Sachsensumpf-Ermittlungen durch Ex-Justizminister Geert Mackenroth beinflusst?

ID 61139
2. Teil
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Am 8.1.2014 vernahm der Sachsensumpf-Untersuchungsausschuss 2 Zeugen: Oberstaatsanwalt Wolfgang Schwürzer und einen Mitarbeiter des sächsischen Verfassungsschutzes. Dabei standen neue Akten zur Verfügung, aus denen hervorgeht, dass es wohl direkte Anweisungen aus dem Justizministerium an die Staatsanwaltschaft gab, Ermittlungen zu beeinflussen. Der Rechtsanwalt der damaligen Referatsleiterin Organisierte Kriminalität (OK) beim Verfassungsschutz Thomas Giesen, teilte Oberstaatsanwalt Schwürzer mit, dass er rechtliche Schritte gegen ihn einleiten werde.
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Klassifizierung

Beitragsart: Reportage
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: AL
Radio: coloradio, Dresden im www
Produktionsdatum: 09.01.2014
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Läge des Beitrages: 12:54 min
00:00-01:48 Einleitung
01:48-04:07 Karl Nolle
04:07-06:48 Hintergründe
06:48-12:54 Einzelheiten der U-Ausschusssitzung

siehe auch:

Ausschuss-Update: Sachsensumpf, NSU und Verfassungsschutz (20.2.2013)
http://www.freie-radios.net/53860

Ermittlungen gegen Sachsensumpf-Ermittlerin und Schwund beim VS (9.1.2013)
http://www.freie-radios.net/53065


Der Text:

Sachsensumpf-Ermittlungen durch Ex-Justizminister Geert Mackenroth beinflusst?

Am Mittwoch, den 8.1.2014, war wieder eine Sachsensumpf-Untersuchungsausschusssitzung unter Leitung des Linken Klaus Bartl. Diesmal wurden 2 Zeugen vernommen: Der Oberstaatsanwalt Wolfgang Schwürzer von der Generalstaatsanwaltschaft Dresden, der in Fortsetzung einer Vernehmung vom 4.12.2013 vernommen wurde, und außerdem wurde vernommen ein Mitarbeiter des sächsischen Verfassungsschutzes (VS).

Dabei standen den Untersuchungsausschussmitgliedern neue Akten zur Verfügung, aus denen hervorgeht, dass es wohl direkte Anweisungen aus dem Justizministerium an die Staatsanwaltschaft gab, Ermittlungen zu beeinflussen. Der Untersuchungsausschuss begann am 8.1. um 10:00 Uhr. Der Rechtsanwalt der damaligen Referatsleiterin Organisierte Kriminalität (OK) beim Verfassungsschutz, Simone Skroch, damals Simone Henneck, und ehemaliger Landesdatenschutzbeauftragter Thomas Giesen, der diese neuen Akten auch einsah, war kurz anwesend um Herrn Oberstaatsanwalt Wolfgang Schwürzer mitzuteilen, dass er rechtliche Schritte gegen ihn einleiten werde, mindestens ein Disziplinarverfahren. Hier geht es darum, dass Simone Skroch am 3. Juli 2007 als Zeugin aussagen sollte, ohne dass sie informiert wurde, dass gegen sie ein Verfahren eröffnet werden sollte, weswegen sie als Beschuldigte andere Rechte, z.B. der Aussageverweigerung, hätte.
RA Thomas Giesen ließ außerdem ein Schreiben im Ausschuss verlesen, in dem er schrieb, dass der Ausschuss nun Beweise hat, dass Justizminister Geert Mackenroth einen angeblich unabhängigen Landgerichtspräsidenten aus Waldshut-Tiengen (Baden-Würtemberg), also Wolfgang Eißer, beauftragt hat, heimlich Informationen von Simone Skroch zu erlangen.

Hören wir Karl Nolle (SPD) zur neuen Aktenlage:

--o-Ton Karl Nolle--

Die Hintergründe:

Der Sachsensumpf, ist der Name einer Korruptionsaffäre, die noch nicht aufgeklärt ist. Bald wurde gesagt, die Vorwürfe hätten sich als heiße Luft entpuppt. 2 Journalisten, die darüber berichtet hatten, wurden wegen Verleumdung und übler Nachrede angeklagt. Im Dezember 2012 wurden sie dann freigesprochen. 2 Zwangsprostituierten des Jasmin aus den 90er Jahren wurde nicht geglaubt und sie wurden selbst wegen Verleumdung angeklagt. Dann wurde dieses Verfahren doch eingestellt, weil die beiden Opfer und Hauptzeugen als dauerhaft verhandlungsunfähig erklärt wurden. [[In der ursprünglichen Version stand hier ein falscher Satz. Sorry. Am 14.1. entfernt und Audiobeitrag korrigiert]]

Dem Sächsischen Landtag beschäftigt diese Affäre als 2. Untersuchungsausschuss weiterhin.

