Zwischen Kunst und Kommerz

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Gentrifizierung ist ein Problem, das weltweit nach ähnlichen Mustern abläuft: Kulturell oder historisch interessante Orte ziehen Abenteuer- und Reiselustige, Künstler*innen und Studierende an. Es entwickelt sich eine lebendige alternative Kulturszene, die die Viertel für Investoren attraktiv macht. Mit der Aufwertung der Viertel steigen die Miet- und Immobilienpreise. Auf der Strecke bleiben die Alteingesessenen.

Wir haben uns angeschaut, wie sich Oaxaca in Mexiko und der Prenzlauer Berg in Berlin in den letzten Jahren verändert haben. Wie hat sich die Aufwertung auf das Leben in den Barrios und Kiezen ausgewirkt? Mit welchen Strategien wehren sich die Bewohner*innen gegen die Gentrifizierung?
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Upload vom 26.12.2023 / 12:39

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Klassifizierung

Beitragsart: Reportage
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Kultur, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Miriam Flores & Knut Hildebrandt
Radio: npla, Berlin im www
Produktionsdatum: 26.12.2023
Folgender Teil steht als Podcast nicht zur Verfügung
 
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Skript
MOD
Oaxaca, Ende Oktober. Tausende kommen in die Stadt um dem bunten Treiben zum mexikanischen Tag der Toten beizuwohnen. Noch vor gut dreißig Jahren war das im Süden Mexikos gelegene Oaxaca eine verschlafene Provinzhauptstadt. 1987 zum Unesco-Weltkulturerbe ernannt, hat sie sich mittlerweile zu einem der wichtigsten Touristenmagneten Mexikos gemausert. Und dazu haben nicht nur ihre koloniale Altstadt und die farbenfrohen Feste beigetragen, sondern auch eine sich Mitte der 2000er Jahren entwickelnde, alternative Kulturszene.

Auch der Prenzlauer Berg in Berlin war bis Ende der 80er Jahre ein ruhiger Ort. Viele Wohnungen in den einst herunter gekommenen Gründerzeithäusern standen leer. Nach der Wende kamen junge Künstler*innen und Studierende aus aller Welt in den Prenzlauer Berg und prägten sein heutiges Gesicht mit. In dieser Zeit entstanden Orte, wie die Kulturbrauerei und der Mauerpark. Heute zählen sie zu den wichtigsten Attraktionen des Bezirks und machen ihn zu einem der touristischen Hotspots Berlins.

Doch wie wirkt sich der Touristenrummel auf die Barrios und Kieze aus? Wie hat sich das Leben in in ihnen verändert?

OT – Mariana García
... Y bueno en relación a la vivienda, pues sí se ha estado encareciendo cada vez más. Recuerdo cuando llegué a vivir a algunos departamentos en el Centro el precio rondaba en alrededor de 2,000 o 2,500 pesos un departamento, pues con servicios llegaba el agua dos veces a la semana. Estos departamentos en la actualidad están alrededor de 6000 pesos este en más o menos en 10 años, es lo que ha subido, más del doble el costo y los servicios.
VO: Wohnraum wird immer teurer. Als ich herzog kostete eine Wohnung hundert, hundertfünfzig Dollar im Monat, inklusive Nebenkosten. Dafür zahlt man heute, weniger als zehn Jahren später, über 300.

MOD
Mariana García ist bildende Künstlerin und Mitgründerin des Künstlerkollektivs „Hacer Tequio“. Sie zog vor über zwanzig Jahren nach Oaxaca, wo sie nicht nur als Teil der alternativen Kunstszene arbeitet, sondern auch lebte. Heute wohnt García in einem Vorort. Denn mit dem Tourismusboom wurde es für sie immer schwieriger, eine günstige Wohnung in der Stadt zu finden. Auch der Verkauf ihrer Arbeiten wird für García zunehmend zum Problem.

OT – Mariana García
Sí Bueno, recientemente quería con una socia poner un espacio aquí en el centro para venta de de mi trabajo y la verdad ha sido muy difícil encontrar un local, un espacio a un buen precio, por eso no nos hemos atrevido a ponerlo porque es mucho lo que te piden de renta.
VO: Mit einer Freundin wollte ich eine kleine Ladengalerie eröffnen. Um meine Arbeiten verkaufen zu können. Wir haben uns am Ende dagegen entschieden, wegen der hohen Mietpreise.

