Modern Money und andere Wirtschaftstheorien (Moneycracy #13)

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Moneycracy beschäftigt sich mit der Macht des Geldes und daher auch in unterschiedlichen Folgen damit, wie das ganze System funktioniert. Interessanterweise gibt es ein echtes theoretisches Verständnis, wie eine moderne Volkswirtschaft funktioniert nicht. Hinsichtlich heutiger Maßstäbe an Wissenschaftlichkeit und empirischer Evidenz versagen die Wirtschaftstheorien kläglich und spiegeln hauptsächlich zeitbedingte und ideologische Vorstellungen ihrer VerfasserInnen wider.
Aktuell en vogue ist unter anderem die sogenannte ‚modern money theory‘ und diese findet daher auch immer wieder Erwähnung in den Medien. Die Herrschenden und auch viele Linke lieben diese Theorie, denn sie erlaubt ihnen, so viel Geld auszugeben wie sie wollen. Doch was ist die modern money theory?
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Upload vom 25.05.2024 / 10:55

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Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Politik/Info
Serie: Moneycracy
Entstehung

AutorInnen: F. Libeatout und Moneyvracy-Team
Radio: corax, Halle im www
Produktionsdatum: 25.05.2024
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Moneycracy beschäftigt sich mit der Macht des Geldes und daher auch in unterschiedlichen Folgen damit, wie das ganze System funktioniert. Interessanterweise gibt es ein echtes theoretisches Verständnis, wie eine moderne Volkswirtschaft funktioniert nicht. Hinsichtlich heutiger Maßstäbe an Wissenschaftlichkeit und empirischer Evidenz versagen die Wirtschaftstheorien kläglich und spiegeln hauptsächlich zeitbedingte und ideologische Vorstellungen ihrer VerfasserInnen wider.
Aktuell en vogue ist unter anderem die sogenannte ‚modern money theory‘ und diese findet daher auch immer wieder Erwähnung in den Medien. Die Herrschenden und auch viele Linke lieben diese Theorie, denn sie erlaubt ihnen, so viel Geld auszugeben wie sie wollen. Doch was ist die modern money theory?

