarantäne. D.h. Jeder Haushalt erhält eine Ausgangsbewilligung. Es bedeutet, dass nur eine Person pro Haushalt hinausgehen kann. Das schränkt die Bewegungsfreiheit und die Möglichkeit Geld zu verdienen extrem ein. Menschen, die ohne Bewilligung rausgehen, werden verhaftet oder müssen eine Busse bezahlen. Das ist sehr sehr schlimm. Viele Leute werden verhaftet, wie Gesundheitspersonal auf dem Weg ins Spital, einfach weil sie keine Bewilligung haben. Es ist einfach absurd.
Wie sind Frauen davon betroffen?
Für die Frauen ist es besonders hart. Viele sind alleinerziehend und können kein Einkommen verdienen. Daneben gibt es auch vermehrt Fälle von Häuslicher Gewalt. Viele Frauen sind ökonomisch am Ende, weil sie ihrer Arbeit nicht nachgehen können.
In einigen Armenvierteln haben wir beobachtet, dass die Ausgangsbewilligungen nur dem männlichen Familienoberhaupt gegeben wird. Frauen dürfen also gar nicht raus gehen und wenn sie es tun, riskieren sie verhaftet zu werden. Die Regierungsmassnahmen treffen die Frauen also noch härter.
Wie reagieren die politischen Aktivistinnen und Aktivisten auf die Regierungsmassnahmen?
Wir haben schon bevor die Regierung überhaupt irgendwelche Massnahmen ergriffen hat, gehandelt und Hilfsgüter in die ärmsten Quartiere gebracht. Das ist jetzt aufgrund der Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch die Regierung schwierig geworden. Gleichzeitig haben viele Organisationen und Einzelpersonen eine Kampagne lanciert, die von der Regierung Massentest und Wirtschaftshilfe für arme Quartiere fordert. Ebenso fordern wir Schutz für besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen, wie z.B. Die politischen Gefangenen, die in völlig überfüllten Gefängnissen festgehalten werden. Wir fordern von der Regierung deren Freilassung einschliesslich schwangerer und stillender Frauen.


Soweit Tinay Palabay, die Generalsekretärin der Menschenrechtsorganisation Karapatan auf den Philippinen zum Coronavirus und den Auswirkungen der Regierungsmassnahmen auf die Bevölkerung.

Tinay Palabay erwartet einen Haftbefehl, wenn sie endlich aus der Schweiz nach Manila zurückfliegen kann. Sie könnte gleich bei ihrer Ankunft auf dem Flughafen verhaftet werden.
Nach ein paar Takten Musik von der Philippinischen Band Pinikpikan berichtet Tinay Palabay über die Repression des Duterte Regimes gegen Menschenrechtsaktisinnen, Aktivisten und Genderqueer Personen auf den Philippinen.

