Das social Distel-Ding - Vorweihnachtszeit, Unplanbarkeit und politische Profilierung

ID 105608
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Teil 61 der Kolumne aus dem social distancing - Diesmal mit der Genervtheit wegen der Vorweihnachtszeit, der Ausrede Corona und nicht zuletzt einem erneuten Aufruf doch bitte Scheuer abzusetzen - als Weihnachtsgeschenk von Markus "Retter der Weihnacht" Söder an die social Distel-Dinger
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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Politik/Info
Serie: Das social Distel-Ding
Entstehung

AutorInnen: Fabian Ekstedt
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 26.11.2020
Folgender Teil steht als Podcast nicht zur Verfügung
 
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Skript
Das social Distel-Ding 61

Daheim bleiben. Abstand halten. Lüften. Nicht verrückt werden.
Allein bleiben. Abstand halten. Lüften. Nicht vereinsamen.
Allein. Zuhause. Kälte. Psychischer Belastungszustand.
Und dann kommt irgendwann Weihnachten und Silvester. Tolle Aussichten also für die Vorweihnachtszeit, die dieses social Distel-Ding um diese Zeit normalerweise immer verflucht. Die ganzen Plätzchen, Lebkuchen, Glühwein- und Feuerzangenbowlen-Schwaden, das Weihnachtsgedudel aus allen Lautsprechern und die Dekorationen aus Tannengerippen, Plastik-Glocken und aufblasbaren Schneemännern – fehlt das wirklich?
Nun wird klar, dass das was genervt hat eben nicht nur das zuge-Wham!-e aus den Lautsprechern war, sondern die rasanten Schritte auf das Jahresende und den Stress den sie mit sich bringen. Der Stress, dass alles noch geregelt, alles unter einen Hut gebracht werden muss, Termine eingehalten, Geschenke bedacht und gekauft werden müssen. Und das alles mit einem feierlichen Lächeln im Gesicht, während Mensch im Kopf doch schon Bilanz für das Jahr zieht und zusieht wie die Felle wegschwimmen. Was wollte, sollte, musste dieses Jahr nicht alles erreicht werden?
Glücklicherweise gibt es 2020 die große Ausrede „Corona“ – wir waren so gut in der Spur und dann kam CORONA… Wir hatten große Pläne und dann kam Corona… Eigentlich hätten wir den großen Karrieresprung gemacht, endlich den Jobwechsel, den Absprung aus der verhassten Firma oder einfach mal ein wenig leiser getreten, aber dann kam: Corona.
Manche mögen das lieber anders formulieren: Wir haben alles richtig gemacht und dann kam die Regierung und hat uns alles verboten. Wir hatten große Pläne und dann kamen der Söder und die Merkel und haben uns persönlich einen Strich durch die Rechnung gemacht.
Aber im Endeffekt bleibt es gleich: Dieses Jahr ist nicht so gelaufen, wie wir es 2019 beim Weihnachtsessen den nachbohrenden Verwandten schön gezeichnet haben. Aus einem sinnvollen Abarbeiten der geschmiedeten Pläne wurde ein sinnloses Ablenken von den verwirrenden Aussagen über die erwartbare Zukunft. Damit geht es uns scheinbar nicht anders als der Bundesregierung.
So wollte Angela „alternativlos“ Merkel doch wahrscheinlich nur noch letzte Impulse in die EU-Ratspräsidentschaft legen und sich sicher nicht mehr mit dieser fürchterlich unsachlichen Innenpolitik beschäftigen. Statt sich ständig mit den Meinungsumfragen im Inland, den ständigen Profilierungsversuchen ihrer selbsternannten Kronprinzchen, dem Gejammer der geltungssüchtigen Ministerpräsident*innen und ganz allgemein mit den Geschrei einer „Merkel-Diktatur“ auseinanderzusetzen, war der Plan für dieses Jahr vermutlich innerhalb der EU die Kindergärtnerin zu spielen und den Regierungschefs bei zahlreichen Essen Manieren für die supranationale Zusammenarbeit innerhalb der EU beizubringen. Aber dann kam: Corona.