Beim Verfassungsschutz gab es bis zum 28. Mai 2006 ein Referat Organisierte Kriminalität (OK). Im Mai 2007 erfuhr die Öffentlichkeit, dass die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) über den weiteren Umgang der Daten aus dem Referat Organisierte Kriminalität des Verfassungsschutzes entscheiden müsse, nachdem der sächsische Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig diese Datensammlung entdeckte. Dies hieß fortan Sachsensumpf. Dies wurde damals dann schnell hochgekocht, auch vom damaligen Innenminister Albrecht Buttolo, der sofort anordnete, alle Erkenntnisse aufzuarbeiten und den Strafverfolgungsbehörden abzugeben. Problem hierbei war allerdings, dass der Verfassungsschutz Quellenschutz betreibt und die Staatsanwälte, wenn sie es gewollt hätten, nicht so einfach an die Klarnamen rangekommen wären. Außerdem lagen mögliche Straftaten bis Anfang der 90er Jahre zurück. Bald wurde der Sachsensumpf von offizieller Seite allerdings als bloß "heiße Luft" einer übereifrigen Ermittlerin runtergestuft, gegen die dann in mehreren Verfahren selbst ermittelt wurde, unter anderem wegen Verleumdung, Falschaussage, Verfolgung Unschuldiger und Verrat von Dienstgeheimnissen.

Zeitgleich zum Sachsensumpf-Untersuchungsausschuss läuft ja auch der 3. Untersuchungsausschuss, welcher der NSU-Untersuchungsausschuss ist. Das Problem der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse, die ja nicht strafrechtlich verurteilen sondern Fehlverhalten von Behörden aufklären sollen, ist, dass der Untersuchungsausschuss hauptsächlich nur die Akten der Behörden, sei es Verfassungsschutz, Polizei oder Staatsanwaltschaft, zur Verfügung hat, die im zur Verfügung gestellt werden. Befragte Zeugen sind meist selbst Mitarbeiter von hierarchisch organisierten Behörden, sodass ein Zeuge vermeintlich nicht weiß, was Vorgesetzte oder Untergeben tun bzw. ist es sicherlich einer Berufskarriere nicht förderlich, wen jemand zu viel aussagt.

Gehen wir nun auf die Einzelheiten des Sachsensumpf-Untersuchungsausschusses vom 8.1. ein:

In den neuen Akten war also z.B. eine E-Mail enthalten, die Wolfgang Eißer am 23.1.2008 an Justizminister Geert Mackenroth geschrieben hat. Dort heißt es, dass Eißer mit Zeuge Wolfgang Schwürzer gesprochen hat, dass sein Misstrauen bestätigt wurde, dass erst Gerüchte durch H und W zusammengetragen wurden, gemeint sind hier die OK-Ermittlungen der OK-Leiterin beim VS, die jetzt Simone Skroch heißt und Kriminalhauptkommissar Georg Wehling, der mit der VS-Quelle Gemag in Verbindung gebracht wird. Weiter heißt es in der E-Mail, Vorsicht bei der Zeugenvernehmung und Eißner würde seine Ansichten auch mündlich an Minister Mackenroth übermitteln. Diese E-Mail vom 23.1.2008 wurde am 29.1.2008 an Ermittler Schwürzer weitergeleitet.

Die OK-Ermittlerin Skroch war zu dieser Zeit krank. Am 6.2.2008 hat Wolfgang Eißer eine E-Mail an Wolfgang Schwürzer geschickt (Handakte ADS 72 Ordner 15 Blatt 130), in der er Auskunft zum Gesundheitszustand von Skroch wollte. Ein oder 2 Tage später rief Schwürzer die Hausärztin von Skroch an, um an die Krankeninformationen zu gelangen.

Wolfgang Schwürzer verneinte zwar, dass nur in Fällen ermittelt wurde, die in den Medien vorkamen. Allerdings fanden nach einer Auflistung vom 6.5.2008, die heute sicher nicht viel länger wäre, 27 % aller Ermittlungen zum Fallkomplex Abseits III (Leipzig) statt, also dem Bereich, in der Journalisten schon viel recherchiert hatten. Zum Fallkomplex Abseits II (Plauen) gab es nur einen Eintrag. 60 % der Einträge sollen Prüfungen gewesen sein und 40 % Abwehrverfahren gegen Journalisten.

