Union Busting News + Arbeitsunrecht in Deutschland | KW 13: Erntehelfer, Syncreon, Daimler, Piepenbrock, Deliveroo

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Union Busting-News mit Jessica Reisner: Agentur für Arbeit beschafft für Landwirte billige Erntehelfer:innen aus Georgien | kurzfristige Beschäftigung: Landwirtschaftsministerium erweitert Zeitraum, in dem Wanderarbeiter unversichert arbeiten | Daimler: Fette Dividenden trotz Kurzarbeit | Syncreon Speyer: Doppelschichten als Strafe für Verweigerung von Unterschrift - Geschäftsführung macht Stimmung gegen Betriebsrat | Piepenbrock Berlin: Herzlichen Glückwunsch! Energischer Berliner Betriebsrat setzt Aufstockung des Kurzarbeitergeldes auf 100%  durch | Deliveroo: Rider streiken - Börsengang in London floppt.
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08:34 min, 20 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 02.04.2021 / 18:30

Dateizugriffe: 1613

Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Arbeitswelt
Entstehung

AutorInnen: arbeitsunrecht FM
Radio: radio flora, Hannover im www
Produktionsdatum: 01.04.2021
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Agentur für Arbeit beschafft Erntehelfer*innen aus Georgien

Wenn es um Erntehelfer:innne geht wagt es der Bauernverband von Versorgungssicherheit zu sprechen und einem pandemie-bedingten Personalmangel.

Der sogenannte Personalmangel ist jedoch keineswegs coronabedingt, sondern hausgemacht. Polnische Mitarbeiter werden mittlerweile eher als Vorarbeiter eingesetzt. unter Rumänen und Bulgaren haben sich die erbärmlichen Arbeits- und Lebensbedigungen in Deutschland herumgesprochen. Es ist nicht mehr so leicht genügend Willig zu finden, die für 9,50/Stunde arbeiten wollen, klagen Landwirte

Eine Lösung wäre selbstverständlich mehr Lohn zu zahlen. Statt dessen werden jetzt mit Unterstützung der Agentur für Arbeit Erntehelfer:innen aus Georgien angeworben. Dabei handele es sich um ein Pilotprojekt der Bundesagentur für Arbeit. Die Behörde kümmert sich um die Arbeitsverträge und auch die Anreise von 5000 Menschen aus Georgien.

Die Bundesagentur für ARbeit, finanziert aus den Sozialversicherungsbeiträgen der Beschäftigten, beteiligt sich also an der Beschaffung billiger Arbeitskräfte, die hier dann von den Landwirten sozialverischerungsfrei ausgebeutet werden können.

Sozialversicherungfrei? Ja, richtig gehört!

Das Minsterium für Landwirtschaft und Ernähurng jubelte gestern auf twitter:
BMin @JuliaKloeckner erreicht wichtige Regelung für die #Landwirtschaft, um #UnsereErnteUnserEssen in der #Corona-Pandemie zu sichern: Kabinett beschließt Ausweitung der sozialversicherungsfreien Beschäftigung für Saisonarbeitskräfte von 70 auf 102 Tage

Was hier als frohe Botschaft verkündet wird ist in Wirklichkeit ein Freibrief zu Ausbeutung. Landwirte können Erntehelfer:innen 102 Tage lang arbeiten lassen, ohne Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen .

102 Tage umfasst dabei nicht die Dauer des Aufenthaltes, sondern die Arbeitstage. Gerechnet auf eine 6-Tage Woche sprechen wir hier also von rund 17 Wochen, also über 4 Monaten.

Die Erntehelfer:innen bauen während dieser ganzen Zeit keine Rentenansprüche auf. Sie sind oftmals aber auch nicht krankenversichert.

Während einer Pandemie und während immer noch die Unterbringung von bis zu 8 Personen pro Container erlaubt ist.

Keine Krankenversicherung heißt im schlimmsten Fall, dass Erntehelfer:innen auf Kosten für eine medizinische Behanldung oder sogar einen Krankenhausaufenthalt sitzen bleiben. Es bedeutet aber auch, dass es keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gibt. Es gibt für sie also gleich mehrer Gründe auch bei ernsthaften Beschwerden keinen Arzt aufzusuchen.

Grundlage für dieses geradezu irrsinnige Konstrukt, das hier als als kurzfristige Beschäftigung verkauft wird, ist die Annahme, dass die Erntehelfer:innen ihre Tätigkeit nicht berufsmäßig ausüben und damit nicht ihren Lebensunterhalt verdienen.

Das heißt man tut so, als hätten die rund 30.000 Erntehelfer*innen, die in Deutschland jährlich im Einsatz sind, in ihrem heimatland angeblich alle eine Hauptbeschäftigung hätten und quasi während ihres Urlaubes hier arbeiten würden.

In der Realität ist es jedoch so, dass diese Voraussetzungen zur Sozialversicherungsfreiheit nur schwer oder gar nicht überprüfbar sind. Es gibt auf EU-Ebene auch gar kein Register in dem der Sozialversicherungsstatus in Echtzeit abgefragt werden könnte.

Im Ergebnis, so der DGB sind Saisonarbeitnehmer*innen deswegen oft überhaupt nicht oder nur unzureichend sozialversichert.

Der eigentliche Skandal ist, dass diese Missstände spätestens seit 2020 bekannt sind und die Bundesregierung nicht einmal ansatzweise versucht hat, irgendeine Verbesserung für die Erntehelfer:innen zu schaffen.

