Stasi-Akten als Hilfe für MG-Verfolgung

ID 19652
 
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Wir sind kein Überwachungsstaat. So tönte unlängst Frau Merkel vor dem Bundestag. Nun ja- das scheint eher Ansichtssache zu sein. Die Telefongespräche mehrerer Berliner Journalisten und an mehrere Zeitungen adressierte Briefe sind nämlich im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen mutmaßliche Mitglieder der sogenannten "militanten Gruppe" "mg" vom Bundeskriminalamt kontrolliert worden. Nach Informationen der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi hat das Bundeskriminalamt vom 18. bis 22. Mai 2007 die Post an mehrere Berliner Tageszeitungen kontrolliert. Betroffen seien u.a. der Tagesspiegel, die Berliner Zeitung, die Berliner Morgenpost und die BZ. Durch die Durchsuchungen im zuständigen Postverteilzentrum 10 in Mitte wollte das Bundeskriminalamt offenbar so genannte Bekennerschreiben finden, die von der Vereinigung „Militante Gruppe" nach Anschlägen an Medien verschickt worden sind. Schätzungsweise sind mehrere hundert Briefe kontrolliert worden. Zwei Briefe an die Berliner Morgenpost und die BZ wurden kopiert und ausgewechselt, heißt es in den Akten. Kommt Ihnen bekannt vor? Stasi-Methoden? Na ja- eigentlich kommt es noch ein bisschen dicker, denn das Ganze ist nur die halbe Wahrheit: Nach Informationen der ehemaligen DDR-Oppositionszeitschrift "telegraph" ist bei den Ermittlungen gegen die so genannte „militante gruppe“ auch Material aus persönlichen MfS-Opferakten von DDR-Oppositionellen zur Erstellung eines aktuellen Personenprofils herangezogen worden. Georg Wellbrock von Radio Corax sprach mit Dirk Teschner von der
Telegraph-Redaktion.
Audio
12:22 min, 28 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 02.07.2008 / 12:38

Dateizugriffe: 320

Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Serie: Corax-Widerhall
Entstehung

AutorInnen: tagesaktuelle redaktion
Radio: corax, Halle im www
Produktionsdatum: 13.11.2007
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Die MfS-Akten stammten aus dem Jahr 1988, als Teile der DDR-Opposition auch im Osten erfolgreich gegen den Westberliner IWF- und Weltbankgipfel mobilisierten. Das BKA hat versucht, mit Hilfe der Arbeit ihrer Kollegen von der DDR-Staatssicherheit zu belegen, dass schon damals Kontakt zu sogeanannten "terroristischen Kreisen" im Westen bestanden hätte. Im konkret angeführten Fall meinte das MfS damit in ihren Unterlagen u.a. die Umweltorganisation GREENPEACE. Es folgten Hausdurchsuchungen, Haft, GPS-Wanzen am Auto, stündlich zugesandte stumme SMS aufs Handy, Überwachungskameras rund ums Wohnhaus, Überwachung des Surfverhaltens im Internet, Speicherung und Auswertung der Emails, Observationen, Überprüfung des Freundeskreises und vieler weiterer Personen - das volle Programm der Überwachungs- und Kontrollmaßahmen, rund um die Uhr.

Telegraph-Redakteur Dirk Teschner saß in den 80er Jahren aus politischen Gründen selbst in Stasi-Haft. In der Aktion mit dem bezeichnenden Namen „FALLE“ überfiel vor exakt 20 Jahren die Stasi 1987 die Redaktionsräume in der Berliner Umweltbibliothek, Redakteure wurden verhaftet. Damals hieß unsere Zeitschrift noch UMWELTBLÄTTER und der Ermittlungs-Paragraph nicht 129a sondern §218 (Vereinigung zur Verfolgung gesetzwidriger Ziele)."