Anmerkungen zur "Copaganda" bei #justice4mouhamed

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Doch was brachte die "Copaganda" dieses Mal ins Wanken?

All die Menschen, die hinsahen, ihre Wut und Trauer aussprachen und miteinander teilten. Der überall wahrnehmbare Aufschrei im Viertel - zu laut, um ignoriert zu werden. Das intuitive Wissen vieler Menschen, dass es genauso gut sie oder ihre Angehörigen hätte treffen können. Letztlich: Die Menschen in der Nordstadt haben schlicht genug von einer Polizei, die sie ständig diskriminiert, gängelt und angreift.

Audio
04:41 min, 3801 kB, mp3
mp3, 110 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 20.11.2022 / 11:26

Dateizugriffe: 1050

Klassifizierung

Beitragsart: Feature
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: amzdo
Kontakt: radio(at)nrdpl.org
Radio: Radio Nordpol DO, Dortmund im www
Produktionsdatum: 20.11.2022
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Es folgt ein Wortbeitrag des Antifa Medienzusammenhangs Dortmund, besser bekannt als @amzdo bei Twitter

[Pause]

"Bestürzung" verspürte Dortmunds Polizeipräsident Gregor Lange im August - nicht wegen des tödlichen Polizeieinsatzes, sondern wegen des "Vertrauensverlusts" der Stadtgesellschaft in die Polizei. Menschen gegenübersitzend, die von polizeilichem Rassismus betroffen sind,brachte er es kurz später gar fertig, hervorgebrachte Kritik als nicht repräsentativ für die Stadtgesellschaft abzuwerten. Nur zwei,jedoch prägende Beispiele dafür, wie sehr die Polizei in Dortmund in ihrer ganz eigenen Wahrnehmung und Realität lebt. Diese Perspektive auf das eigene Handeln wird maßgeblich von einer großen Medienabteilung im Polizeipräsidium geprägt. Kein Tag vergeht ohne Pressemitteilungen und Tweets, die die Polizei und ihre Einsätze genau so darstellen, wie sie selbst das gerne von sich liest. Eine Darstellung, bei der sich die Institution meistens darauf verlassen kann, dass sie von den Medien und damit von Gesellschaft und Justiz unhinterfragt übernommen wird. Für viele Journalist*innen gilt die Polizei noch immer als sogenannte "privilegierte Quelle", deren Meldungen ohne weitere Nachprüfungen übernommen werden. Und hier liegt das Problem: Denn die Polizei ist keine privilegierte Quelle...
[stilistische Pause]
...Sie ist Akteurin. Und dies gerade in der Nordstadt, die seit Jahren ein Experimentierfeld polizeilichen Handelns ist, welches in anderen Teilen Dortmunds undenkbar wäre. Ob Videoüberwachung, "strategische Fahndung", "gefährliche Orte" oder Taser-Einsatz. Dabei stets selbst-legitimiert durch die eigenen Erzählung von "kriminellen Strukturen", "rechtsfreien Räumen" und der Notwendigkeit einer durchgreifenden, ordnenden Staatsmacht agiert die Dortmunder Polizei hier nach einem Konzept, das man nur unter dem Titel "Rassismus und Repression" zusammenfassen kann.

Kommunikation ist dabei alles. Jede noch so erfolglose Razzia, jeder Einsatz der vermeintlichen "Wunderwaffe Taser" wird von Polizei-PR und vorgegaukelter Transparenz in die Social-Media-Welt posaunt - reinste "Copaganda" und sonst nichts.
Dabei ist man sich der eigenen Deutungsmacht mehr als bewusst und will jegliche Kritik an polizeilichem Handeln im Keim ersticken.
Das erklärt dann auch die "Bestürzung" der Polizei, wenn diese Deutungshoheit in Frage gestellt wird - ja gar ins Wanken gerät. Zum Beispiel, als die Tötung des 16-jährigen Mouhamed Lamine Dramé sich nicht einfach vertuschen ließ - auch wenn die Polizei alles versuchte, um die Schüsse unmittelbar als Notwehr zu framen.

Doch was brachte die "Copaganda" dieses Mal ins Wanken?
All die Menschen, die hinsahen, ihre Wut und Trauer aussprachen und miteinander teilten. Der überall wahrnehmbare Aufschrei im Viertel - zu laut, um ignoriert zu werden. Das intuitive Wissen vieler Menschen, dass es genauso gut sie oder ihre
Angehörigen hätte treffen können. Letztlich: Die Menschen in der Nordstadt haben schlicht genug von einer Polizei, die sie ständig diskriminiert, gängelt und angreift.

Und deren Antwort? Hilflos. Sie heißt allen Ernstes: "Talk with a Cop". Ein Format, in dem sich Polizist:innen einmal in der Woche an öffentlichen Plätzen zum Gespräch stellen. Wie soll das Angst abbauen, wenn gleichzeitig die Kolleg:innen die nächste Razzia durchführen? Wer soll einer Polizei, die offensichtliche Probleme wie Rassismus und Polizeigewalt beharrlich leugnet, irgendetwas glauben? Wer soll einer Institution vertrauen, die mehr als einmal bewiesen hat, dass der Schutz der eigenen Leute über allem anderen steht? Die Abwehrreflexe, die entstehen, wenn das Dunkelfeld der Polizeigewalt erhellt und ihre Version der Geschichte angezweifelt wird, sind bezeichnend.

Nein, wir wollen nicht mit Cops "talken".
Nein, wir glauben nicht an Einzelfälle.
Nein, wir glauben nicht an die Möglichkeit einer "guten Polizei".

Wir wollen diese Institution nicht reformieren, wir wollen sie gar nicht mehr.

Wir fordern Alternativen zur Polizei: No justice - no peace - abolish the police!