Bevor wir uns mit dieser Frage näher beschäftigen, zunächst einen Rückblick auf wichtige volkswirtschaftliche Theorien und Praktiken der jüngeren Vergangenheit.
Im Podcast über Wirtschaftskrisen haben wir bereits Maynard Keynes und seine antizyklische Wirtschaftspolitik erläutert. Keynes hatte den bis heute oft als richtig angenommenen Grundgedanken, die staatliche Ausgabenpolitik solle in einer Rezession hoch und in den Aufschwungphasen niedrig sein. Der Staat tritt dabei als bedeutender wirtschaftlicher Akteur auf und es besteht daher eine insgesamt hohe Staatsquote, das heißt, viele Dienstleistungen und Vorhaben werden im Auftrag und auf Rechnung des Staates ausgeführt. Dies erlaubt dem Staat in Krisenzeiten Nachfrage über Ausbau der Infrastruktur, Beschäftigungsprogramme zu schaffen und so die Gesamtwirtschaft wieder anzukurbeln. Die Staatsausgaben sind also dann besonders hoch, wenn die Einnahmen über das Steueraufkommen wegen einer Wirtschaftskrise besonders niedrig sind.
Das widersprach dem intuitiven Verhalten der meisten Herrschaftseliten, die wie eine Individualperson dazu neigten, Ausgaben zu vermindern, wenn die Einnahmen in einer Krise sanken. Umgekehrt wurde mehr Geld ausgegeben, wenn in einer Boomphase die Steuereinnahmen sprudelten.
Die antizykliche Wirtschaftspolitik nach Keynes bestand ihre Bewährungsprobe in der amerikanischen Bewältigung der Großen Depression und bildete nach dem Zweiten Weltkrieg die Grundlage der meisten Wirtschaftdoktrinen der westlichen Welt. Sie war und ist so bedeutsam, dass sie als einer der wenigen Lernstoffe aus dem Wirtschaftsleben sogar Einzug in einige Schulbücher und Lehrpläne hielt. Bis heute ist wirtschaftspolitisches Handeln von diesen Annahmen mitbestimmt.
Allerdings, auch das hatten wir in den Podcasts zu Wirtschaftskrisen schon erwähnt, lösten ab etwa 1975 neoliberale Konzepte die keynesianischen teilweise ab. Der Ansatzpunkt lag entsprechend der Arbeiten eines führenden Theoretikers der modernen Neoliberalen Schule, Milton Friedman, in der Geldpolitik des Staates beziehungsweise der ausführen Zentralbank. Der sogenannte Monetarismus sieht die Kontrolle der Geldmenge als Hauptaufgabe wirtschaftspolitischen Handelns und möchte durch eine sachgerechte wie restriktive Steuerung der Inflation entgegenwirken.
Wir erleben gerade aktuell, welch negative Auswirkung Inflation auf alle Beteiligten hat und historisch waren Inflationen stets Auslöser gravierender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Erschütterungen – wie ihr in unserem Podcast über Inflation nachhören könnt.
So nimmt es nicht Wunder, dass im Inflationsjahrzehnt der Siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts solche monetaristischen Ansätze breites Gehör fanden.
Friedman ging wie viele Ortholiberale davon aus, dass der Staat in begrenztem Maße in das Marktgeschehen eingreifen sollte. Allerdings hielt er es für entscheidend, dass die Geldmengenveränderung exakt orientiert an der wirtschaftlichen Entwicklung und damit dem Geldmengenbedarf zu geschehen habe. Steigt die wirtschaftliche Aktivität, kann und soll auch die Geldmenge entsprechend steigen. Bei geringer wirtschaftlicher Aktivität, wie in einer Rezession, darf der Staat also nicht stark die Nachfrage erhöhen und damit die Geldmenge notwendigerweise über Gebühr ausweiten, weil sonst der Geldwert abnimmt, also Inflation entsteht. Friedmans Überlegungen sind theoretisch gut begründet über die sogenannte Qantitätstheorie, die wir euch an dieser Stelle ersparen wollen, aber gerne bei Interesse nachliefern, schreibt uns solche Themenwünsche gerne an monerycracy@riseup.net.
Es wird deutlich: Mit der Begrenzung der Geldmengenausweitung und damit der staatlichen Nachfrage und der Einschränkung eventueller Stützungs- und Beschäftigungsprogramme widerspricht Friedman den keynesianischen Grundansätzen des Handelns in einer Krise.
Interessanter geschichtlicher Fakt: Es waren nicht die Reagonmics in den USA, die Friedmans Überlegungen erstmals in reale Geld- und Wirtschaftspolitik umsetzten, sondern die gute alte Deutsche Bundesbank. Sie ging 1974 als erste Notenbank der Welt zu einer gezielten Geldmengensteuerung im Sinne Milton Friedmans über, um die Stabilität dar D-Mark zu sichern.
Die Neoliberale Welle der folgenden Jahrzehnte bemühte sich, anders als der pure monetaristische Grundansatz vorsieht, staatliche Ausgaben generell zurückzufahren, Steuern in allen Wirtschaftzyklen möglichst zu senken und möglichst viele Bereiche des Wirtschaftslebens zu deregulieren. Ein Teil dieser Maßnahmen lässt sich aus dem monetaristischen Ansatz ableiten: so sollten in einer Wirtschaftskrise die Staatsausgaben begrenzt bleiben und die Steuern eben nicht erhöht, sondern bestenfalls gesenkt werden, damit Geldmenge und wirtschaftliche Gesamtaktivität im Einklang stehen und es eine Chance auf Erholung der Wirtschaft gibt. Auch ist es wenig bestritten, dass überregulierte Wirtschaftsbereiche meist keine nachhaltige positive Dynamik aufweisen.
Manche weitreichende Liberalisierungen und Kürzungen der neoliberalen Jahrzehnte 1980 bis 2007 folgten jedoch eher einer ideologischen Grundhaltung und hatten mit der möglichst genauen Steuerung der Geldmenge im Sinne des Monetarismus nichts zu tun.
Ein weiterer zentraler Unterschied zwischen Neoliberalen und Keynsianer liegt in der Frage, welcher Faktor die wirtschaftliche Entwicklung entscheidend steuert. Ist dies die Nachfrage, wie Keynes meint, oder das Angebot, was die neoliberale Position darstellt. Der Streit ist nicht entschieden, was wohl auch nie möglich sein wird, da beide Aspekte bedeutsam sind. Allerdings scheint hierbei der Nachfragefaktor insgesamt bedeutender, da er bestimmt, ob Konsum und damit Wirtschaftsankurbelung tatsächlich stattfindet.
Beispiel: Während der Corona-Pandemie nahm die wirtschaftliche Gesamtleistung unter anderem deshalb ab, weil viele Produkte nicht produziert oder transportiert werden konnten. So konnten beispielsweise E-Bike Hersteller Fahrräder nicht verkaufen, obwohl es KundInnen dafür gegeben hätte. Die Angebotsseite war hier durch staatliche Pandemievorgaben, also Regulation, beeinträchtigt. Nachdem diese Schwierigkeiten wegfielen, gab es wieder genug E-Bikes, was der heutigen Situation entspricht. Es werden trotzdem weniger Räder verkauft als zur Pandemiezeit. Einer der Gründe liegt in der Inflation und damit dem Umstand, dass die KonsummentInnen nicht genügend Geld für ein neues E-Bike haben, was ein Nachfrageproblem darstellt.
Als kurz gefasstes take-home Wissen kann festgehalten werden: Neoliberale Ansätze versuchen die Wirtschaft zu stimulieren, in dem sie Produktion und Investition fördern, was durch niedrige Steuern, Wegfall von Regulation und Entwickeln von Zukunftstechnologien passieren soll. Keynsianer puschen die Wirtschaft über vermehrte staatliche und private Nachfrage, die sie über Steuererhöhung und Neuverschuldung finanzieren.

