Fünf vor Zwölf - Zukunft statt Kahlschlag !!! Kundgebung gegen die Schließung von Karstadt-Kaufhof

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Reden der Kundgebung in Mannheim am 4.Juli 20 in den Kapuzinerplanken O 6
Audio
01:05:29 h, 26 MB, mp3
mp3, 55 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 05.08.2020 / 18:29

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Klassifizierung

Beitragsart: Rezension
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Arbeitswelt, Politik/Info
Serie: Grenzenlos
Entstehung

AutorInnen: Reinhard grenzenlos
Radio: bermuda, Mannheim im www
Produktionsdatum: 05.08.2020
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
https://rhein-neckar.verdi.de/themen/akt...

Protestkundgebung am 4. Juli
Zukunft statt Kahlschlag!
Galeria Kaufhof N7 muss bleiben
Protestaktion am Samstag, 04.07.2020

ver.di ruft für kommenden Samstag, 04.07.2020 um fünf vor zwölf (11:55 Uhr) auf den Kapuzinerplanken O 6 zur Protestaktion gegen die geplante Schließung zum 31.10.2020 auf.
75 Beschäftigte bangen um ihre Arbeitsplätze.
Seit 1953 steht in N7 ein Kaufhaus (DEFAKA, Vetter, Galeria Horten, Galeria Kaufhof und jetzt?).
Kaufhof N7 gehört zu Mannheim wie der Wasserturm!

Am 19. Juni 2020 gab das Unternehmen Galeria Karstadt/Kaufhof bundesweit die Schließung von 62 Filialen mit 6000 Beschäftigten bekannt. In Baden-Württemberg sind 5 Filialen betroffen. Kaufhof N7 ist mit 75 Beschäftigten eine von der Schließung bedrohten Filialen.

Gewerkschaftssekretärin Sabine Möller: „Wir geben noch nicht auf und protestieren gegen die beabsichtigte Schließung. Jahrzehnte lang haben die Beschäftigten täglich einen guten Job gemacht und jetzt soll es für sie vorbei sein? Sie brauchen ihre Arbeitsplätze für sich und ihre Familien!“

Als Unterstützer haben sich angemeldet:

Dr. Peter Kurz, Oberbürgermeister Mannheim
Jürgen Lippl, Geschäftsführer ver.di Rhein-Neckar
Peter Zysik, stell. GBR Vorsitzender Galeria Karstadt Kaufhof

ver.di bittet während der Protestaktion die Corona-Bestimmungen einzuhalten. (1,5 m Mindestabstand und ggf. Tragen eines Mundschutzes)


https://rhein-neckar.verdi.de/fachbereic...

Bildergalerie
fünf vor zwölf bei Galeria Kaufhof N7
Bei einer eindrücklichen Protestversammlung wurde die beabsichtigte Schließung zum 31.10.2020 einmütig verurteilt.

Bildergalerie: 5 vor zwölf bei Kaufhof N7 (4.7.2020)

Mannheim, Kapuzinerplanken, Samstag 4.7.2020

https://kommunalinfo-mannheim.de/2020/07...

Kaufhof: Benkos Schließungspläne sind die Spitze eines Eisberges

von Thomas Trüper, Stadtrat LiParTie · 14. Juli 2020

Gewerkschafts- wie auch Betriebsratsvertreter*innen forderten am 4.7. auf der Kundgebung gegen die Schließung der GaleriaKaufhof-Filiale N7, das Management solle gefälligst seine Aufgaben erledigen und sich ernsthafte Gedanken machen, wie so ein Kaufhaus in guter City-Lage besser geführt und das heißt besser den Bedürfnissen der Kund*innen angepasst werden kann, anstatt es zu schließen. Auch der Mannhemer OB Peter Kurz machte deutlich: „Es gibt auch Perspektiven, es anders zu machen.“ Schon bei der ersten Kaufhausschließung innerhalb der letzten 25 Jahre in der Mannheimer City, bei Hertie, erarbeitete die Belegschaft alternative Konzepte für ein solches Kaufhaus. Immer wieder kommt es vor, dass Belegschaften sich Gedanken machen, wie „ihr“ Geschäft besser und vor allem weiter laufen könnte – eigentlich in vertauschten Rollen. Aber da am Ende klar ist, wer die Zeche zahlt, ein notwendiges und in seltenen Fällen auch erfolgreiches Unterfangen.

Die „Ideenlosigkeit“ des Managements ist letztlich nur vom Immobilien-Maximalprofit getrieben

Dass die Unternehmer*innen und ihr Spitzenpersonal oft so „ideenlos“ sind, hat natürlich einen triftigen Grund. Die soziale Verantwortungslosigkeit, das Desinteresse an den konkreten Bedingungen des Geschäfts auf dem Hintergrund gesellschaftlicher Änderungen sind getrieben von der Fixierung auf eine von den Eignern erwarteten Rendite. Erst Personalabbau und damit Service-Verschlechterung, dann Schließung.

