Verhaftung wegen FreeTekParty oder Antifasportgruppe?

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Das Landeskriminalamt Sachsen (LKA) hat am 20. Dezember einen der 21 Beschuldigten im laufenden Verfahren wegen der "Bildung einer kriminellen Vereinigung", der sogenannten Antifasportgruppe, nach einer nicht angemeldeten FreeTekParty festgenommen. Der Verhaftete hatte zudem früher als Radiomacher eine regelmäßige Musiksendung bei coloRadio.
Kopf dieser sogenannten Antifasportgruppe sollte zwischenzeitlich der Jenaer Jugendpfarrer Lothar König gewesen sein. Lothar König muss nun ab 4. März wegen "nur" noch schweren Landfriedensbruchs im Zuge der Blockaden gegen den Dresdner Naziaufmarsch am 19. Februar 2011 vor das Amtsgericht Dresden.
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mp3, 125 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 04.01.2013 / 18:02

Dateizugriffe: 1090

Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Musik, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: AL
Radio: coloradio, Dresden im www
Produktionsdatum: 04.01.2013
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Länge: (anders als oben angegeben) 7:00 min

Verhaftung wegen FreeTekParty oder Antifasportgruppe?

Festnahme eines der 21 Beschuldigten im laufenden Verfahren wegen der "Bildung einer kriminellen Vereinigung" am 20. Dezember in Dresden:

Das Landeskriminalamt Sachsen (LKA) hat am 20. Dezember einen der 21 Beschuldigten im laufenden Verfahren wegen der "Bildung einer kriminellen Vereinigung" vorläufig festgenommen. Wie ist es dazu gekommen:

Am 1. Dezember, ein Samstag, tanzten in Dresden-Klotzsche in der Nähe des Flughafens 150 Leute auf einer FreeTekParty in den Kellerräumen eines leerstehenden Gebäudes an der Straße "Zum Kraftwerk" früh vor 3 Uhr zu elektronischer Musik. Die Polizei sah dies als illegal an und wollte die Party an diesem Samstag morgen auflösen.
Die Polizeiversion des Geschehens sieht dabei, wie man in der Sächsischen Zeitung lesen konnte, folgendermaßen aus: Als die Polizisten die Personen zur Seite schieben wollten, griff ein Mann (26 Jahre) einen Polizisten an. Er umklammerte den 33-Jährigen von hinten und würgte ihn. Erst als umstehende Personen eingriffen, ließ der Angreifer los. Obwohl er zurückgedrängt wurde, schlug er den Beamten mit der Faust ins Gesicht und entkam zunächst unerkannt. Später stellten sie den Angreifer erneut fest. Als sie seine Personalien erheben wollten, beleidigte er die Beamten, schlug angeblich wild um sich und trat nach ihnen und traf einen Beamten am Kopf. So die Version der Polizei, die von anderen Partygästen nicht geteilt wurde. Die Polizei ermittelte jedenfalls wegen Hausfriedensbruch, Körperverletzung, Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und Beleidigung. Die Polizeiversion der Räumung der FreeTekParty ist auch daher anzuzweifeln, weil gerade auch in der Vergangenheit immer wieder Anzeigen wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte sehr willkürlich vergeben wurden. Die Polizei, die später vor Gericht als neutraler glaubwürdiger Zeuge auftritt, ist hier aber gleichzeitig eine Partei innerhalb einer Auseinandersetzung, die hier eben nicht neutral ist und ihre Autorität auf Grund von Amt und Uniform für sich nutzen kann.
Außerdem gehört derjenige, der die Polizisten angegriffen haben soll, zu den 21 Beschuldigten im laufenden Verfahren wegen der "Bildung einer kriminellen Vereinigung", auch bekannt als Antifasportgruppe. Wie gesagt, er ist deswegen nicht verurteilt und das Verfahren läuft und wahrscheinlich wird auch niemand wegen dieser angeblichen "kriminellen Vereinigung" verurteilt werden können, weil diese "kriminellen Vereinigung", diese Antifasportgruppe, wohl mehr in der Fantasie der Ermittlungsbehörden besteht, aber dazu später mehr.

