Quergelesen 28. September 2021

ID 111302
 
AnhörenDownload
Joachim Bruhn: Die Logik des Antisemitismus. Die ökonomische / sozio­logische Reduktion des Wertbegriffs und ihre Folgen .

Vom 30. 03. 2002 auf dem Kongress Antideutsche Wertarbeit in Freiburg (http://audioarchiv.blogsport.de/2012/12/...)

"Die Überleibsel der radikalen Linken haben seit dem Golfkrieg von 1991 den Antisemitismus als Thema politischer Agitation wie akademischer Beschäftigung entdeckt: Das ist schick, zumindest Common Sense. Wer sich informieren will, was das deutsche Mordkollektiv den Juden wie und wo angetan hat, leidet nicht an einem Mangel einschlägiger Literatur. Wer sich allerdings aufklären möchte, warum es das getan hat, stößt bald darauf, daß außer Moishe Postones Aufsatz über die »Logik des Antisemitismus« nur wenig Substantielles vorhanden ist. Sein Essay bedeutete, vor über zwanzig Jahren, die längst fällige Revolutionierung der materialistischen Antisemitismustheorie. Aber eben nur: der Theorie. Weil Postones Bemühung im Theoretischen steckenblieb, konnte sich hinfort die linke Kritik des Antisemitismus bestens mit den verschiedensten Spielarten des Antizionismus, der Aversion und des Hasses gegen Israel vertragen. Ein Komplex bildete sich heraus, in dem die Erkenntnis mit ihrer Verdrängung kollaborierte. Denn Postone hatte nicht nur den philosophischen Status der Kritik der politischen Ökonomie als einer Kritik verfehlt, er hatte auch das politische Moment und die staatskritische Implikation dieser Kritik verkannt. Und so wußten die Linken nun ganz genau, was es mit dem Verhältnis von konkret und abstrakt auf sich hatte, warum die Nazis von der »Brechung der Zinsknechtschaft« halluzinierten, warum die Volksgemeinschaft eine verschwörerische Antirasse sich erfinden mußte. Warum jedoch die Nazis von Anfang an ihren Vernichtungswillen so antisemitisch wie antizionistisch programmierten, das blieb sowohl als historischer Tatbestand wie als materialistisches Thema unbekannt. Postones Reduktion des Antisemitismus auf ein binnengesellschaftliches und ökonomisches Phänomen erklärt sich zwanglos aus seiner ökonomischen Reduktion des Wertbegriffs selbst, einer Depotenzierung also des Erkenntnisanspruchs, den der Materialismus mit Marx und Adorno erhebt; einer Depotenzierung, die neuerdings als »fundamentale Wertkritik« selbst schulbildend geworden ist. Wert jedoch, so wird zu zeigen sein, ist, als Inbegriff negativer Vermittlung einer in sich selbst verkehrten Gesellschaft, allererst keine ökonomische Kategorie, sondern die Kategorie der Konstitution politischer wie ökonomischer Gegenständlichkeit. Die Logik, von der Postone spricht, erweist sich erst dann als hinreichend verstanden, wird sie als Moment der negativen Dialektik des Antisemitismus bestimmt."

Audio
59:32 min, 64 MB, mp3
mp3, 150 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 27.09.2021 / 13:01

Dateizugriffe: 1482

Klassifizierung

Genre: Anderes
Langue: deutsch
rubrique: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Arbeitswelt, Religion, Politik/Info
Series: Quergelesen
Entstehung

Auteur: Redaktion Quergelesen / Querfunk
Kontakt: quergelesen(at)querfunk.de
Radio: Querfunk, Karlsruhe im www
Date de production: 27.09.2021
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Kein Skript vorhanden.