MOD
Die Mieten für Gewerberäume sind in den letzten Jahren auf das drei- bis fünffache gestiegen, begründet García ihre Entscheidung. Unabhängige Künstler*innen wie sie, aber auch alternative Kunst- und Kulturprojekte, können sich diese Preise kaum noch leisten.

OT – Mariana García
... suben mucho los costos entonces es imposible para gente de la ciudad de Oaxaca poner algún negocio. Sí, tal vez para empresarios para inversionistas ellos sí, sí pueden comprar inmuebles en millones de dólares.
VO: Für einfache Menschen ist es in Oaxaca unmöglich ein Geschäft zu eröffnen. Das können heute nur noch Geschäftsleute und Investoren, welche es sich leisten können Millionen Dollar für Immobilien auszugeben.

MOD
Wegen der horrenden Immobilienpreise kaufen fast ausschließlich ausländische Investoren die oft heruntergekommenen Kolonialbauten in Oaxacas historischem Zentrum, renovieren sie dann und machen daraus Appartments, Hotels, Souvenirshops oder teure Restaurants.

Zurück in Berlin. Der Helmholtzplatz liegt im Herzen des Prenzlauer Bergs. Das ehemalige Arbeiterviertel war nach dem Mauerfall für seine lebendige, alternative Kulturszene bekannt. Besetzte Häuser mit ihren Hausbars und Konzertkneipen zogen nicht nur Künstler*innen und Studierende an, sondern machten ihn auch attraktiv für Alternativtouristen. Heute zählt der Helmholtzkiez zu den teuersten Wohngegenden Berlins. Und:

OT - Carola Handwerg
... Schon 2015 haben wir festgestellt; dass von den Menschen die hier zur Wendezeit 1990 wohnten nur noch 10% da sind. Die anderen sind neu zugezogen.

MOD
Carola Handwerg ist Anwältin für Mietrecht. Sie weiß genau, wie sich der Kiez um den Helmholtzplatz verändert hat und welche Sorgen seine Bewohner*innen bewegen.

OT - Carola Handwerg
Die Menschen kommen aus anderen Bundesländern, kommen aus aller Herren Länder, was den Kiez durchaus auch beleben kann und durchaus nicht nur Nachteile hat (dieser Satz evtl. z:T. unter der vorhergehenden Mod). Aber dass es für große Bevölkerungsgruppen, die halt nicht das Einkommen haben, nicht mehr möglich sein soll hier zu bleiben, hier zu wohnen, das ist natürlich eine schlechte Entwicklung.

MOD
Um dem etwas entgegen zu setzen bietet Handwerg seit mehr als 20 Jahren im Kiezladen auf der Dunckerstraße eine wöchentliche Mietrechts- und Sozialberatung an. Der Kiezladen ist ein Ort, an dem sich Gruppen treffen können, sei es für politische Aktivitäten oder für kulturelle. Es gibt hier auch ein monatliches Kaffeekränzchen für Leute die schon länger im Kiez wohnen. Der Laden sorgt damit für mehr Zusammenhalt im Kiez. ➔ Anmerkung: Der Laden heißt Zusammenhalt und ich habe Bilder mit dem Namensschild ;-)

OT - Carola Handwerg
Ja der Kiez lebt ja auch davon, dass die Menschen zusammenkommen und dass sie kommunizieren. Und dazu müssen sie Orte haben wo sie das können. Und das können Sie hier in dem Kiezladen. Also wenn die Nachbarschaft sich organisieren will, sei es gegen eine teure Modernisierung oder sei es gegen im ganzen Haus ausgesprochene Eigenbedarfskündigung, dann brauchen Sie einen Ort wo sie sich treffen. Und das kann der Kiezladen sein.

MOD
Orte wie den Kiezladen gibt es in Oaxaca nicht. Und doch organisieren sich die Menschen, um den Charakter ihrer Barrios in der sich schnell wandelnden Stadt zu bewahren. Dabei erhalten sie Unterstützung von Mariana García und dem Kunstkollektiv „Hacer Tequio“. Die fünf Frauen veranstalten regelmäßig Kunstaktionen in den Vierteln Oaxacas. Bei diesen nutzen sie die traditionelle Kunstform des Bordado, des Stickens, um ein Bewußtsein für den Ort und seine Kultur und Geschichte zu schaffen.