Die Menschen werden hier einem hohen Infektionsrisiko ausgesetzt und regelrecht verheizt. Den Gewinn machen die Landwirte, die mit Julia Klöckner wohl eine der erfolgreichsten Lobbyistinnen der Geschichte im Landwirtschaftsministerium platziert haben.

https://www.dgb.de/downloadcenter/++co++...
https://www.lwk-niedersachsen.de/index.c...
https://www.bauernverband.de/presse-medi...
https://www.fruchtportal.de/artikel/zvg-...
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unt...
https://www.zoll.de/DE/Fachthemen/Arbeit...
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Daimler: Dividenden trotz Kurzarbeitergeld

2020 hat Daimler seinen Gewinn deutlich steigern können, obwohl viele Mitarbeiter in Kurzarbeit waren und dadurch erheblich Geldeinbußen hatten.

Daimler im vergangenen Jahr rund 700 Millionen Euro durch Kurzarbeitergeld eingespart. Jetzt beschlossen Vorstand und Aufsichtsrat eine Erhöhung der Dividende für 2020 pro Aktie um 0,45 Cent im Vorjahresvergleich. auf 1,35 Euro pro Aktie

Während also die Arbeitslosenversicherung, die das Kurzarbeitergeld zahlt, geschröpft wurde, werden Leistungslose Profiteure gemästet. Der Aufsichtsratschef Manfred Bischof sieht darin natürlich kein Problem.

wir allerdings schon. und wie so oft fragen wir uns, welchen Nutzen eigentlich Gewerkschaftsvertreterinnen in Aufsichtsräten haben

https://www.businessinsider.de/wirtschaf...
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Syncreon - wer nicht gegen den Betriebsrat unterschreibt muss Doppelschichten arbeiten

Rund 500 Mitarbeiter arbeiten in Speyer in einem Logistikzentrum der Firma Synchreon für den Automobilkonzern Daimler.

Laut DGB Speyer verstößt Synchreon gegen Informations- und Beteiligungsrechte des Betriebsrats.

Wir berichteten bereits 2019 über einen Fall von Behinderung der Betriebsratsarbeit bei Synchreon. Damals engagierte die Firma die international tätige Kanzlei Hogan Lovells um den Gesamtbetriebsratsvoristzenden zu kündigen.

schon damals schrieben hieß vermeldete die IG Metall Bremen:

Über hundert Gerichtsverfahren mussten die Betriebsräte in den letzten vier Jahren führen.
Sie kritisieren die hohen Belastungen und die aus ihrer Sicht rechtswidrigen Arbeitsbedingungen.
Über zehn Prozent der Belegschaft sind krank, Arbeitsunfälle werden nicht gemeldet, Beschäftigte erhalten keine Arbeitskleidung, Leiharbeiter werden von heute auf morgen vor die Tür gesetzt, Betriebsräte werden für die Ausübung ihres gesetzlichen Amts mit Lohnabzug bestraft.
https://arbeitsunrecht.de/union-busting-...
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Wozu ein Betriebsrat nutzt: Piepenbrock-Mitarbeiter bekommen 100% Aufstockung des Kurzarbeitergeldes

Im Sommer 2020 führte der Reinigungsdienstleister Piepenbrock in Berlin Kurzarbeit ein. Ohne den Betriebsrat an der Entscheidung zu beteiligen.

Für den Betriebsrat war klar: "Wer zum Branchenmindestlohn in der Gebäudereinigung arbeitet, kann nicht mit einem Kurzarbeitergeld von nur 60 beziehungsweise 67Prozent abgespeist werden".

Betriebsrat und IG BAU haben die betroffenen Kolleg*innen darüber aufgeklärt, dass ihre vom Arbeitgeber vorgenommene Einkommensreduzierung gar nicht rechtens war. Viele haben daraufhin mithilfe der IG BAU die Differenz zum üblichen Monatslohn vor dem Arbeitsgericht eingefordert.

Die Hartnäckigkeit des Betriebsrats zahlt sich aus: Das Kurzarbeitergeld wird jetzt auf 100% aufgestockt.

https://igbau.de/Betriebsrat-und-IG-BAU-...
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Widerstand wirkt: Deliveroo-Aktie auf Talfahrt

31. März 2021 Proteste und ein Streik der Fahrer*innen begleiteten den Börsengang des Essenslieferdienst Deliveroo in London. In England gelten die Rider als Selbstständige - mit allen wirtschaftlichen Nachteilen, die das mit sich bringt.

Sie fordern mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen. Dabei finden Sie offensichtlich Gehör - auch wenn die Verweigerung der Investoren nicht uneigennützig ist:

Mehrere große britische institutionelle Investoren sagten öffentlich, dass sie sich nicht an dem Börsengang beteiligen werden. Die Art und Weise, wie Deliveroo seine Lieferfahrer bezahle, die der Konzern als unabhängige Auftragnehmer einstufe, sei ein Grund zur Sorge.

Sofern die Arbeitsgesetze den Kurieren neue Rechte und Vorteile gäben, werde es schwieriger, die Gewinnschwelle zu erreichen.

Die Deliveroo-Aktie schmierte direkt vom Start weg ab.Zum Absturz der Deliveroo-Aktie sollen maßgeblich Proteste von Ridern in London beitragen haben, schreibt die Wirtschaftspresse. Na bitte: Das sollte uns alle motivieren.
Unser Aktionstag ist Freitag der 13.

Am 13. April 2018 sind wir zusammen mit Gewerkschaften und Betriebsräten gegen Deliveroo vorgegangen. Kurz darauf hat das Unternehmen Deutschland fluchtartig verlassen. Es bewegt sich also doch etwas, wenn wir uns zusammen tun und gemeinsam aktiv werden!

Der nächste Freitag der 13. ist im August 2021.

https://www.n-tv.de/wirtschaft/Deliveroo...