In den letzten vier Jahrzehnten bestimmte ein Mix aus keynesianischen als auch neoliberalen Ansätze in unterschiedlichen Gewichtungen die Politik der meisten westlichen Gesellschaften. In einer sozialdemokratischen Spielart der Herrschaftsausübung bei New Labour oder auch Schröders SPD wurde gezielt versucht, beide Ansätze zu verbinden, wobei hier letztlich kaum verholen im wesentlichen neoliberale Politik gemacht wurde.

Seit den Zehner Jahren drängt die modern money theory vermehrt an die Öffentlichkeit. Sie bricht mit der Geldmengensteuerung des Neoliberalen Ansatzes und macht dabei einige, in der konventionellen Volkswirtschaft nicht anerkannte Grundannahmen.
Nach der modern money ist der Staat der Schöpfer des Geldes und kann ohne Begrenzung beliebig viel davon herstellen.
Dass die Schulden und die Zinslast des Staates und damit der Gesellschaft beständig und letztlich exorbitant steigen, soll kein Problem sein, da der Staat beliebig viel neues Geld drucken kann, um die Schulden zu bedienen.
Der Staat soll soviel Geld drucken, wie zum Erreichen wichtiger gesellschaftlicher Ziele notwendig ist. Hier wird bei vielen Autoren der modern money theory auf das Ziel der Vollbeschäftigung verwiesen.
Ein typischer Zielparameter der Geldpolitik der modern money theory lautet daher: der Staat soll soviele Schulden machen und damit keynesianische Ausgabenpolitik betreiben, bis Vollbeschäftigung erreicht ist.
Auf unsere heutige bundesrepublikanische Situation übersetzt kann dies auch so aussehen:
Der Staat soll soviel Geld drucken, dass alle mit Solaranlagen, Wärmepumpen und Elektrofahrzeugen versorgt werden und die Klimaziele erreicht werden.
Ausgedrückt im Mosler Law: Keine Krise ist so groß, dass sie nicht durch Geldschöpfung und Steuerreduzierung überwunden werden kann. Warren Mosler ist einer der Hauptautoren der modern money theory.

