Buchtipp: "Kalter Wind in Genua"

ID 18839
 
Mit seinen Kriminalromanen um den Genueser Privatdetektiv Bacci Pagano hat er in Italien bereits viele Leser gewonnen. Jetzt gibt es dessen Fälle erstmals auch in deutscher Sprache. Die politische Dimension des Krimis ist im Charakter des Bacci Pagano bereits angelegt: ein Kommissar mit politischem Bewusstsein und sozialem Gewissen.
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05:15 min, 4916 kB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (48000 kHz)
Upload vom 21.09.2007 / 09:07

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Klassifizierung

Beitragsart: Rezension
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Kultur
Serie: Radio Palmares - Magazin
Entstehung

AutorInnen: mk
Kontakt: tomschrott(at)yahoo.com
Radio: PalmaresPB, Paderborn im www
Produktionsdatum: 21.09.2007
keine Linzenz
Skript
Anmoderationsvorschlag:
Bruno Morchio, geboren 1954, lebt und arbeitet in seiner Heimatstadt Genua als Autor, Psychologe und Psychotherapeut. Mit seinen Kriminalromanen um den Genueser Privatdetektiv Bacci Pagano hat er in Italien bereits viele Leser gewonnen. Jetzt gibt es dessen Fälle erstmals auch in deutscher Sprache. Bruno Morchios im August im Unionsverlag erschienenes Buch heißt „Kalter Wind in Genua“.
Markus Kilp hat es für uns gelesen:

Sprecher 1:

In Genua weht der Wind in diesem Roman um Bruno Morchios Privatdetektiv Bacci Pagano besonders kalt:
Doch das kann den Detektiv nicht schrecken, denn auch er selbst ist ein Ermittler von der ganz besonders harten Sorte. Sein Revier sind die Carruggi, die engen Gassen in der Altstadt von Genua, die er auf seiner amarantroten Vespa 200 PX durchkreuzt. Er geht keiner Schlägerei aus dem Weg, sei es mit faschistischen Polizisten oder brutalen Gangstern.
Bruno Morchio – Psychologe und Mitstreiter der 68er Bewegung in Italien gibt seiner Hauptfigur auch politisch eine entsprechende Biographie mit auf dem Weg: Immerhin hat Pagano schon mal 5 Jahre im Knast gesessen, verurteilt als Terrorist, weil er als Student bei einer linken Demo im falschen Moment eine Pistole gefunden und mitgenommen hatte.
Weiteres Kennzeichen von Bacci Pagano ist sein ausgeprägtes „Machotum“: in Gefühlsdingen bezeichnet er sich selbst als „Analphabet“. Doch hinter dieser harten Schale steckt ein weicher Kern bzw. eine angreifbare Psyche:
Jedes Mal, wenn er bei einem Fall auf einen Menschen schießen muss, liegt er tagelang krank im Bett und verachtet sich selbst.
Im vorliegenden Roman muss Morchios Protagonist gleich zwei Fälle lösen: Einerseits soll er für die Pelligrinis, eine der reichsten Familien Genuas, die potenzielle Schwiegertochter ausspionieren und gerät dabei an eine von Habgier und Machtansprüchen geprägte Dreiecksbeziehung.
Gleichzeitig wird dann aber bei einem alten Freund aus Studentenzeiten in dessen Radiostation ein Gewehr gestohlen. Da der Ministerpräsident bald in der Stadt ist und ein Attentat in der Luft liegt wird die Geheimpolizei – die sogenannten Decos - eingeschaltet.
Pagano soll beweisen, dass der Radiosender nichts damit zu tun hat.
Mithilfe einer illegalen Prostituierten, einem genialen Studenten und des befreundeten Kommissars Petrusiello kommt Pagano einem üblen Killer auf die Spur. Dabei tut sich in der Auseinandersetzung mit den zum Teil faschistischen Geheimpolizisten für den Detektiv der Abgrund seiner Vergangenheit auf.

Es wird aber nicht nur die italienische 68er Bewegung reflektiert, es geht auch um die Geschichte und die Identität einer Stadt: um Genua und deren Bewohner: Der Leser erfährt auf diese Weise, ganz nebenbei einiges über ehemaligen Mittelpunkt des Seehandels, den Strukturwandel der Hafen- und Industriestadt aber nicht zuletzt auch etwas über die jüngste Geschichte Genuas: Das politische Wiedererstarken des Faschismus einerseits und eine erneuerte Studentenbewegung, die beim G8 Gipfel in Genua 2001 aufeinander trafen – So wird Paganos Gegenspieler, der faschistische Geheimpolizist Manzi und seine Truppe – in Verbindung gebracht mit der brutalen Räumung der Diaz-Schule, während des G8 Gipfels.

Sprecher 2:
Zitat S. 80 : In diesem Augenblick... - ...niedergeknüppelt.

Sprecher 1:

Erhellend sind in diesem „Genua-Krimi“ aber nicht nur die sozialen und gesellschaftskritischen Bezüge beispielsweise auch auf die Europäische Migrationspolitik. Lesenswert ist dieser Roman außerdem wegen des subjektiv-emotionalen Verhältnisses zur Stadt, das Morchio in seiner Figur Pagano anlegt. Ähnlich wie bei Jean Claude Izzos Marseille-Krimis, wird auch hier ein durchaus differenziertes, aber zuletzt doch liebevolles Bild einer Stadt und deren Bewohner gezeichnet. Genua das ist eine weitere Geliebte des Machos Pagano – die immer präsent zu sein scheint.

Sprecher 2:
Zitat Backcover

Sprecher 1:

Ähnlich wie die bekannten Krimi-Autoren Vazquez Montalban, Paco Taibo oder Izzo, ist Bruno Morchio in der Lage, aktuellste politische Dimensionen und Ereignisse einzubauen, ohne dass es aufgesetzt oder als moralisches Beiwerk erscheint. Vielmehr unterstützt und bereichert er damit die spannende Story.
Der kalte Wind, der durch Genua weht, das wird in dieser Geschichte deutlich hat auch deutliche politische Konnotationen. Diese Grundstimmung bezieht sich auf den korrupten, eiskalten auf eigen Profitmaximierung ausgelegtem Regime von Silvio Berlussconi wie auch auf ein Wiedererstarken rechtsradikaler Kräfte in Italien.

Diese politische Dimension des Krimis ist im Charakter des Bacci Pagano bereits angelegt: ein Kommissar mit politischem Bewusstsein und sozialem Gewissen , der – auch, wenn er für das Geld seiner Auftraggeber im Dreck wühlt – am Ende doch auf der Seite der Schwachen steht.

Jean Claude Izzos Komissar Fabio Montale hat am Mittelmeer also einen würdigen Nachfolger gefunden und der Leser im deutschsprachigen Raum darf sich auf weitere noch aktuellere
Pagano-Krimis freuen.


Abmoderationsvorschlag:

Bruno Morchios Roman „Kalter Wind in Genua“ ist gerade im Unionsverlag erschienen und für 19 Euro 90 als Hardcover-Ausgabe erhältlich. Im Oktober und November stellt der Autor das Buch übrigens in Berlin vor. Mehr Informationen dazu finden sich unter www unionsverlag com

Kommentare
21.09.2007 / 13:12 michi,
gesendet im freitagszip
danke