Diesel-Gate: Gutachten beurteilt Abschalt-Software als illegal

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Vor mehr als fünf Jahren, im September 2014, war durch eine Untersuchung der US-Umweltbehörde EPA weltweit publik geworden, daß die Software zur Motorsteuerung bei einigen Diesel-Typen aus dem Hause VW erkennt, wenn sich das Auto auf einem Rollenprüfstand befindet. Diese Software schaltet daraufhin den Motor in einen abgasärmeren Modus, um so die vorgeschriebenen Grenzwerte im Test einzuhalten. Und bereits Mitte 2012 wußten Fachleuten, EU-BürokratInnen und auch die obere Etage im Kraftfahrtbundesamt über diese betrügerische und umweltfeindliche Praxis Bescheid. Doch erst jetzt hat der Europäischen Gerichtshof (EuGH) - nachdem das Verfahren dort schon vor mehr als 7 Monaten eröffnet wurde - mit Hilfe eines Gutachtens in Erfahrung gebracht, daß es sich bei der zu Betrugszwecken eingesetzten Software um eine nach EU-Recht verbotene "Abschalteinrichtung" handelt.
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Upload vom 13.05.2020 / 15:38

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Umwelt, Wirtschaft/Soziales
Serie: Burning Beds
Entstehung

AutorInnen: Klaus Schramm
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 11.05.2020
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Diesel-Gate: Gutachten beurteilt Abschalt-Software als illegal

Vor mehr als fünf Jahren, im September 2014, war durch eine Untersuchung der US-Umweltbehörde EPA weltweit publik geworden, daß die Software zur Motorsteuerung bei einigen Diesel-Typen aus dem Hause VW erkennt, wenn sich das Auto auf einem Rollenprüfstand befindet. Diese Software schaltet daraufhin den Motor in einen abgasärmeren Modus, um so die vorgeschriebenen Grenzwerte im Test einzuhalten. Und bereits Mitte 2012 wußten Fachleuten, EU-BürokratInnen und auch die obere Etage im Kraftfahrtbundesamt über diese betrügerische und umweltfeindliche Praxis Bescheid. Doch erst jetzt hat der Europäischen Gerichtshof (EuGH) - nachdem das Verfahren dort schon vor mehr als 7 Monaten eröffnet wurde - mit Hilfe eines Gutachtens in Erfahrung gebracht, daß es sich bei der zu Betrugszwecken eingesetzten Software um eine nach EU-Recht verbotene "Abschalteinrichtung" handelt.

Die Deutsche Bundesregierung wußte sogar schon vor zehn Jahren Bescheid. Im Jahr 2010 wies ausgerechnet der ADAC - wenn auch bei auffällig geringer Öffentlichkeits-Wirksamkeit - das Bundes-"Umwelt"-Ministerium, damals unter Norbert Röttgen, darauf hin, daß die Emissions-Grenzwerte bei Diesel-Fahrzeugen in der Praxis deutlich überschritten werden. Denis Pöhler, Gutachter vom Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg, sagt daher, es sei spätestens im Jahr 2010 durch eine damalige Studie bekannt geworden, daß moderne Diesel-Fahrzeuge darauf getrimmt seien, die Grenzwerte für Stickoxide nur auf dem Rollenprüfstand einzuhalten. Dies bestätigte auch Roland Baar, Professor für das Fachgebiet Verbrennungskraftmaschinen an die TU Berlin, in einem Gutachten. Demnach konnten sowohl die Bundesregierung als auch IngenieurInnen beim TÜV bei einem Vergleich der veröffentlichten Abgas-Werte mit den realen Abgas-Werten der entsprechenden Fahrzeuge im Straßenverkehr erkennen, daß die eklatanten Unterschiede nur durch Manipulation zu erklären sind (Siehe unseren Artikel v. 27.08.16).

Mit einem Urteil des EuGH ist allerdings erst in einigen Wochen zu rechnen. Hoffnungsvoll zeigt sich bereits jetzt die Deutsche Umwelthilfe (DUH), da die höchsten EU-RichterInnen meist ihren GutachterInnen folgen (Rechtssache C-693/18). Während der VW-Konzern sich in den USA mit Schadenersatzforderungen in Milliardenhöhe konfrontiert sah, konnte sich die Automobil-Branche in Europa - VW, Daimler, Audi, Porsche, BMW... - Dank der Protektion durch willfährige PolitikerInnen bislang um ernsthaften Konsequenzen herumdrücken. Doch nun geht es vor dem EuGH um die Betrugs-Software.

Die vom EuGH beauftragte Gutachterin, Generalanwältin Eleanor Sharpston, bestätigte heute (30.04.20), daß es sich bei der von den Automobil-Konzernen eingesetzten Motor-Software um eine verbotene "Abschalteinrichtung" handelt, die erkennt, ob das getestete Fahrzeug sich auf einem Rollenprüfstand befindet. Diese Software sorgt dafür, daß nur auf dem Rollenprüfstand die gesetzlich vorgeschriebenen Abgasgrenzwerte der Europäischen Union eingehalten werden. Im "Normal-Modus" jedoch wird die Abgasrückführung abgeschaltet, so daß die Fahrzeuge im Straßenverkehr die volle Leistung zeigen und zugleich die Grenzwerte um ein Vielfaches überschreiten.

Französische ErmittlungsrichterInnen hatten den EuGH um die Auslegung einer EU-Verordnung zur Typgenehmigung für Fahrzeuge nach den Abgasnormen Euro 5 und Euro 6 gebeten. In dieser Verordnung ist die Verwendung von Abschalteinrichtungen grundsätzlich verboten. Überprüft werden kann die fragliche Motor-Software jedoch nicht, da in der EU-Verordnung nicht zugleich festgelegt wurde, ob diese Software quelloffen sein muß. Ist der Quellcode der Software jedoch nicht offen, kann darin jedes beliebige Unterprogramm versteckt werden.

Ein solches Unterprogramm in der Motor-Software kann anhand mehrerer Parameter - so werden unter anderem Lenkbewegungen registriert - erkennen, ob sich das Fahrzeug auf einem Rollenprüfstand befindet. Welche Funktionen aber in einer nicht-quelloffenen Software verborgen sind, läßt sich nur mit aufwendigen Tests ermitteln.