Warum starb Ousman Sey?

ID 49920
 
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Am Freitag den 20.7. demonstrierten in Dortmund 250 Menschen in der Innenstadt. Sie forderten die Aufklärung der Todesumstände von Ousman Sey. Unter dem Motto “Warum starb Ousman Sey?” gedachten sie des aus Gambia stammenden Ousman Sey, der am 7. Juli im Polizeigewahrsam gestorben ist.
Audio
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mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 29.07.2012 / 22:07

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Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Antifa-Medienzentrum Dortmund
Kontakt: radio(at)nrdpl.org
Radio: Radio Nordpol DO, Dortmund im www
Produktionsdatum: 29.07.2012
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Am 7. Juli 2012 starb der aus Gambia stammende Ousman Sey im Dortmunder Polizeigewahrsam. Zuvor hatte Ousman Sey zwei Mal vergebens einen Krankenwagen gerufen, weil er sich schlecht gefühlt hatte. Nach dem ersten Eintreffen diagnostizierten die Rettungskräfte Herzrasen und attestierten ihm, noch kein Fall für das Krankenhaus zu sein.
Als Ousman Sey eine halbe Stunde später erneut einen Krankenwagen rief, litt er nach Angaben seines Bruders bereits unter Krampfanfällen. Außerdem begann er angeblich, in seiner Wohnung zu „randalieren“. Deshalb trafen Einsatzkräfte der Polizei gleichzeitig mit den Rettungskräften ein.
Diese attestierten Ousman Sey erneut, nicht ins Krankenhaus zu müssen – eine Untersuchung durch den Polizeiarzt im Gewahrsam reiche aus. Das geschah, obwohl eine im selben Haus wohnende Krankenschwester den Einsatzkräften klarzumachen versuchte, dass Ousman Sey dringend ins Krankenhaus gebracht werden müsse. In Polizeigewahrsam angekommen, brach Ousman Sey sofort zusammen und starb kurze Zeit später im Krankenhaus.
Angehörige und Freunde des Toten äußerten in der Lokalpresse den Verdacht der unterlassenen Hilfeleistung durch Rettungsdienst und Polizei aus rassistischen Motiven.
Die Leiter von Polizei und Feuerwehr, Norbert Wesseler und Dirk Aschenbrenner, wiesen dies umgehend zurück – ohne eingehende Prüfung der Ereignisse. Rassismus, so die Chefs von Feuerwehr und Polizei, habe in ihren Behörden keinen Platz und beeinflussen keineswegs die Handlungen der Einsatzkräfte.
Diese Aussagen zeugen von einer Abwehrhaltung, die eine konsequente Untersuchung der Todesumstände unwahrscheinlich erscheinen lässt. Praktiken wie das Racial Profiling, also die Auswahl von zu kontrollierenden Personen nach Hautfarbe und Aussehen, sind auch in der Dortmunder Polizei gang und gäbe”.
Auch in der Feuerwehr und im Rettungsdienst gibt es Rassismus – so wie auch in allen Teilbereichen der Gesellschaft. Der Vorgänger von Feuerwehrchef Aschenbrenner verlor seinen Posten als Leiter des städtischen Instituts für Feuerwehr- und Rettungstechnologie aufgrund seiner Kontakte zur militanten Dortmunder Neonaziszene.
Rassismus ist kein alleiniges Phänomen der extremen Rechten oder angeblicher „bildungsferner Schichten“! Er ist auch in der vielbeschworenen „Mitte der Gesellschaft“ fest verankert und bestimmt viel zu oft das Handeln staatlicher Stellen und Behörden!
Bisher ist unklar, ob das Fehlverhalten von Polizei und Rettungsdienst eine unterlassene Hilfeleistung aufgrund rassistischer Motive darstellt – oder „lediglich“ aufgrund einer gefährlichen Inkompetenz. Dies muss untersucht werden. Und deshalb demonstrierten am 20.7. 250 Menschen in der Innenstadt.
Vom Startpunkt am Nordausgang des Hauptbahnhofs führte die Demonstration zunächst zur Feuerwache an der Steinstraße. Von dort waren die Sanitäter ausgerückt, die Ousman Sey den Transport ins Krankenhaus verweigert hatten. Dort wurde die Stellungnahme eines Herzspezialisten verlesen. Darin hieß es
Im Gegensatz zur Aussage des Feuerwehr-Chefs Dirk Aschenbrenner gehört es hoffentlich nicht zum Standard der Dortmunder Feuerwehr, bei festgestelltem Herzrasen den Patienten in der Wohnung zu belassen bzw. von der Polizei in Gewahrsam nehmen zu lassen.
Herzrasen ist immer als bedrohliches Symptom zu werten. Die Unterscheidung zwischen gefährlichem und ungefährlichem Herzrasen kann letztlich nur nach ärztlicher Untersuchung getroffen werden, auch der Umstand, ob das Herzrasen nicht Ausdruck einer bedrohlichen Erkrankung ist.
Von der Feuerwache zog die Demonstration weiter zu Nordwache der Polizei. Auch dort wurde in Redebeiträgen Aufklärung gefordert und die Frage nach rassistischen Praktiken der Polizei gestellt. Weiter ging die Demonstration über weitgehend unbelebte Strassen zum Friedensplatz um schließlich an der Reinoldikirche zu enden.
Die Polizei hatte der Demonstration starke Einschränkungen auferlegt. Das Anliegen, die Fragen zu Ousman Seys Tod in der Öffentlichkeit der Innenstadt zu stellen, hat die Polizei durch ihre Auflagen weitestgehend verhindert. Die auf dem Alten Markt geplante Abschlusskundgebung durfte dort nicht stattfinden. Es drängt sich fast der Eindruck auf, dass die Polizei ihre Machtposition als Versammlungsbehörde dazu ausnutzt, Kritik zu unterdrücken.
Die Demonstranten ließen sich jedoch nicht beirren. Besonders die Möglichkeit, auch spontan ans Mikrofon zu treten, wurde rege genutzt. Menschen aus der schwarzen Community, antirassistische und antifaschistische Aktivisten und viele weitere Teilnehmer nutzten die Gelegenheit, ihre Gedanken zum Tod von Ousman Sey zu formulieren.
Die Organisatoren der Demonstration sehen diese als Startpunkt. Sie wollen weiter Fragen stellen und auf Aufklärung des Falles drängen - auch wenn dies angesichts des vorhandenen behördlichen Rassismus unwahrscheinlich erscheint.