Gegen OK-Ermittlerin Simone Skroch wurden mehrere Ermittlungsverfahren 3 Jahre lang schwebend geführt und nicht zuende gebracht. Hier ist also die Frage, ob damit bewusst die Ermittlerin geschädigt werden sollte. Erst 2013 wurde gegen Simone Skroch ein erneutes Ermittlungsverfahren vom Dresdner Staatsanwalt Christian Kohle eingeleitet, weil dieser vor seinem Weggang aus der Generalstaatsanwaltschaft den Fallkomplex noch beenden sollte. Wolfgang Schwürzer und Christian Kohle hatten 2008 die beiden Zwangsprostituierten aus dem Jasmin vernommen, ihnen dann aber nicht geglaubt. Christian Kohle, so teilte es Wolfgang Schwürzer dem Untersuchungsausschuss mit, wurde im Oktober 2013 ins sächsische Justizministerium befördert und hat nun die Dienstaufsicht über die Staatsanwaltschaften.

Zur Widerlegung des Sachsensumpfes wurde oft die geringe Zahl an Quellen angeführt. Eine Quelle soll Gemag gewesen sein, hinter der sich Kriminalhauptkommissar Georg Wehling verbergen soll. Allerdings hatte Simone Skroch ausgesagt, dass sich hinter Gemag mehrere Personen und nicht nur Wehling verbergen sollen.

Wolfgang Schwürzer sagte aus, dass er die Aussagen der beiden Zwangsprostituierten aus dem Jasmin nach der ersten Vernehmung am 14.1.2008 anfangs glaubwürdig fand, Herr Kohle ihm aber erstmal riet, alles sacken zu lassen und dass Schwürzer das Justizministerium nach der Vernehmung informiert hatte, von dort aber keine Anweisungen entgegengenommen hätte. Die erste Frage bei der Vernehmung soll die Frage nach den Journalisten Arndt Ginzel und Thomas Datt gewesen sein. Es ging z.B. auch um das Kassenbuch das im Jasmin gefunden wurde. Schwürzer findet die Aussagen der Zwangsprostituierten am vom 14.01.2008 jetzt unglaubwürdig, weil sie sich nicht mit den Eintragungen im Kassenbuch decken würden. Die Zwangsprostituierten hätten ausgesagt, es wurde 400 bis 500 DM gezahlt, im Kassenbuch soll 400 DM gestanden haben. Schwürzer sieht hier eine Differenz und damit Unglaubwürdigkeit zwischen 400 DM im Kassenbuch und der Aussage "zwischen 400 und 500 DM. So gibt es weitere ähnliche haltlose Punkte, an denen die angebliche Unglaubwürdigkeit der Aussagen der Opfer festgemacht wird. Aus Zeitgründen konnten diese Fakten nicht weiter erörtert werden, Oberstaatsanwalt Wolfgang Schwürzer soll aber an einem anderen Tag weiter vernommen werden.

Beim Sachsensumpf-Untersuchungsausschuss am 8.1.2014 wurde außerdem noch ein Zeuge befragt, der auch heute noch Verfassungsschutzmitarbeiter ist. Ihm war Simone Skroch damals 2007 untergeben, aber er hatte keinen inhaltlichen Einblick in ihre Arbeit zum Sachsensumpf, musste aber Unterschriften ohne Prüfung leisten, wogegen er vorher protestiert hatte, weil er keinen inhaltlichen Einblick in das Unterschriebene hatte. Zur Arbeit von Skroch in der Abteilung Ausländerextremismus, von der Skroch dann zusätzlich Leiterin war und in der der Zeuge Einblick hatte, hatte der Zeuge keine Kritik. Simone Skroch soll nicht schlampig gearbeitet haben. Er beschrieb sie als engagiert und zuverlässig. Eine Erklärung, warum die Beyer-Irrgang-Gutachter ihn als Unwissenden und nicht Skroch befragten, hatte er nicht.

Die nächste Sitzung, die 46., des 2. Untersuchungsausschusses soll am 5. Februar 2014 im sächsischen Landtag sein.

Kommentare
10.01.2014 / 17:22 Redaktion Freitags-Sonar, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
Danke !!!
Freitag, 10.01.2014, in Sonar gespielt.