Jedenfalls waren dem, der nach Polizeiangaben die Polizisten angegriffen haben soll, wegen dem Urteil aus einem anderen Verfahren Bewährungsauflagen auferlegt worden. Nun gab es also einen Grund, die Bewährungsstrafe in eine Haftstrafe umzuwandeln. Dies wurde umgesetzt, indem das Amtsgericht Dresden am 6. Dezember einen Haftbefehl ausgestellte. Der Beschuldigte wurde bei einem Termin im Job Center vom LKA Sachsen festgenommen. Es wurde nicht versucht, ihn an seiner Meldeadresse festzunehmen. Auf indymedia ist zu lesen, dass "zum Jahresbeginn 2013 sich ca. 25 GenossInnen an den Gefängnismauern der JVA Dresden versammelten um den Inhaftierten knallige und solidarische Grüße zu übermitteln. Mit einem Megaphon wurde noch vor dem Silvester-Countdown ein Grußwort über die 6 Meter hohe Mauer der JVA Dresden gesendet. [...] Außerdem wurden unsere zwei inhaftierten Genossen [...] mit solidarischen Neujahreswünschen gegrüßt", so schreibt die Rote Hilfe. Dem möchte ich mich als coloRadiomacher anschließen, zumal der, der nach Polizeiangaben die Polizisten angegriffen haben soll, sozusagen ein ehemaliger Kollege ist, der früher bei coloRadio eine regelmäßige Musiksendung hatte.

Aber wie gesagt, der nach Polizeiangaben auf der FreeTekParty die Polizisten angegriffen haben soll, war auch einer der 21 Beschuldigten im laufenden Verfahren wegen der "Bildung einer kriminellen Vereinigung", genannt Antifasportgruppe.
Laut § 129 StGB ist die "Bildung einer kriminellen Vereinigung" strafbar, und zwar bis zu 10 Jahren. In § 129 StGB Absatz (1) heißt es:

(1) Wer eine Vereinigung gründet, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen, oder wer sich an einer solchen Vereinigung als Mitglied beteiligt, für sie um Mitglieder oder Unterstützer wirbt oder sie unterstützt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Hierin sind allein schon mal viele Dinge, die Auslegungssache sind. Z.B., wann unterstütze ich die "kriminellen Vereinigung"?, wie definiere ich deren Mitglieder, die stehen sicher nicht im Vereinsregister und eine interne Mitgliederverwaltung wird diese "kriminellen Vereinigung" auch nicht haben. Und die Mitgliedschaft in der "kriminellen Vereinigung" ist schon strafbar, wenn diese noch gar keine Straftaten begangen hat. Na ja, am Ende urteilt das Gericht über die Fälle. Aber die Polizei hat ein tolles Werkzeug zu ermitteln und zu ermitteln, ob es danach rechtskräftige Urteile geben wird, ist ja erstmal egal. Und zum Ermitteln muss man sich nur einen Verdacht ausdenken und schon kann man als Polizei ganz legal Telefongespräche überwachen und Hausdurchsuchungen durchführen, auch bei politisch aktiven Leuten. Kurz gesagt, der Staat kann bei politisch nicht genehmen Leuten rumschnüffeln.

Die Antifasportgruppe ist so ein Beispiel. Das Landeskriminalamt Sachsen ermittelt seit Mai 2010 gegen sie. Angeblich soll sie als Gruppe Jagd auf Neonazis machen. Das Nachrichtenmagazin der Spiegel schrieb am 19. November einen Artikel Phantomjagd. Dort steht, wie es dazu kam:
"Demnach behauptete der sächsische Neonazi Toni Beger Ende 2009 gegenüber der Polizei, dass sich im Dresdner Fitnessstudio Vollfit radikale Linke träfen, die Antifa-Sportgruppe. Einige Monate später leitete die Staatsanwaltschaft ein Verfahren nach Paragraf 129 ein. [...] Eine lange Reihe von Straftaten wird der Antifa-Sportgruppe zugeschrieben: Angriffe auf Polizisten, eine Schlägerei vor einer Discothek, Brandstiftung."
Kopf dieser Antifasportgruppe sollte zwischenzeitlich der Jenaer Jugendpfarrer Lothar König gewesen sein.
Lothar König muss nun ab 4. März wegen "nur" noch schweren Landfriedensbruchs im Zuge des 19. Februar 2011 vor das Amtsgericht Dresden. Die Nachricht kam kurz vor Weihnachten. 6 Verhandlungstage sind angesetzt.

Kommentare
05.01.2013 / 16:56 AL, coloRadio, Dresden
Zu kurz im Beitrag kam folgender Aspekt
Die offizielle Pressemitteilung der sächsischen Behörden http://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/179739 liest sich ein Bisschen so wie **Endlich können wir einen Fall präsentieren, der unser Konstrukt der Antifasportgruppe doch irgendwie legitimiert. Und wenn es jemand war, von dem wir sagen können, er habe bei einer Party wild um sich geschlagen.**
 
20.01.2013 / 02:05 AL, coloRadio, Dresden
wieder frei
Das Landgericht hat den Haftbefehl des Amtsgerichts zurückgezogen. Der ehemalige Gefangene ist wieder frei.