Das social Distel-Ding – Black Lives Matter, auch in Deutschland

ID 103163
 
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Teil 41 der Kolumne aus dem social distancing - live Kommentar zu der Situation in den USA und die Reaktion der deutschen Medien (Maischberger)
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03:31 min, 3303 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 26.06.2020 / 19:26

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Politik/Info
Serie: Das social Distel-Ding
Entstehung

AutorInnen: Fabian Ekstedt
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 03.06.2020
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Da sitzt man daheim, in Deutschland, in Europa und wird trotzdem mitten mit reingezogen in den jetzt aufbrechenden Wahnsinn in den USA. Denn der Wahnsinn ist dort nicht ausgebrochen, er ist aufgebrochen. Vieles was wir in den letzten Jahren aus den USA mitbekommen haben, ließ uns kopfschüttelnd zurück. Mal laut lachend, mal traurig, häufig einfach wütend.
Trotzdem sind wir den US-Amerikanern gefühlt zum Teil vertrauter als vielen unserer europäischen Nachbarinnen und Nachbarn. Die Serien, Filme und die Literatur gehören fest zu unserem gesammelten Kulturschatz und haben uns social Distel-Dinger über die letzten Monate viele unterhaltsame Stunden beschert. Und jetzt, jetzt bricht eben der Wahnsinn auf. Mitten in der Corona-Krise.
Als weißer Mann in Deutschland möchte ich mir nicht anmaßen hier tiefgreifende Analysen über den besonderen amerikanischen Rassismus zu treffen, die systematische Ausgrenzung und die strukturelle Unterdrückung, die ich als den Wahnsinn bezeichne der jetzt aufbricht. Aufbricht, nachdem die Welt sehen konnte, wie ein Polizist in aller Öffentlichkeit einen Menschen ermordete, grausam langsam und mit einer fürchterlichen Selbstverständlichkeit. Heute ist ein kleines Video aufgetaucht von George Floyds Tochter, die auf den Schultern auf die Massen blickt und sagt:
„My Daddy changed the World.“ Wer nur ein bisschen Menschlichkeit in sich trägt ist von dieser Aussage tief gerührt.
Nun ist es recht üblich, dass überregionale Ereignisse innerhalb der USA gerne als weltbewegend wahrgenommen werden. In diesem Fall scheint das aber zu stimmen: Der Tod von George Floyd verändert die Welt.
Plötzlich wird wieder über Rassismus gesprochen. Plötzlich wird wieder über das Widerstandsrecht der Bürgerinnen und Bürger gesprochen, deren Rechte vom Staat nicht geachtet werden. Und gar nicht so plötzlich zeigt sich, dass Populisten an der Macht alles tun werden um ihre Macht zu halten, auch wenn das die endgültige Spaltung der Gesellschaft und sogar tödliche Gewalt beinhaltet.
Und all diese Debatten schwappen auch rüber über den großen Teich. Und natürlich sollen solche Debatten dann auch im öffentlich rechtlichen Fernsehen in einem Talk-Format behandelt werden. Für heute Abend ist das zum Beispiel bei „Maischberger: Die Woche“ geplant.
Allerdings zeigte sich nach Bekanntgabe des Themas und der geladenen Gäste ein kleines Missverhältnis. Aus dem Abstand können in Deutschland anscheinend auch fünf Weiße sich sehr gut über Rassismus unterhalten. Mittlerweile wurde dieses Missverhältnis behoben und mit Priscilla Layne wird auch eine afro-amerikanische Germanistik-Professorin aus North-Carolina zu Wort kommen.
Das scheint auch der logische Schluss zu sein, wenn im Fernsehen über die Unruhen und den Rassismus in den USA gesprochen werden soll. Aber so wird bewusst oder unbewusst auch ein übergreifendes Thema ausgeklammert. Denn es ist unwahrscheinlich, dass Afro-Deutsche Talkgäste in der Sendung nur mit dem Finger auf die USA gezeigt hätten, nach dem Motto: Lasst uns mal anschauen wie kaputt die Gesellschaft in den USA ist! Das hat ja nichts mit Deutschland zu tun.
Viel mehr wären Themen wie Rassismus, Racial Profiling und Polizeigewalt gegen Nicht-Weiße vermutlich auch angesprochen worden. Der Name Oury Jalloh wäre vielleicht gar gefallen, und damit wieder in Erinnerung gebracht worden, dass ein schwarzer Mann in einer Dessauer Polizeizelle bei lebendigem Leib verbrannt ist und dass im Anschluss immer wieder die Ermittlungen blockiert wurden. (Oder es wäre daran erinnert worden, dass im Herbst 2018 ein syrischer Asylbewerber in seiner Zelle in Kreve verbrannt ist und sich danach herausstellte, dass der Mann länger als zwei Monate unschuldig in Haft war.)*
Und es wäre wahrscheinlich auch angesprochen worden, dass die Gesprächspartner*innen selber Probleme mit der deutschen Polizei hatten und Erfahrungen mit Alltagsrassismus gesammelt haben.

*(Text wurde beim live Einsprechen gekürzt, längere Fassung nur schriftlich)
Am wahrscheinlichsten ist aber, dass Afro-Deutsche Gesprächspartner auch einen Hinweis auf ihre Probleme mit der deutschen Polizei und ihre Erfahrungen mit Alltagsrassismus in Deutschland gegeben hätten.
Aber auch darüber kann dieses social Distel-Ding nicht wirklich reden. Maximal darüber, dass ich im Umgang mit meinem eigen Migrationshintergrund auch immer wieder versteckten positiven Rassismus vermute. Als Halb-Schwede finden sich viele, die mich eigentlich als Voll-Deutschen aufnehmen aber schon bei Rumänen, Tschechen oder Süd-Europäern einen Unterschied zu den „Deutschen“ ausmachen wollen. So bleibt mir, wie allen anderen nicht von Rassismus und Diskriminierung betroffenen eigentlich nur eins: Laut sein, wenn man Rassismus mitbekommt! Laut Nein sagen, es eben nicht weglächeln! Und im Besten Fall das eigene Privileg nicht unter Racial Profiling zu fallen dafür zu nutzen, diejenigen zu schützen die dadurch bedroht werden.
Aber am Wichtigsten: Menschen, die von rassistischer Diskriminierung und Polizeigewalt betroffen sind eben nicht nur zu besprechen, sondern sie einzuladen sich in diesem Diskurs selbst zu äußern.
Wer also gerade zuhört und keinen Bock mehr hat mir zuzuhören wie ich mich hier durch ein Thema durchstolper in dem ich selbst nicht drinstecke:
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