Aber einen Moment – das Zauberkunststück unendlicher Geldschöpfung, genauer des unendlichen Schuldenmachens versuchten ja zahlreiche Herrschenden durch die Geschichte, aber bei dem enormen Finanzbedarf auch noch Steuern senken?
Der Widerspruch erklärt sich so, dass nach modern money Auffassung Steuern kein Instrument sind, um den Finanzbedarf des Staates zu decken, das passiert allein über das Gelddrucken. Die empfohlene Steuersenkungen folgen hierbei wieder dem neoliberalen Denken: sie sorgen dafür, dass die vielen gedruckten Scheine des Staates auch bei den BürgerInnen und InverstorInnen ankommen und so die Wirtschaft stimulieren.

Wer einige Folgen unseres Podcast gehört hat, wird unschwer erkennen, dass alles nicht funktionieren kann. Der früherer US-Finanzminister Summers bezeichnete die Theorie sehr treffend als Vodoo-Economy und der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman beschrieb sie als perfekte Anleitung zur Erreichung einer Hyperinflation.

Damit ist alles Wesentliche gesagt. Der Welt ist kein Büllerbüdorf und abstruse Wirtschaftstheorien, die realitätsfremd purem Wunschdenken folgen, sind unnütz und gefährlich. Eigentlich hätten wir euch solchen Unsinn nicht präsentiert, aber es gibt gute Gründe, das doch zu tun.

Denn die Herrschenden der westlichen Staaten habe sich seit der Finanzkrise 2008 vielfach genau so verhalten, als ob sie diese obskure Theorie anwenden wollten. Das berühmte ‚whatever it takes‘ von Mario Draghi angesichts der Eurokrise repräsentierte Moslers Law in Reinform. Egal welche wirtschaftlichen Verwerfungen durch Ungleichheiten im europäischen Währungsraum auftreten, wir werden das ganze so mit Geld zuscheissen, bis man es nicht mehr sieht. Merkel produzierte ihre Version bei der Bankenkrise 2009, indem sie alle Bankguthaben garantierte – wahrscheinlich wohl wissend, dass sie das im Ernstfall nur unter heftigen wirtschaftlichen Verwerfungen und dem Heisslaufen der Notenpresse hätte einlösen können. Das Krisenmanagement der gesamten Zehner-Jahre beruhte im wesentlichen auf den permanenten Überstunden der Gelddruckmaschinen und schließlich war das Corona-Krisenmanagement der letzten drei Jahre gekennzeichnet durch ein ausgabenpolitisches ‚whatever it takes‘ in bislang nie gekanntem Ausmaß.
PolitikerInnen nahezu jeder Couleur erscheint daher eine solche Wirtschaftstheorie, die grenzenloses Schuldenmachen als sinnvolles politisches Handeln verkaufen möchte, wie die Entdeckung des heiligen Grals oder ein Sechser im Lotto. Unbegrenzte Ausgaben, Gelddrucken und Wahlgeschenke verteilen bis der Arzt kommt – was kann das PolitikerInnen-Herz mehr begehren?
Schon seit 4 Jahrzehnten laufen die Schuldenuhren immer schneller, werden immer absurdere Höchststände bei der Staatsverschuldung erreicht. Bislang gab es noch das Bewusstsein, dass diese Schulden irgendwann beglichen werden müssen und dass das Geld, das heute über den Kassenstand hinaus ausgegeben wird, von den künftigen Generationen verdient und zurückbezahlt werden muss. Wenn dann aber eine Wirtschaftstheorie behauptet, das sei gar nicht notwendig, solange die Schulden in eigener Währung sei, da die Regierung das benötigte Geld einfach drucken könnte, dann wird hier gefährliche Absolution für verantwortungsloses Handeln erteilt.
Beachtenswert ist, dass die Hauptvertreter dieser Theorie US-Amerikaner sind und wir haben es schon in unterschiedlichen Podcasts besprochen, dass die USA hinsichtlich ihrer Möglichkeiten, Schulden zu machen, in einer weltweit einzigartigen, privilegierten Situation sind. Diese Ausnahmebedingungen der USA, die auch hohen Schuldenaufnahmen für einen gewissen Zeitraum recht unproblematisch möglich machen, gelten jedoch für die anderen Gesellschaften dieser Erde nicht. Klarerweise besteht ein deutlicher Unterschied, ob ich Schulden in meiner eigenen Währung machen kann, wie die USA, oder das in Fremdwährungen tun muss, wie die meisten Staaten dieser Erde. Dennoch ist auch die Verschuldung der world leading nation schon lange über die jedes gesunde Maß hinausgeschossen. Allein während der Coronakrise und den dabei geleisteten Zahlungen und Programmen verdoppelten sich die US-Schulden. Wir hatten in einem früheren Podcast bereits dargestellt, dass dieser Verdoppelungszeitraum sich seit 50 Jahren ständig beschleunigt – nicht nur in den USA, auch in Europa. Viele Fachleute aber auch BürgerInnen machen sich nachvollziehbar Sorgen um dieses immer stärker praktizierte Leben auf Pump. Da kommen vermeintlichen ExpertInnen gerade recht, die erläutern, dass das alles nicht so schlimm sei,
Ihr wisst jetzt was von dieser Vodoo-Economy zu halten ist und dass leider keine Entwarnung hinsichtlich der ausufernden Schulden gegeben werden kann.

