Das social Distel-Ding - #savthem und 16 Tage social distancing

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Teil 9 der social distancing Kolumne - Wir haben uns zwar dran gewöhnt alleine zu sein, müssen aber zusammen halten
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04:16 min, 10 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 06.04.2020 / 17:23

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Politik/Info
Serie: Das social Distel-Ding
Entstehung

AutorInnen: Fabian Ekstedt
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 06.04.2020
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Und wieder starten wir rein in eine Woche voller „social distancing“. Langsam scheinen sich all die social Distel-Dinger auch daran zu gewöhnen. Wir haben ja jetzt auch schon einiges an Erfahrung sammeln können, nach 16 Tagen Ausgangsbeschränkung in Bayern.
Wir haben uns langsam angewöhnt Abstand zu halten, Körperkontakt zu vermeiden, uns nicht mehr in größeren Gruppen zu versammeln, Klopapier als knappes Gut anzuerkennen, von der Polizei immer wieder angesprochen zu werden, den Computer und das Telefon als verbindendes Element mit der Welt da draußen zu sehen, Langeweile zu tolerieren und endlich wieder joggen und Fahrradfahren zu gehen. Das tolle Wetter gibt uns die Möglichkeit Vitamin D zu tanken und der Tierwelt dabei zuzusehen, wie sie die neugewonnene Freiheit auslebt. Enten watscheln über die Straßen, Elstern und Krähen erobern glitzernde Dinge und Menschen schauen ihnen dabei zu, wie sich diese frechen Vögel lautstark zu Gruppen versammeln.
Neid mag in diesem Zusammenhang mitschwimmen. Schließlich durften wir dieses Wochenende auch beobachten, wie die Polizei selbst die kreativsten Versuche politische Meinungsäußerungen in die Öffentlichkeit zu tragen mit dem Hinweis auf das Kontaktverbot bzw. die Ausgangsbeschränkungen behinderte. Am gestrigen Seebrücke-Aktionstag haben sich zahllose Menschen dafür eingesetzt, die katastrophalen Zustände in Moria und auf ganz Lesbos zu beenden.
Wer es noch nicht mitbekommen hat und sich in der Corona-Zeit gerne an Zahlen festhält: Im Flüchtlingslager Moria kommen auf einen Wasserhahn 1300 Menschen, fünf bis sechs Familienmitglieder teilen sich zumeist nur drei Quadratmetern Zelt, 200 Personen teilen sich eine Dusche und eine Toilette, für die 20 000 Lagerinsassen sind drei Ärzte zuständig. Für die geflüchteten und nun in Lager gesperrten Menschen und für die 86 000 Einwohner gibt es im Spital auf Lesbos insgesamt sechs Intensivbetten.
Die Zahlen verdeutlichen, dass dieser Zustand, auch ganz unabhängig von Corona, unmenschlich und unverantwortlich ist. Jetzt, mit der Gefahr einer sich rasend schnell ausbreitenden Krankheit, die nur durch ausreichend Abstand zwischen Menschen, hygienische Maßnahmen und medizinische Notfallversorgung, nicht zu einem Massensterben führt, ist die Aufrechterhaltung dieses Zustands ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Durchgeführt von einem Friedensnobelpreisträger.
Die EU gibt ihre Werte auf. Überlässt EU-Bürger*innen und Menschen auf einer Insel ihrem Schicksal. Das erinnert an Lepra-Inseln. Mit dem einzigen Unterschied, dass diese damals eingerichtet wurden, damit Menschen sich nicht anstecken und somit die Opfer dieser schrecklichen Krankheit in Quarantäne waren. Heute werden Menschen einfach aufgegeben, weil die Politik Angst hat, dass jeder Akt von Menschlichkeit ihr an den Wahlurnen Probleme bereiten wird.
Nachdem aktuell so viel zu tun ist, so viele Informationen zu verarbeiten sind, so viel Schrecken in der Zukunft zu warten droht, scheinen vielen Menschenwürde, Werte, Demokratie und freie Meinungsäußerung Luxus zu sein. Wer möchte in dieser Zeit denn wirklich Risiken eingehen um Dinge zu ändern, zu besprechen. Keiner will Streit provozieren.
Aber genau diesen Streit brauchen wir! Streitbar bleiben für die Rechte aller Menschen ist auch die Aufgabe jedes social Distel-Dings.
Deswegen sollten wir uns bei denjenigen bedanken, die von der Polizei vertrieben wurden, als sie Schuhe aufstellten um mit ihnen eine Demonstration der Geflüchteten darzustellen. Bedanken bei denjenigen, die mit Kreide Fußabdrücke und Forderungen in der Öffentlichkeit hinterlassen haben. Und selber daran denken, dass es zwar nicht wirklich bequem ist, sich mit dem Leid anderer zu beschäftigen, wenn das eigene Leid vordergründig erscheint, aber notwendig, damit wir nach Corona noch eine Gesellschaft haben mit der wir gerne wieder aufbauen, was verloren gegangen ist.
Deshalb: Rettet sie alle! Lasst niemanden zurück! #savethem

Kommentare
07.04.2020 / 18:03 Monika, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
in sonar
am 7.4.. Vielen Dank!