Verbot sexistischer und diskriminierender Werbung in Erfurt - Karola Stange (Die Linke) im Interview

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Am 20. Januar hat die Linke im Erfurter Stadtrat einen Antrag zum Verbot sexistischer, diskriminierender und frauenfeindlicher Werbung in eingereicht. Sämtliche Fraktionen begrüßten die Diskussion und entschieden, das Thema weiter in den Ausschüssen zu besprechen. Darüber und über Ad-busting sowie Werbung im öffentlichen Raum sprachen wir mit Karola Stange, stellvertretende Vorsitzende der Linken im Erfurter Stadtrat.
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14:37 min, 27 MB, mp3
mp3, 256 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 05.02.2016 / 16:21

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Klassifizierung

Beitragsart: Interview
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Frauen/Lesben, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Martin Lehmann
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 05.02.2016
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Das Thema sexistische und diskriminierende Werbung ist nicht neu und wurde in der Vergangenheit bereits mehrfach diskutiert, wie in Bremen, Ulm oder in Österreich, seit einigen Jahren engagiert sich beispielsweise die Initiative PINKSTINKS aktiv am Dialog mit dem Deutschen Werberat - was war der Anlass, ausgerechnet jetzt diesen Antrag im Stadtrat zu stellen?

Karola Stange: Es gibt zwei Anlässe: Erstens ist das Verbot sexistischer Werbung für die Linke in den letzten Jahren schon immer ein Thema gewesen, was wir im Stadtrat aber auch auf Landesebene aufgegriffen haben. Zweitens: Die DSM (Deutsche Städte Medien / Ströer) hat einen Vertrag mit der Stadt seit über 20 Jahren, um öffentliche Werbeflächen zu gestalten. Dieser Vertrag ist gekündigt, wird neu ausgeschrieben und wir als Stadträtinnen und Stadträte haben eingefordert, uns nochmal inhaltlich die Ausschreibung anzuschauen, um auf die Ausschreibungskriterien Einfluss zu nehmen. In dem Zusammenhang ist der Antrag entstanden, weil wir sagen, es kann nicht sein, dass auf städtischen Werbeflächen sexistische Werbung gehangen oder geklebt wird. Genau diese soll als Verbot mit in die Ausschreibung mitaufgenommen werden.


Welche Rolle spielten die bisherigen Diskussionen und Entscheidungen in anderen Orten wie Österreich, Ulm oder Berlin-Kreuzberg bei der Antragsformulierung?

KS: Wir haben uns an den Anträgen orientiert. Ich denke, das ist eine gute Variante auch in die Städte zu schauen, die einfach ein bisschen weiter sind als Erfurt. Wir haben auch ein Stück nach Freiburg geschaut, dort ist sexistische Werbung schon seit längerem verboten. Man muss das Fahrrad ja nicht immer neu erfinden, man kann gute Dinge auch kopieren.


Sie erwähnten ja, dass das auf Landesebene auch immer mal wieder besprochen wird. Wie sieht es denn da aus, ist da was im Gange?

KS: Ja und nein, da das Land ja nicht direkt einen Vertrag mit einem Werbepartner abschließt. Das wird ja in den Städten gemacht. Da können wir nur empfehlenden Charakter geben. Ich habe mich mit der Gleichstellungsbeauftragten des Landes Katrin Christ-Eisenwinder verständigt, dass wir das auch nochmal gern mit Gleichstellungsbeauftragten in den Kommunen und Landkreisen diskutieren wollen, um auch hier nochmal Ideen der kommunalen Akteure aufzunehmen in die Landespolitik. Damit die uns sagen können „Hier müsstet ihr aufpassen, hier müsstet ihr nochmal nachjustieren“. Wir wollen das Thema gern in einer der nächsten Sitzungen im Gleichstellungsausschuss im Thüringer Landtag auf die Tagesordnung setzen, weil ich denke, man muss es immer und immer wieder ansprechen. Nur dann wird das Thema auch in der Öffentlichkeit sensibler behandelt.


