Landraub - die neue Version von kolonialer Ausbeutung

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Wohlhabende Staaten, Unternehmen, Banken und Hedgefonds kaufen Ackerland in der 3. Welt als Investitions- und Spekulationsobjekt. Dies führt nicht zu einer Verminderung des HUngers weltweit, sondern im Gegenteil zu weiterer Armut und Unterversorgung.
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08:01 min, 15 MB, mp3
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Upload vom 31.01.2012 / 12:27

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Internationales, Umwelt, Politik/Info
Serie: Grünfunk (Greenpeace München)
Entstehung

AutorInnen: Sabine Will / Karolina Tzluticky (Greenpeace München)
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 24.11.2011
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Etwa 25.000 Menschen sterben jeden Tag an Hunger oder seinen Folgen - das bedeutet, dass eine Stadt wie München innerhalb von weniger als zwei Monaten ausgestorben wäre. Knapp eine Milliarde Menschen gilt als unterernährt, besonders in Südostasien und afrikanischen Ländern. Erst vor wenigen Monaten gab es wieder Spendenaufrufe für Betroffene der Hungersnot in Ostafrika; in Kenia, Somalia und Äthiopien sterben die Menschen an den Folgen von Unterernährung.
Die Vereinten Nationen wollen den Hunger bis 2015 halbieren. Schon jetzt geben die OECD-Staaten jährlich 100 Milliarden Dollar für Entwicklungshilfe aus. Aber die Menschen hungern weiter, denn viele Hilfsprojekte sind vor allem langfristig nicht wirkungsvoll. Außerdem scheint es, als pumpe man Gelder in ein Fass ohne Boden. Denn während in vielen Ländern noch immer Hunger herrscht, wird das letzte fruchtbare Ackerland an ausländische Investoren verhökert.

Besonders schlimm trifft es Afrika. Viele Gegenden des von ländlicher Armut geprägten Kontinents können selbst nicht genug Lebensmittel herstellen und sind auf Importe angewiesen. Doch gerade dort wird von den Gewinnern der Globalisierung in Ackerland investiert.

Die Spekulanten und Investoren sind staatsnahe Unternehmen, multinationale Konzerne aus dem Nahrungsmittel- und Agrarbereich, Agrotreibstoffhersteller und auch Banken und Hedge-Fonds aus Asien, Europa, den USA, Indien und den reichen arabischen Ländern. Staaten mit wenig fruchtbaren Böden wie Saudi Arabien und Katar nutzen Afrika für ihre landwirtschaftliche Produktion. Die explodierenden Nahrungsmittelpreise motivieren zusätzlich. Der Klimawandel und die damit verbundenen Umweltprobleme sowie die Ressourcenverknappung lassen Nahrungsmittel immer kostbarer werden. Also werden Investitionen in fruchtbares Ackerland für einen „langfristigen Vermögensaufbau“ getätigt. Die Dimensionen sind so enorm, dass bereits von einem „Ausverkauf“ in Afrika gesprochen wird, von sogenannten Landraub oder auch vom „outsourcing“ – in diesem Fall aber vor allem von Umweltproblemen. In Afrika sollen bereits über 30 Millionen Hektar Land an ausländische Konzerne verpachtet sein, welche ausschließlich für den Export bewirtschaftet werden.

Eine solche Zentralisierung von Nahrungsindustrie und Agrarhandel hat drastische Auswirkungen: Die Methoden der industriellen Landwirtschaft zur Steigerung der Nahrungsmittelproduktion, die auf Quantität statt Qualität setzen verursachen zahlreiche Umweltbelastungen. Dazu gehört das Auslaugen von Böden durch intensive Nutzung mit Monokulturen, Verunreinigung des Trinkwassers durch Chemikalien, Wasserverknappung durch Bewässerung der Felder, oder auch die Verringerung der Biodiversität. All diese Umweltprobleme haben die lokale Bevölkerung zu tragen - zusätzlich zum Verlust ihres Landes. Dadurch entstehen Konflikte um kostbare Ressourcen und in der Folge riesige Wanderbewegungen.