Galeria Karstadt-Kaufhof (GKK) gehört inzwischen zum Imperium des Multimilliardärs René Benko, dessen Basis die Immobilienspekulation ist. Mit den Kaufhausketten hat Benkoauch die meisten Immobilien erworben, in denen die Kaufhäuser untergebracht sind. (Das Gebäude der Mannheimer N7-Filiale ist allerdings seit der Arisierung im Eigentum einer Vetter-Erbin). Der Profit wird über Mietverhältnisse zwischen den Filialen und der Holding abgeschöpft. Wenn der Profit allerdings anders als durch das mühsame Kaufhausgeschäft durch direkte Immobilienverwertung gesteigert werden kann und die Kaufhäuser ohnehin m.o.w. am Boden liegen, wird es eng für die Belegschaften.

Immobilien-Profitskala nach oben offen – ein Problem in jeder Hinsicht …

Nach intensiven Verhandlungen zwischen ver.di und dem Gesamtbetriebsrat von GKK ist es gelungen, die Zahl der geplanten Schließungen von 62 auf 56 Häuser zu senken. Mannheim N7 ist weiterhin bedroht. Die Abwendung der Schließung von 6 Häusern sei nach Zugeständnissen der Vermieter erfolgt, also nicht von Benko – wie auch. Im Falle von Karstadt Nürnberg-Lorenzkirche beispielsweise von einem Fonds. Das dortige Haus wäre mit seiner baulichen Verquickung mit einem U-Bahnhof sicherlich schwierig umzunutzen. Die Stadt Nürnberg hatte sich in die Verhandlungen mit dem Vermieter aktiv eingeschaltet. In Mannheim könnte die Vetter-Erbin, wenn sie wollte, sicherlich auch etwas zur Sicherung der Galeria-Arbeitsplätze beitragen.

Die profitliche Verwertung von Immobilien – egal wie – kennt keine Grenze nach oben. Es wird genommen was der Kapitalanlage-Markt hergibt. Dies ist in der Wohnungswirtschaft ebenso ein Problem, wie bei gewerblichen Flächen. Die Mietpreise in der City gehen durch die Decke. Kleine inhabergeführte Läden, Gastronomiebetriebe, Clubs haben bald keine Chance mehr, die Mieten zu erwirtschaften, die verlangt werden. (Corona ist da nur das Tröpfchen, das das Fass zum Überlaufen bringt.) Gegenüber dem Internethandel erzeugen die steigenden Fixkosten des stationären Handels einen weiteren Wettbewerbsnachteil.

Die absolute Unterordnung des Lebens in den Städten vom Wohnen bis zum Gewerbe unter die Profitmaximierung durch die Immobilienwirtschaft, die den Grund und Boden als Privateigentum verwerteten, muss ein politisches Korrektiv bekommen. Nicht umsonst erinnern zunehmend Kommentatoren und leider zu wenig Politiker*innen an den Werterahmen von Art 14 Grundgesetz: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Das Wohl der Allgemeinheit ist hier schon längst gekippt. Und fast vergessen ist der Art. 15 GG: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz(…) in Gemeineigentum oder in andere Formen derGemeinwirtschaft überführt werden.“ Aber Art. 14 und 15 haben jeweils ein dickes Ende: Enteignung oder Vergesellschaftung dürfen nur „durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt.“ Die Entschädigung Privater für den Verlust hoher Werte ist auf friedliche Art und Weise wohl kaum zu stemmen. Aber das „Wohl der Allgemeinheit“ gilt es trotzdem durchzusetzen.

… auch städtebaulich

Die City als Einzelhandelsschwerpunkt ist ein Geflecht aus großen „Frequenzbringern“ und kleineren Läden, die in ihrer individuellen Erscheinungsform ihrerseits „Publikumsmagneten“ sind. Der Wegfall der restlichen Kaufhäuser wäre eine ernste Bedrohung dieses Geflechts und würde zur weiteren Verödung der Innenstädte beitragen, die bald wie ein Ei dem anderen gleichen. Die Stadt Mannheim hat einen zweistelligen Millionenbetrag in die Hand genommen, um die Planken samt Querstraßen zu sanieren, um die City als überregionales Einzelhandelszentrum zu stärken. Der nächste Schritt muss die Umgestaltung der Blech-City in ein Quartier sein, das ohne motorisierten Individualverkehr trotzdem gut und bequem zu erreichen und eine deutlich bessere Aufenthaltsqualität aufweist als gegenwärtig. Dazu laufen wenigstens schon die politischen Diskussionen, wenn auch allzu zaghaft.

Ja, und dann wäre da noch die konsumkritische Bewegung für mehr nachhaltigen Konsum. Auch sie droht unter dem Run nach Maximalprofit erstickt zu werden, obwohl sie für die Zukunft von Kaufhäusern einiges Zukunftsorientiertes beizutragen hätte.