Vogel der Woche (Serie): Die Brillenglasmücke

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Heute: Die Brillenglasmücke. Hierzu zur Abwechslung mal wieder der Trailer #11154
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02:37 min, 3683 kB, mp3
mp3, 192 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 15.05.2006 / 00:00

Dateizugriffe: 323

Klassifizierung

Beitragsart: Hörspiel
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Andere, Sport, Umwelt
Serie: Vogel der Woche
Entstehung

AutorInnen: hikE
Radio: RUM-90,1, Marburg im www
Produktionsdatum: 15.05.2006
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Sprechtext:

Brillenglasmücke (Sylvia conspeculatius ROHREIT, 1992)

Erlauben Sie mir, hier als Einführung den Originaltext der Erstbeschreibung, einem irgendwie würdig wirkenden Stück Papier, zu zitieren:

sinkt frei oder im Sinkflug,
sinkt ähnlich der Dorngrasmücke, aber
nicht so hart.

Welche Poesie steckt in diesen Zeilen! Vom Sinken ist dort die Rede, dem bei Vögeln leicht und flaumig wirkenden Vorgang der vertikalen Streckenbewältigung, den man als Mensch tunlichst nicht in einer horizontalen Strecke, die kürzer ist als die vertikale, und schon gar nicht in einer Geschwindigkeit, die die Fußgängergeschwindigkeit übertrifft, absolvieren sollte.
Weder aber gibt dieser Text an, warum das betreffende Tier das Brillenglas im Namen führt, noch, was der Speculatius im Nachnamen bedeuten soll. Sind wir hier einem lyrischen Stück Blödsinn auf den Leim gegangen, oder was?

Weit gefehlt. Die Brillenglasmücke gibt es wirklich. Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen, und es ist imposant zu beobachten, wie das zerbrechlich wirkende Geschöpf im grauen Gewand seinen Sinkflug direkt an Brillen entlang vollführt.

Einige Träger dieser unzeitgemäßen Sehhilfen sind geradezu pikiert, wenn ihnen die kleinen Brillenglasmücken immer wieder mit ihren Flügeln die Wangen streicheln, während sie an den Gläsern abwärts flattern, aber sie haben noch Glück; besonders eklig ergeht es nämlich den Leuten, die Kontaktlinsen tragen. Die haben keinen Abstandhalter auf der Nase, der den unmittelbaren Augenkontakt vermeidet, und die Meinung über die Zerbrechlichkeit der Brillenglasmücken wird zügig revidiert, wenn sie mal versucht haben, eine besonders hartnäckige Vertreterin dieser Art zu zerquetschen.

Erstens sind Brillenglasmücken sehr schnell, so daß man in den meisten Fällen ins Leere schlägt. Zudem handelt es sich bei den potentiellen Schlägern um optisch schwache Personen (sonst würde die Brillenglasmücke sich schließlich gar nicht um sie kümmern).

Zweitens sind Brillenglasmücken (sollte man es doch geschafft haben, eine zu erwischen,) elastisch. Es ist, als ob man auf einen Flummi schlägt: die Faust kommt schneller zurück, als sie hinflog. Das gibt böse blaue Flecken.

Judo-Lehrer studieren Zeitlupenfilme mit den Attacken der Brillenglasmücke; daraus lernen sie viel über die Verwendung der geballten und umgeleiteten Kraft des Gegners.

erfunden 05.06.1996 von CoRo