Das sieht man aktuell in Ostafrika. Dort herrscht die schlimmste Dürre seit 60 Jahren. Viele Menschen sind vom Hungertod bedroht, darunter 600.000 Kinder. Trotzdem wird von den afrikanischen Regierungen immer mehr Ackerfläche an ausländische Investoren vergeben. Äthiopien etwa, das momentan in Verhandlungen mit Unternehmen aus Italien, Malaysia und Südkorea steht. Die Ländereien, die verpachtet werden sollen, befinden sich im Süden des Landes, das noch nicht so stark von der Dürre betroffen ist. Bisher war es dort für die Bevölkerung noch möglich sich selbst zu versorgen - ein Privileg, das in Äthiopien selten geworden ist. Doch schon bald sollen dort Pflanzen für die Produktion von Nahrungsmitteln und Ökotreibstoffen angebaut werden. Das meiste davon wird in den Export gehen. Dazu hat die äthiopische Regierung rechtlich gesehen die Befugnis, denn in ganz Äthiopien gehört das Land dem Staat. Die Kleinbauern dürfen es zwar nutzen, aber keiner hat dafür ein verbrieftes Recht. Im Süden Äthiopiens liegt das Omo-Tal, in dem etwa 90.000 Menschen wohnen. Als Kleinbauern, Hirten und Jäger lebten sie bisher von dem, was das Land ihnen schenkte. Doch die Fruchtbarkeit ihres Tals hat sich herumgesprochen und Interessenten geweckt. Äthiopien hat mittlerweile knapp 200.000 Hektar - und damit den Großteil des Tals - verpachtet. Das meiste davon zur Erzeugung von Biosprit. Damit entzieht die Regierung den Bewohnern ihre Lebensgrundlage. Sie müssen nun fürchten von ihrem Land vertrieben zu werden - zu Hunger und Armut verdammt.

Die Lage im Omo-Tal ist kein Einzelfall: Mittlerweile befinden sich fast 10% der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Äthiopien in der Hand von internationalen Investoren. Ackerland in Afrika gilt als gute Investition, weil das Land billig zu haben ist und hohe Gewinne locken. Die Pachtraten liegen in Äthiopien zwischen einem und 30 Euro pro Hektar und Jahr. Im Vergleich dazu zahlt man in Deutschland bis zu 1.000 Euro. Außerdem gelten afrikanische Böden als sehr fruchtbar und ausländische Investoren können mit großzügigen Steuervergünstigungen rechnen. Doch alles geht auf Kosten der lokalen Bevölkerung. Mittlerweile sind neben Menschen in Somalia und Kenia auch 4,5 Millionen Menschen aus Äthiopien von der Hungerkatastrophe in Ostafrika betroffen. Und der Verkauf des Ackerlandes verschlimmert die Situation zusätzlich.

Die Regierung Äthiopiens versucht ihr Vorgehen zu verteidigen: Ausländische Investoren seien wichtige Partner für das Land. Äthiopiens Premierminister Zenawi hält den Vorwürfen entgegen, dass sich das Land niemals entwickeln könne, wenn es nicht auf Großinvestoren in der Landwirtschaft setze. Denn mit den neuen Herren der Ländereien kommen auch viele Versprechungen, etwas die Förderung der Bildung, der Ausbau der Infrastruktur oder die Schulung der Landarbeiter an modernen Maschinen. Sie sollen die Modernisierung und den Fortschritt in ein Land bringen, das sich bisher kaum in die weltweite Bewegung der Globalisierung eingebracht hat. Doch von den vielen Versprechen wurden nur wenige gehalten. Die Investoren sind meist nur auf der Suche nach dem größten Profit. Sie schlachten das Land aus und vernachlässigen die Bewohner, denen das Land über Generationen hinweg ihre Lebensgrundlage geboten hat. Die Mehrzahl der äthiopischen Kleinbauern sagt das Leben sei jetzt schlechter als zuvor. Denn durch die neuen Groß-Farmen gäbe es zwar Arbeit, doch freiwillig möchte dort keiner als Tagelöhner beschäftigt sein. Von einem Lohn von 60-80 Euro-Cent pro Tag kann man kaum leben.

Die Auswirkungen der heutigen Wirtschaftsweise mit ihrem umweltbelastenden Wachstumsmodell sind in der Geschichte einzigartig. Die in den Industrieländern praktizierte ressourcen- und energie-intensive Lebensweise lässt die Welt zum Warenhaus verkommen, das leider nur einigen Menschen zur Verfügung steht. Beunruhigend ist besonders, dass die Konsequenzen weder überblickt noch bewältigt werden. Was so zum Vorteil für die Einen wird, wird zum Verhängnis für die Anderen. Und solange diese Unsinnigkeiten nicht aufhören und die afrikanischen Einwohner weiterhin zu Opfern der großen Industrieländer degradiert werden, solange bleibt es Illusion, den Hunger auf der Welt verringern oder gar besiegen zu wollen.

Kommentare
28.11.2011 / 22:24 MoMa, coloRadio, Dresden
gesendet 28.11.2011
vielen dank.