Und jetzt ist das Geschrei groß, dass diese Pandemie doch besser geplant hätte sein können. Dass die zweite Welle absehbar war. Außerdem hätten wir uns doch gewünscht, dass uns reiner Wein eingeschenkt wird. Das ganze Gerede vom Lockdown Light der nur bis Ende November andauert und dann eigentlich schon Mitte November als zu kurz angesehen wird… Was soll das? Es sollte doch mittlerweile möglich sein ein Handbuch vorzulegen: Lockdown-Drill 2020 bis 2021. Dieses Handbuch enthält dann alle Schritte die aufeinander folgen, wenn sich die Infektions- und Todeszahlen, die Kapazitäten der Intensivstationen und nicht zuletzt die externen Folgen wie der erwartbare Anstieg der Selbsttötungszahlen in vorher berechneten Szenarien entwickeln. Dieses Handbuch könnte dann ja an alle Haushalte verteilt werden und jeder und jedem würde ein einfacher Blick ins Buch reichen um zu wissen, was als nächstes passieren wird, wenn die Entwicklung anhält.
Eine schöne Idee, nicht? Raus aus der Unsicherheit, rein in die vorgeschriebene Planbarkeit, die uns das zu erwartende Unheil durch die Maßnahmen absehen lässt.
Aber so schön ist das auch wieder nicht. Denn mehrere Punkte sind absehbar: Sobald ein Plan vorliegt werden die Kritiker sich daran abarbeiten, dagegen klagen, ihn verkürzt und überdramatisiert in der Öffentlichkeit zerreißen und ganz allgemein deutlich machen, dass sie es in jedem Fall besser machen würden. Aber auch wer den Maßnahmen unkritischer gegenübersteht wird sicher nicht durchgängig glücklich damit, wenn alles was kommen wird schon festgeschrieben ist und nicht mehr beeinflusst werden kann.
Also bleibt es leider dabei: Statt einem Plan haben wir Elefantenrunden die die Reaktion auf absehbare Entwicklungen mit persönlicher politischer Profilierung verknüpfen. So können die Ministerpräsident*innen jeden Kompromiss aus ihrer Sicht bewerten und dadurch diejenigen Stimmungen in der Bevölkerung ansprechen, die sie in ihrer Wähler*innenschaft vermuten. Am Ende folgen sie dennoch mehr oder weniger dem Plan der für vertrauenswürdig befundenen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die sie beraten.
Und natürlich ist das auch eine gute Situation um alte Debatten wieder auf‘s Tableau zu bringen. Zum Beispiel: Weg mit dem Feuerwerk! So sehr dieses social Distel-Ding auch von den zahllosen Risiken und Nebenwirkungen des Feuerwerks genervt ist, diese Ausnahmesituation zu nutzen um mit fadenscheinigen Begründungen jetzt Klientelpolitik voranzutreiben, ist kontraproduktiv. Ja, Feuerwerk nervt, ist laut, verpestet die Umwelt, verletzt Menschen und ist schädlich für Tiere. Aber nein, die Krankenhäuser füllen sich nicht jedes Jahr an Silvester mit Sprengopfern, sondern eher mit Alkoholvergiftungen. Und allein deswegen hat dieses Jahr wohl niemand mit dem Saufen aufgehört.
Gleiches gilt übrigens für die plötzliche Christianisierung der Politik. Nur weil Weihnachten ansteht, ist ein großer Teil der Bevölkerung nicht plötzlich gläubig geworden. Nur weil Markus „in jede Amtsstube gehört ein Kreuz“ Söder seit Wochen den Bodyguard des Christkinds spielt, ändert das nichts an der Tatsache, dass er mit seiner Konzentration auf diese Feiertage einen Großteil der Bevölkerung ausklammert. Wo waren denn die Mutmach-Reden für die Muslime über den Ramadan? Wo bleiben die Reden für ein Miteinander auch ohne Gott?
Und nicht zuletzt, wo bleibt das praktizierte Christentum in der Christlich Sozialen Union – denn auch aus Gründen der Nächstenliebe müsste Andi Scheuer aus dem Verkehrsministerium entfernt werden. Nicht nur, weil er über 500 Millionen € der Steuerzahler genommen hat um es Mautbetreibern für eine nicht EU-Rechtskonforme Maut die nie kam zu geben. Nicht nur, weil er aktiv am größten Verbrechen gegen die kommenden Generationen mitarbeitet, dem Aussitzen der notwendigen Maßnahmen gegen den Klimawandel. Nicht nur, weil er mit seinen öffentlich-privaten Partnerschaften im Autobahnbau die Umverteilung von arm zu reich weiter treibt. Nein, auch weil er durch das Festsetzen von NGO-Booten die Flüchtlingsrettung behindert und dadurch aktiv dafür sorgt, dass mehr Menschen im Massengrab Mittelmeer ertrinken.
Also, lieber Markus „Retter der Weihnacht“ Söder, machen Sie uns social Distel-Dinger doch bitte ein Geschenk der christlichen Nächstenliebe und geben Sie Andi Scheuer einen neuen Job. Weihnachtsminister zum Beispiel. Katastrophen haben wir schon genug in diesem Jahr.

Kommentare
01.12.2020 / 18:02 Monika, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
in sonar
am 1.12.. Vielen Dank!