Nun haben sämtliche Fraktionen im Stadtrat positiv hervorgehoben, dass über sexistische und diskriminierende Werbung diskutiert wird und sich dafür ausgesprochen, darüber weiter im Wirtschafts- und Sozialausschuss zu sprechen. Was halten Sie davon, dass über den Antrag nicht in der Sitzung abgestimmt worden ist?

KS: Da habe ich im Vorfeld auch zugestimmt, dass wir das mit in den Ausschuss nehmen. Die Verwaltung hat in ihrer Stellungnahme zu unseren Antrag sinngemäß formuliert, man müsse sich jetzt nochmal genau den Text anschauen und überlegen, wie das in die neue Ausschreibung dieses Vertrags reinkommen könnte. Da habe ich gesagt, ok. Da wir zwar unter Zeitdruck stehen, aber noch nicht in der wirklichen Not waren im Januar darüber abzustimmen, haben wir als Linke gesagt, es ist in Ordnung, wenn wir jetzt im Februar das in den Ausschüssen behandeln und spätestens bevor die Ausschreibung rausgeht einen Beschluss gefasst haben. Ich glaube, das ist eine gute Variante, um auch alle KritikerInnen, die es in anderen Fraktionen vielleicht gibt, die sich in der Stadtratssitzung nicht geoutet haben, mitzunehmen und sagen, das ist wichtig für uns. Ich will damit auch die Bedenken aus dem Weg räumen, die mir vor vorgehaltener Hand entgegengebracht worden sind: Wir müssten aufpassen, dass wir nicht mit so einem Auftrag potentielle Anbieter abschrecken. Potentielle Anbieter für die neuen Verträge hier in der Stadt, die wissen dann ganz genau, was sie tun sollen und was nicht. Mit so einer Ausgangslage ist man dann auf der sicheren Seite.


Welchen weiteren Verlauf wünschen Sie sich bzw. wie wird es vermutlich damit weitergehen?

KS: Ich bin ja grundsätzlich eine optimistische Frau, deshalb sage ich, es wird schon positiv ausgehen. Ich werde meinen Fraktionskollegen, die auch im Wirtschaftsausschuss sind, noch ein bisschen Material in die Hand geben. Nicht, dass es ein bisschen belächelt wird, sondern dass man auch gut vorbereitet ist, weil der Wirtschaftsausschuss ist sehr Männerdominiert. Es gibt nur zwei Abgeordnete aus der Fraktion darin. Denen würde ich gern vorbeugend gutes Argumentationsmaterial in die Hand drücken.


Was halten Sie von der von Astrid Rothe-Beinlich angesprochenen Werbewatchgroup, die es ja bereits in Österreich gibt. Braucht es sowas auch in Deutschland?

KS: Ich würde sagen, ja. Es braucht halt immer jemanden, der sich da den Hut aufsetzt. Ich bin fest davon überzeugt, wenn Städte wie Erfurt sich gegen diskriminierende, sexistische, frauenfeindliche Werbung aussprechen, dann ist das auch ein Signal, auch in andere Landeshauptstädte und auch in andere größere deutsche Städte. Dann kann man sich auch besser vernetzen.


Kevin Groß (SPD) meinte, Verbote seien hier nicht der richtige Weg und Michael Panse (CDU) erinnert daran, die Werbeverantwortlichen mit in den Dialog einzubeziehen und mit diesen zu verhandeln. Wie sehen Sie das?

KS: Wir sind bestrebt, dieses Verbot in Erfurt aufzuerlegen. Wir sind bestrebt, das noch vor der Abgabe der Ausschreibung rauszugeben. Der zeitliche Rahmen ist relativ eng gesteckt. Ich vermute mal, wenn wir uns jetzt noch länger mit den Akteuren auseinandersetzen, dann werden wir den Termin nicht halten können. Das will ich nicht. Ich bin gerne bereit, wenn dann die Ausschreibung draußen ist, mich mit Akteuren oder potenziellen Bewerbern auseinanderzusetzen und vielleicht auch die unterschiedlichen Sichtweisen zu diskutieren. Aber jetzt sage ich, jetzt haben es die Stadträtinnen und Stadträte in der Hand. Jetzt muss es entschieden werden und an der Stelle sage ich, ja, so ein Verbot müsste kommen.


