Union Busting-News mit Jessica Reisner | arbeitsunrecht FM KW15 / 2021

ID 108424
 
AnhörenDownload
Daimler: Druck durch Vorgesetze? Verzichten Leiharbeiter etwa auf Schnelltests, weil sie Angst vor Kündigung haben? | Schnelltests in Unternehmen: Niemand hat die Absicht, eine Pandemie einzudämmen: Bundesregierung verzichtet auf obligatorische Corona-Tests am Arbeitsplatz | Streiks in der Fleischindustrie: Ehemalige Werkvertragsarbeiter streiken für bessere Löhne und Arbeitsbedingungen | Amazon Bessemer USA: Massives Union Busting vehindert Gewerkschaft in Alabama | Zalando Überwachungs-Software Zonar: wenn jede Geste und jedes Wort zählt.

Quellen + Links: https://arbeitsunrecht.de/arbeitsunrecht...
Audio
10:55 min, 10 MB, mp3
mp3, 130 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 16.04.2021 / 18:02

Dateizugriffe: 3424

Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Arbeitswelt
Serie: arbeitsunrecht FM
Entstehung

AutorInnen: aktion ./. arbeitsunrecht
Radio: radio flora, Hannover im www
Produktionsdatum: 16.04.2021
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
# Daimler: Verzichten Leiharbeiter auf Schnelltests?
# Niemand hat die Absicht, eine Pandemie einzudämmen: Keine Pflichttests an Arbeitsplätzen
# Streiks in der Fleischindustrie
# amazon - Union Busting verhindert Gewerkschaft in Bessemer, Alabama
# Zalandos Überwachungssoftware Zonar: wenn jede Geste und jedes Wort zählt
# BMAS beantwortet Anfrage wegen Beschaffung von Erntehelfern durch die Bundesagentur für Arbeit nicht

„Liebe Beschäftigte! Zu Eurem Schutz wird wirklich alles Erdenkliche getan. Wir haben die neue Arbeitsschutzverordnung umgehend umgesetzt und freuen uns ab sofort allen Mitarbeitern einen kostenlosen Test pro Woche anbieten zu können. - Selbstverständlich müssen Sie einen solchen Test nicht machen. Wir haben großes Verständnis, wenn Sie in dieser Beziehung auf ihre körperliche Unversehrtheit pochen. Ihre Kollegen sind doch schließlich so etwas wie Familie für sie, nicht wahr? Für den Fall, dass sie unbedingt einen Test wollen und damit ein positives Ergebnis riskieren, behalten wir uns die Prüfung ihrer Arbeitsleistung der letzten Jahre und Ihres Arbeitsvertrags vor. „

So oder so ähnlich scheinen die Mitteilungen mancher Unternehmen an ihre Beschäftigten zu lauten.

z.B. bei Daimler in Rastatt. Leiharbeiter verzichten dort aus Angst vor Kündigungen auf Corona-Schnell-Tests, so das nachrichtenportal BW24 und die Badischen neuesten nachrichten im April. Geschildert wird auch die Geschichte eines Leiharbeiters, dem nach dreijähriger Tätigkeit nach einer 2-wöchtigen Corona-Quarantäne gekündigt wurde. Der Vorwurf: er hätte krank gefeiert.

Bei Daimler Rastatt soll es auch eine Anweisung gegeben haben im Fall eines positiven Tests Arbeitskollegen nicht als Kontaktpersonen zu nennen. Das berichtete die Seite BW24 bereits im März 2021

Angesichts solcher haarsträubenden Berichte könnte man meinen die Bundesregierung drängt nun auf strenge Regeln für Unternehmen. Das Gegenteil ist der Fall.
https://www.bw24.de/stuttgart/daimler-ag...
https://www.bw24.de/stuttgart/daimler-ag...
https://bnn.de/mittelbaden/rastatt/daiml...

Keine Testpflicht in Unternehmen

Unternehmen müssen, so eine neue Verordnung des Bundesarbeitsministers Hubertus Heil, lediglich Tests anbieten. Es gibt weder eine Pflicht wirklich zu testen, noch eine Dokumentationspflicht. Es gibt nicht einmal Sanktionen für den Fall, dass doch keine Test angeboten werden. Offiziell sind strafen bis 30.000 Euro möglich. In einem screenshot aus einem vorwaerts-Forum heißt es jeoch, dass Unternehmen, die ihre Bemühen nachweisen, keine Sanktionen zu befürchten haben.
Statt wirkungsvolle Maßnahmen gegen die vermehrten Ausbrüche an Kitas, Schulen und im beruflichen Umfeld zu ergreifen, diskutiert die Regierung lieber eine Ausgangssperre nach 21.00 Uhr. Dabei ist es schon heute so, dass ein guter Teil der Bevölkerung in einer Art Arbeitsquarantäne lebt. Ich mag dazu den Scherz eines twitter-users:

wenn ich meine Sozial-Kontakte noch mehr einschränken soll, muss ich den Spiegel in meiner Wohnung abhängen.
https://twitter.com/Dok_Wu/status/138230...

Streiks in der Fleischindustrie

Beschäftigte in Schlachthöfen und fleischverarbeitenden Betrieben streiken für höhere Löhne und einen bundesweit einheitlichen Mindestlohn.
Unter den Streikenden sind auch viele ehemalige Werkvertragsarbeiter:innen aus Rumänien und anderen osteuropäischen Ländern. z.B. beim Rinderschlachthof Vion in Waldkraiburg. Bei Westfleisch in Lübbeke wie sich 400 Schlachthofmitarbeiter:innen am Streik beteiligten.

