Lora aus dem EineWeltHaus vom 4.5.2009

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Zusammenstellung von Nachrichten aus dem linken, antifaschistischen, antikapitalistischen und queeren Spektrum für Radio Lora innerhalb der Sendereihe "Lora aus dem EineWeltHaus" in München
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mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 04.05.2009 / 01:06

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Serie: Lora aus dem EineWeltHaus
Entstehung

AutorInnen: Felicitas Hübner
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 03.05.2009
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Nachrichten von Lora aus dem EineWeltHaus
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Marokko

Bis 2012 sollen 130.000 Sozialwohnungen gebaut werden

Viele Menschen des Slumviertels Sidi Moumens am Rand Casablancas können ihre Hütte zwar nicht gegen einen Palast, aber immerhin gegen ein Apartment tauschen. Das haben sie den Jihadisten und der Immobilienkrise zu verdanken. 14 junge Männer aus Sidi Moumen waren im Jahr 2003 an Selbstmordanschlägen beteiligt, bei denen 45 Menschen getötet wurden. König Mohammed VI. nahm dies zum Anlass, um ein Bauprogramm zu dekretieren, bis zum Jahr 2012 sollen 130.000 Sozialwohnungen errichtet werden. Da Seiner Majestät das Wohl der Privatwirtschaft am Herzen liegt, gewährt das Programm nur finanzielle Anreize, knapp zwei Milliarden Dollar sind hierfür vorgesehen. Doch Luxusappartments und Hotels zu errichten, war meist profitabler. Nun sind die Immobilienpreise immens gefallen, die Bau- und Immobilienfirmen interessieren sich verstärkt für das Programm.

Wer Familien aus einem Slum in sein Apartmenthaus aufnimmt, erhält finanzielle Vergünstigungen. Den Slumbewohnenden wird etwa 40 Prozent des Kaufpreises für die Wohnung erstattet, der in Casablanca umgerechnet nur einige tausend Dollar beträgt. In Sidi Moumen scheint das Programm besonders beliebt zu sein, da das Viertel weiterhin in dem Ruf steht, eine Hochburg der Jihadisten zu sein. Eine Meldeadresse in Sidi Mounem erschwert die Arbeitssuche und garantiert eine gründliche Kontrolle bei polizeilichen Überprüfungen. Eine Aufwertung kann da nicht schaden, auch wenn eine Selbsthilfeorganisation, betont, dass Armut und Arbeitslosigkeit nicht verschwinden. Doch sei es »besser, in einem neuen Apartment untätig zu sein als in einem Slum«.

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Kenia

Mindestens 8.500 Menschen fielen Polizeigewalt zum Opfer


Mehr als 8.000 Menschen wurden nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen von der Polizei im Kampf gegen eine Sekte ermordet, weitere 500 fielen seit Anfang 2008 der Polizeigewalt zum Opfer. Ein UN-Sondergesandter nennt keine Zahlen, erklärt jedoch, extralegale Tötungen seien »weit verbreitet«. Der Sicherheitsminister meint dennoch, die Polizei sei »sehr wohl fähig«, solche Fälle selbst zu untersuchen. Die kenianischen NGO haben nun die Geduld verloren, sie glauben nicht mehr, dass die Regierung ein Interesse an der Aufklärung hat. Ihr Dachverband National Civil Society Congress beschloss vor 2 Wochen, eine Untersuchung durch den Internationalen Strafgerichtshof zu beantragen.

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Frankreich

Flüchtlingslager soll geschlossen werden

Das Flüchtlingslager »la jungle« liegt in einem Waldgebiet nahe der Hafenstadt Calais. Zwischen 500 und 800 Menschen, überwiegend aus dem Irak, aus Afghanistan oder Eritrea, campieren dort unter Pappkartons und Planen. Viele von ihnen sind Teenager, die versuchen, in das nur 30 Kilometer entfernte Großbritannien zu gelangen. Am 23.4. besuchte der französische Minister für Immigration Eric Besson die Hafenstadt und kündigte die Schließung des Camps an, da es nicht zum wirtschaftlichen Wachstum der Region passe. Zwei Tage vor seinem Besuch hatte die Polizei in »la jungle« angeblich nach Schmugglern gesucht und etwa 200 Menschen festgenommen. Eine Sprecherin der NGO Salam verwies jedoch darauf, dass man dazu »nicht zwei Bulldozer und Abfuhrwagen« brauche. Sie vermutet, dass »die Polizei la jungle vor dem Besuch des Ministers säubern« wollte.