Music

Interview
In Manila erwartet dich ein Haftbefehl, wenn du endlich wieder zurück kannst. Es droht dir eine Verhaftung gleich bei deiner Ankunft auf dem Flughafen. Was wirft dir das Duterte Regime vor?
Es sind geringfügige Vergehen, verglichen mit dem was vielen anderen Aktivistinnen und Aktivisten auf den Philippinen vorgeworfen wird. Wir sollen Meineid begannen haben, also gelogen haben, als wir vor Gericht Schutz vor Belästigungen und Bedrohungen durch staatliche Sicherheitskräften angefordert haben. Es handelt sich um gemeine und grundlose Anklagen, die vom Gericht bereits im Dezember fallen gelassen wurden. Aber kein anderer als der nationale Sicherheitsberater hat das Verfahren wieder aufgenommen, was zu Haftbefehlen gegenüber 11 Personen geführt hat. Ich bin die einzige, die sich zum Zeitpunkt des Haftbefehls im Ausland befindet.
Wird gegen alle 11 Personen die gleiche Anklage erhoben?
Ja aber in einem anderen Fall wird einer Nonne Brandstiftung und Mord vorgeworfen. Das sind die typischen fabrizierten Anklagen, die gegen Menschenrechtsaktivistinnen, Aktivisten und Genderqueerpersonen erhoben werden. Bei Brandstiftung und Mord können die Angeklagten keine Kaution hinterlegen, also wenn sie verhaftet werden, werden sie lange im Gefängnis bleiben.
Gibt es andere Formen der Repression gegen Menschenrechtsaktivistinnen, Aktivistinnen und Genderqueerpersonen auf den Philippinen?
Ja was wir im Moment erleben ist nur die Spitze des Eisberges. Viel schlimmer sind die Ermordungen. Bis jetzt wurden 14 Mitarbeitende der Menscherrechtsorganisation Karapatan ermordet. Vor allem im letzten Jahr erlebten wir oft Drohungen und Einschüchterungen. Delegationen, die Menschenrechtsverletzungen dokumentieren wollten, wurden daran gehindert. Wir wurden sogar daran gehindert Humanitäre Hilfe in von der Militarisierung betroffene Gemeinden zu bringen.
Sogar Präsident Duterte hat uns schon mindestens 10 Mal in der Öffentlichkeit an den Pranger gestellt. Wir scheinen sein Lieblingsziel unter den Menschenrechtsorganisationen zu sein. Wir nennen ihn einen mörderischen Präsidenten, der eine Politik des tötens, tötens, tötens verfolgt. Das macht es für Menschenrechtsaktivistinnen extrem schwierig.
Wie reagieren die Angeklagten auf diese Repression?
Wir schöpfen alle juristischen Möglichkeiten aus, insbesondere die Kaution und erheben Gegenanklagen gegen diejenigen, die uns fälschlicherweise beschuldigen. Andere Aktivistinnen und Aktivisten ziehen in Betracht im Ausland politisches Asyl zu beantragen.
Gleichzeitig bauen wir vermehrt auf Aufklärungs- und Informationskampagnen. Denn wir haben den Glauben in die nationale Gerichtbarkeit verloren, weil alle Regierungsbereiche massiv von Duterte-Anhängern unterwandert sind. Deshalb wenden wir uns vermehrt an die internationale Gemeinschaft.
Du kannst es kaum erwarten auf die Philippinen zurückzureisen. In Anbetracht deiner Situation bist du nicht vielleicht sicherer in der Schweiz im Moment?
Natürlich bin ich physisch und sozusagen digital im Moment in der Schweiz sicherer. Aber ich möchte so schnell wie möglich heim, weil dort mein Kampf ist. Ich will Seite an Seite mit den Menschen auf den Philippinen Kämpfen. Natürlich kann ich von hier aus auch aktiv sein, aber es ist anders, wenn du vor Ort bist. Du kannst die Leute direkter organisieren und mobilisieren gegen einen Präsidenten wie Duterte.
Was erwartet dich also in Manila?
Nun wir werden das Coronavirus antreffen und viel Arbeit an der Basis um die Menschen zu unterstützen. Aber wir erwarten auch noch viel harschere politische Unterdrückung. Vielleicht eine Verlängerung des Notstands um weitere drei Monate. Was einem Kriegsrecht gleichkommt. Wir werden sehen. Ich bin zuversichtlich, dass die Leute mit denen wir zusammenkämpfen uns den Rücken stärken werden.
Und was erwartet dich im Bezug auf den Haftbefehl?
Nun ich rechne damit, am Flughafen verhaftet zu werden. Ich hoffe aber, dass die Polizei mit dem Kampf gegen das Virus beschäftigt ist. Ich werde sofort nach meiner Ankunft die Kaution hinterlegen und 14 Tage in Selbstquarantäne gehen, damit ich niemanden in meinem Umfeld gefährde. Das heisst nicht, dass wir aufhören zu kämpfen.
Vielen Dank und alles Gute für deine Heimreise.

Musik

Ihr habt ein Interview gehört mit Tinay Palabay, Generalsekretärin der Menschenrechtsorganisation Karapatan auf den Philippinen. Sie berichtete über die Auswirkungen der Corona-Massnahmen der Philippinischen Regierung auf die Bevölkerung und über die Repression des Duterte Regimes gegen Menschenrechtsaktivistinnen, Aktivisten und Genderqueerpersonen.

Ein Bericht für Radio LoRa von Bianca Miglioretto. Die Übersetzung las Julia Bernath. Das Lied Rugerra ist von der Philippinischen Band Pinikpikan.

Kommentare
07.04.2020 / 18:05 Monika, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
in sonar
am 7.4.. Vielen Dank!