Gersters Abgang: Der Neue ist der Alte

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Der Chef der Bundesanstalt für Arbeit Florian Gerster muss gehen. Aber warum, dass weiß eigentlich im Nachhinein wirklich keiner mehr so genau.
Beraterverträge hat er abgeschlossen, dass ist zwar nicht das Problem, sondern, dass er sich dabei nicht an die Regeln gehalten habe. Jetzt heißt es, auch das sei eigentlich nicht so wichtig gewesen. Ja was denn nun. Warum musste er gehen der Gerster - und wer profitiert möglicherweise von seinem Abgang - und wer nicht.
Das fragt sich Radio-Z-Kommentator Michael Liebler auch. Ein Nachruf auf Florian Gerster....
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Upload vom 26.01.2004 / 18:41

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Serie: zip-fm - Einzelbeitrag
Entstehung

AutorInnen: Michael Liebler
Radio: RadioZ, Nürnberg im www
Produktionsdatum: 26.01.2004
keine Linzenz
Skript
Was hat er denn nun eigentlich falsch gemacht. Waren womöglich wirklich nur ein paar Akten nicht richtig abgeheftet, wie er behauptete? Florian Gerster selbst wenigstens sieht sich zu Unrecht verfolgt. Sein Rausschmiss sei die Folge einer Intrige, glaubt er.

Ja und wirklich: Immerhin beraumte der Verwaltungsrat die Sitzung am Samstag, die über Gersters Zukunft und die Zukunft der Bundesanstalt entscheiden sollte ja an, weil Beraterverträge nicht ordnungsgemäß ausgeschrieben waren. Doch dann argumentierten die Ankläger gar nicht mehr mit den 40 Millionen Euro schweren Verträgen - es waren ja auch nur zwei von ihnen, die wirklich beanstandet wurden - sondern präsentierten Gerster ein umfangreiches Sündenregister, dessen Quintessenz der Vertrauensverlust des Verwaltungsrates und der Imageschaden in der Öffentlichkeit war.

Gegen den geschassten Chef der Nürnberger Behörde, das wurde im Vorfeld klar, schossen vor allem die Konservativen und die FDP, die sich politischen Profit davon versprachen, den SPD-Mann loszuwerden. Nach dem Motto: Man muss halt nur lange genug Mist vor der Türe des Gegners aufhäufen damit es durchs Dorf stinkt. Also - welches Fazit bleibt denn schon übrig - Gerster ist halt ein politisches Bauernopfer. Am Ende ließ ihn auch Wirtschaftsminister Wolfgang Clement fallen, und der Kanzler der bis dahin fein zur Sache geschwiegen hatte, findet nun auch richtig, dass er gehen muss. Armer Florian Gerster.

Dabei: Eines wirft dem Geschassten kaum jemand vor: Dass er bei alldem nicht auch gute Arbeit geleistet habe.

Wir erinnern uns, er war ja angetreten mit dem Versprechen die Bundesanstalt für Arbeit zu modernisieren. Wieviele Millionen er dafür auch an Berater ausgegeben haben mag: Dieses Versprechen hat er gehalten und modernisiert was das Zeug hält. Warum eigentlich, so kann man sich fragen, wirft man ihm nun den freizügigen Umgang mit Beraterverträgen vor, wenn das doch gerade zu einer modernen Betriebsführung gehört. Hat denn jemand nachgerechnet, wieviel Gersters Maßnahmen eingespart wurden, welche Einsparungen noch zu erwarten sind?

Ein Beispiel: 2003 gelang es ihm die Zuschüsse an die Bundesanstalt aus dem Bundeshaushalt niedriger zu halten, als dies selbst von Bundesfinanzminister Eichel erwartet worden war. Das ist doch was. Das ist doch eine Leistung. Alles vergessen?

Und wie hat er das geschafft? Nur einige Punkte aus seiner Bilanz: Das Abdrängen von Arbeitslosen in Billiglohnjobs - rund sechs Millionen solcher schlechtbezahlten Stellen solle es angeblich inzwischen geben- und in Ich-AGs, Bereinigung der Statistik - knapp eine halbe Millionen Menschen wurden aus der Arbeitslosenstatistik herausbereinigt, die angeblich dem Arbeitsmarkt nicht mehr zur Verfügung stehen, die Vorbereitung des Arbeitslosengelds II, durch das 1,7 Millionen Menschen schlagartig auf Sozialhilfeniveau herabgedrückt werden, wie der paritätische Wohlfahrtsverband vorrechnete. Und - eine besonders perfide Erfolgsqote: Um ein Drittel häufiger wurde in diesem Jahr Arbeitslosen die lebensnotwendige Unterstützung gesperrt - z.B. wegen Fristversäumnissen und am allerhäufigsten, weil sie Jobs als unzumutbar empfanden und daher ablehnten.

Wie gesagt. Diese Leistungen des Modernisierers kritisierte auch wirklich niemand von denen, die ihn nun haben stolpern lassen. Nicht der Verwaltungsrat, und nicht die Regierungskoalition, die Gerster einst aufs Schild gehoben hatte. Aber auch nicht die FDP und die Konservativen. Ach doch: Angela Merkel bemerkte Gerster sei in der Reform gescheitert. Nötig, so die CDU-Chefin, sei ein tief greifender Reformprozess, der die Menschen mitnehme. Vielleicht könnten Arbeitslose ja der Ansicht sein, sie seien schon mitgenommen genug.

Deren Meinung interessiert freilich politisch Verantwortliche im Jahr 2004 nicht mehr. Und wenn es jetzt darum geht einen neuen Chef für die Bundesanstalt zu finden, dann wird es einer sein müssen, der beharrlich da weiterarbeitet, wo Gerster aufgehört hat. An einem Katalog der Grausamkeiten. Ob mit oder ohne Beraterfirmen. Für die Betroffenen bleibt deshalb der neue Boss der Bundesanstalt auch der Alte.