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Berlin

Öko-Porno-Bewegung sprengte Anarchistischen Kongress

In Berlin sollte vom 10. Bbis 13. April der Anarchistische Kongress unter dem Motto „Anarchismus im 21. Jahrhundert - Anarchie organisieren“ stattfinden.
Am Workshop "Anarchie und Sex“ gab es reges Interesse. Sex sei in unserer Gesellschaft kein einfaches Thema und mit vielen - meist berechtigten Ängsten - sowie mit Herrschaft verbunden.
Im Workshop ging es u.a. um die Konstruktion von Geschlechterrollen und deren Hierarchisierung. Dazu stellten einige Menschen ihr Projekt "Fuck for Forrest" vor.
"Fuck for Forrest" ist ein non-profit erotisches ökologisches Projekt von besorgten Menschen, die die Natur schützen und das Leben befreien wollen. Sie sammeln Geld, um die Natur durch die Erforschung und die Befreiung der Kraft von Sexualität und Nacktheit zu beschützen.

Bei der Projektvorstellung auf dem Kongress entkleidete sich ein Aktivist. Er wurde darauf hingewiesen, dass dies von einigen Workshop-Teilnehmenden als unangemessen empfunden wurde. Daraufhin wurden den Menschen, die ein Problem mit der Situation hatten, ein verklemmtes Verhältnis zu ihrem Körper unterstellt.
Am nächsten Kongress-Tag veranstalteten die "Fuck for Forrest"-Aktiven eine Nacktblockade, was zum Eskalieren des Konflikts und zum Abbruch des Kongresses führte.

Der Indymedia-Artikel mit der Überschrift „Historischer Tiefpunkt des dt. Anarchismus“ berichtete von einem problematischen Verständnis von Toleranz, individueller Freiheit und Hierachielosigkeit, das einen konsequenten Umgang mit sexualisierten Grenzüberschreitungen verhinderte.
Der Artikel endet mit dem Wunsch „Für einen Anarchismus, der mehr als Lifestyle ist!“.

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Deutschland

Ilse Aigner

Irgendwann war zur Kenntnis zu nehmen, dass Ilse Aigner ihrem CSU-Parteikollegen Horst Seehofer als Verbraucherschutzministerin nachgefolgt war, und dachte sich, das sei auch schon alles Wissenswerte gewesen. Inzwischen ist klar, dass die Elektrotechnikerin völlig unterschätzt wurde.
Erst sah man sie im Geiste angekettet an Metallgerüste auf dem Acker sitzen, mit Parteikollegen und Feldbefreiern, als sie die Genmaissorte MON 810 verbot. Vor 2 Wochen wurde sie vom Deutschen Brauer-Bund zur »Botschafterin des Bieres 2009« ernannt. Und nur wenige Tage später genehmigte sie Freilandversuche von BASF mit der Gen-Kartoffel Amflora, setzte sich damit offenbar gegen Horst Seehofer durch und machte den »Anti-Gen-Kurs« der CSU wieder kaputt.

Nimmt man die beeindruckende Liste der Vereine und Organisationen, die sich der Mitgliedschaft der Ministerin rühmen können, erkennt man auf Anhieb die unberechenbare, ja geradezu explosive Mischung aus Gutmenschentum (siehe Kolpingwerk Holzkirchen und Oekumenische Nachbarschaftshilfe), Provinzlertum (siehe Auer-Alm-Verein und Bund Deutscher Karneval) und militanter, mittelständischer Interessenvertretung (siehe Waldbesitzervereinigung und Hagelforschungsverein), für die Aigner steht.
Im Hagelforschungsverein ist die Ministerin Mitglied, einer gemeingefährlichen Gruppierung, die schon vor Jahrzehnten im Kreis Rosenheim »72 Abschussrampen für die Hagelraketen an der westlichen Landkreisgrenze«, »30 Bodengeneratoren«, »140 Hagelschützen« und einen »Hagelgeneral« in Stellung brachte, um Gewitterwolken unschädlich zu machen, und diese heutzutage von Flugzeugen aus mit Silberjodid beschießt. Zum Wohle der Bauern, versteht sich.
Vor Ilse Aigner kann nur gewarnt werden.

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Letzte Meldung

Staats-Geschenke

Geschenke sagen oft mehr über den Schenkenden aus, als dass sie passend für den sind, der sie kriegt. Barack Obama wurde jetzt vom venezolanischen Regierungschef Hugo Chávez mit dem linken 400-Seiten-Klassiker von Eduardo Galeano, »Die offenen Adern Lateinamerikas« bedacht. Das Buch über die Ausbeutung des Kontinents durch die USA und Europa schnellte daraufhin auf einen Spitzenplatz im Amazon-Ranking. Weil alle lesen wollen, was Obama vermutlich gar nicht liest. Oder hat er für den Geschichts-Nachhilfeunterricht noch Zeit, trotz Gassi gehen mit Wasserhund, Fitnessstudio, Regieren und mit Schurkenstaaten verhandeln? Umgekehrt allerdings ist auch Obama schon ins Fettnäpfchen getappt, als er der Queen einen I-Pod schenkte, und für den Premierminister Gordon Brown gab’s eine DVD-Box mit US-Kino-Klassikern, die Brown dann nicht zum Laufen brachte, weil sein Abspielgerät die Länderkennung nicht kannte.