Seit 2014 fordert die Initiative PINKSTINKS von Justizminister Heiko Maas, sexistische Werbung stärker zu regulieren. Dazu erarbeitete sie einen Gesetzesnormvorschlag der im “Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb” integriert werden soll. Spätestens zum Start der nächsten Legislaturperiode soll ein Verbot von geschlechtsdiskriminierende Werbung als ernstes Thema im Bundestag etabliert sein. Wie schätzen Sie das ein, klingt das realistisch?

KS: Ja, es klingt realistisch. Aber auch hier bin ich Realistin und sage, es bräuchte andere Mehrheiten. Ich denke, mit einer jetzig gestrikten Bundesregierung kriegen wir das nicht durch. Es braucht einfach andere modernere Mehrheiten im Bundestag, um diese Idee, diesen Gesetzesnormvorschlag auch einzuarbeiten.


Am Tag der letzten AfD-Demo hat der Ad-Busting-Künstler Dies Irae in der Erfurter Innenstadt Werbevitrinen „gekapert“ und die AfD damit provoziert, Höcke hat ja ihn ja daraufhin gleich angezeigt. Wie war Ihre Reaktion, als sie von der Plakataktion erfahren haben?

KS: Ich war sehr erfreut und habe sie mir auch selbst angeschaut und mich über diese mutige und zugleich kunstvolle Plakate. Ich habe mich darüber gefreut, dass Künstler sowas kreatives aufs Papier gebracht haben. Ich glaube, wir bräuchten mehr von solchen kreativen Künstlern, die diese Politik des Bernd Höcke so aufgreifen, wie sie es gemacht haben.


Für Dies Irae ist Ad-busting, also das Verfremden und Manipulieren von Außenwerbung, eine neue Möglichkeit, politische Diskurse anzuregen. Was halten Sie davon?

KS: Politischer Diskurs ist immer richtig und notwendig, aber sowas kann man ja in beide Seiten bzw. im breiten politischen Spektrum anwenden. Ich denke, in meinen Augen macht es nur Sinn, wenn dann auch darüber gesprochen wird, wenn man es einfach im gesellschaftlichen Raum stehen lässt.


Dies Irae sieht den öffentlichen Raum als Ort des politischen Diskurses der Gesellschaft, in den Werbung nicht hingehört. Welche Bedeutung hat der öffentliche Raum und welchen Stellenwert besitzt Werbung darin ganz grundsätzlich für die Linke?

KS: Ich denke, ein Stückchen Werbung gehört auch in den öffentlichen Raum. Man muss halt genau anschauen, was und durch wen welche Werbung aufgehängt wird. Ich sehe meine Fraktion auch genau in die Richtung gehend. Man muss genau schauen, wo was platziert wird und welche Inhalte damit transportiert werden.


Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung von Werbung im öffentlichen Raum in Zukunft ein?

KS: Wenn wir den Antrag hier in Erfurt durchbekommen, keine sexistische und frauenfeindliche Werbung, dass das in dem neuen Vertrag so steht, ab 2017 wird der wirken. Dann sind wir auf einem guten Weg auch gute Werbung mit guten Aussagen in der Stadt zu präsentieren. Ich erinnere an der Stelle an die Diskussion vor vielen Jahren, in der Zigarettenwerbung abgeschafft worden ist. Es gab Diskussionen und dann ging es auch. Man muss es nur wollen. So ist es auch mit unserem Antrag, mit den Inhalten. Wenn man sie gemeinsam will und somit auch umsetzen kann, bin ich ganz optimistisch, dass Erfurt durch die Werbung zukünftig nicht verschändelt sondern eher aufgewertet wird.