Sie fordern mindestens 12,50 Euro für Einsteiger, nach der Einarbeitung 14 Euro. Facharbeiter sollen mindestens 17 Euro bekommen. In einem weiteren Tarifvertrag sollen Mindestarbeitsbedingungen wie Arbeitszeit, Arbeitszeitkonten, Zuschläge und Urlaub geregelt werden.
die Arbeitsbedingungen sind nach wie vor extrem: oft müssen über Stunden monotone Abläufe wiederholt werden, und das bei 4°C Umgebungstemperatur.

Dabei ist der Tarifvertrag gerade für die Unternehmensseite wichtig: nur mit einem Tarifvertrag können sie Leiharbeiter einsetzen. Für nicht tarifgebundene Betriebe ist der Einsatz von Leiharbeit seit dem 01.04.2021 verboten.
Dies und die Tatsache, dass ehemalige Werkvertragsarbeiter:innen jetzt streiken können ist das Verdienst all derer, die sich in den letzten Jahren unermüdlich für diese Verbesserungen eingesetzt haben.

Insgesamt sind in Deutschland rund 160.000 (!) Menschen in der #Fleischindustrie beschäftigt.
https://www.br.de/nachrichten/bayern/dru...

amazon - Union Busting verhindert Gewerkschaft in Bessemer, Alabama

Die Aufregung und Hoffnung war groß. Würde es in den USA endlich eine Gewerkschaftsvertretung in einem der großen Amazon-Lager geben? Amazon investierte selbstverständlich in eine umfassende Union Busting Kampagne, um dies zu verhindern. Das Ergebnis:
Laut der Auszählung sprachen sich 1798 Beschäftigte gegen die Gewerkschaftsvertretung aus, 738 stimmten mit Ja.
Und das bei rund 5800 Beschäftigten insgesamt.
Laut verschiedenen Berichten arbeitete Amazon mit verpflichtenden Betriebsversammlungen und nutzte darüber hinaus jede Gelegenheit zur Stimmungsmache gegen Gewerkschaften - vor allem im Betrieb selbst.

Die RWDSU legt gegen die Methoden während des Wahlkampfs offiziell Beschwerde bei der US-Arbeitsschutzbehörde ein, wie sie auf Twitter bekannt gab.
Sie wirft Amazon vor, die Abstimmung mit „Lügen, Täuschung und illegalen Aktivitäten“ sabotiert zu haben. So habe man Arbeiter mit Textnachrichten mit Falschinformationen „bombardiert“ und sogar bei ihnen zu Hause angerufen. Vor allem kritisiert die Gewerkschaft, dass auf dem Betriebsgelände eine Wahlurne aufgestellt worden sei.

Bei Amazon in Bessemer sollen geschätzte 85 Prozent der Mitarbeiter Schwarze sein, die in den USA ohnehin einen überproportionalen Anteil der „Frontline Worker“ ausmachten, die in der Pandemie unsichere, aber gesellschaftlich wichtige Jobs im Niedriglohnsektor ausüben.

Während diese Menschen in der Coronakrise ihre Leben riskierten, soll Amazon den Profit 2020 um 84 Prozent und seinen Aktienkurs um 82 Prozent gesteigert haben.

https://www.handelsblatt.com/unternehmen...
09.04.21 Kronen Zeitung https://www.krone.at/2377267

Überwachungssystem bei Zalando - Jede Geste, jedes Wort zählt

Angestellte des Versandhändlers hatten sich bereits Ende 2019 bei der SZ über das System beklagt, das damals den Namen „Zonar“ trug. Über das Programm konnten Vorgesetzte und Mitarbeiter sehr umfassend die Stärken und Schwächen von 5000 Kollegen bewerten. Und zwar gegenseitig. Bis zu acht Kolleg:innen war es erlaubt, das Verhalten anderer Mitarbeitenden zu bewerten — mit realen Konsequenzen für Gehalt und Arbeitsplatz.
denn die Bewertungsdaten wurden unter Verwendung eines Algorithmus dazu genutzt, den jeweiligen Beschäftigten einen individuellen Scorewert zuzuordnen. Dieser score-wert war dann Grundlage für mitarbeitergespräche, Aufstiegs - oder auch Ausstiegschancen.
Statt von einem 360-Grad-Feedback-System sprachen die Angestellten von einer „360-Grad-Überwachung“

Um dem entgegenzuwirken, hat die Berliner Datenschutzbehörde nun einige Anpassungen veranlasst - die uns alledings fragwürdig erscheinen.

Zum einen wurde die Zahl der Personen, die einen Mitarbeiter bewerten können, auf drei reduziert. Und jeder Mitarbeiter muss mit den drei Bewertenden einverstanden sein. Ist er das nicht, hat er ein Vetorecht. Die Mitarbeiter werden nun außerdem speziell für das Schreiben von Bewertung geschult.

die gegenseitige Bewertung von Kolleg:innen untereinander ist an sich schon ein Ansatz, den es zu bekämpfen gilt. Denn er fördert die Isolation der Beschäftigten voneinander und säät grundsätzliches Misstrauen und macht organizing unmöglich!

https://www.businessinsider.de/wirtschaf...
datenschutz-notizen.de/zonar-zalando-setzt-mitarbeiter-kontrollsoftware-ein-1524483/

Kommentare
19.04.2021 / 18:12 Monika, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
in sonar
am 19.4.. Vielen Dank!