Zum Schluss wollen wir noch einen anderen Sachverhalt beleuchten, der in modern money theory aber auch anderen Wirtschaftstheorien einen entscheidenden Faktor darstellt: die Rolle des Staates im gesamten Wirtschaftsgeschehen.
In klassisch liberalen Wirtschaftstheorien kam dem Staat lediglich die Rolle des Ordnungsgaranten zu, der über sein Gewaltmonopol und Gesetzgebung dafür sorgte, dass die Spielregeln des kapitalistischen Wettbewerbs eingehalten wurden und Sicherheit nach innen und außen garantierte. Schon vor 200 Jahren war dieses Bild nicht zutreffend, denn der Staat war über Ausgaben für Militär, Polizei aber auch schon Infrastruktur durchaus ein wichtiger wirtschaftlicher Akteur, der nicht unbedeutend Nachfrage erzeugte und außerdem über Steuern die Geldflüsse nachhaltig beeinflusste.
Seither ist die Bedeutung des Staates als wirtschaftlicher Akteur ständig gestiegen. Zunächst kamen ihm, zum Beispiel im Sinne von Keynes, wirtschaftspolitische Interventionen vor allem in Krisenzeiten zu. Beispielhaft sei hier der Roosevelts New Deal der dreißiger Jahre genannt.
Solche gezielten und begrenzten Interventionen traten während des zwanzigsten Jahrhundert hinter einer wesentlich bedeutsameren Entwicklung zurück. Immer mehr Aufgaben einer Gesellschaft wurden als staatlich angesehen, was den Anteil staatlichen Handelns am Gesamtwirtschaftlichen Prozess kontinuierlich anwachsen ließ. Die dies beschreibende Kennzahl nennt sich Staatsquote. Sie beschreibt, wie viel Prozent der Gesamtwirtschaftsleistung über den Staat läuft. Sie liegt heutzutage bei den meisten entwickelten Staaten zwischen 35 und 60 Prozent, die Bundesrepublik befindet sich mit aktuell 52 im oberen Drittel. Wenn 50 Prozent oder mehr einer Wirtschaft von staatlichem Handeln abhängen, ist der Staat unvermeidlich der alles entscheidende Akteur. Die Staatsquoten der meisten Gesellschaften haben über die letzten Jahrzehnte zugenommen, ganz aktuell vor allem während der Coronapandemie, wo der Staat kompensatorisch für seine regulativen Eingriffe bedeutend mehr wirtschaftliche Transaktionen selbst unternahm. In Spanien beispielsweise stieg die Staatsquote dadurch von 42 auf 52 Prozent, also um ein Viertel, in der BRD von 45 auf die bereits genannten 52 Prozent.
Ja und – mögt ihr euch vielleicht fragen. Eine hohe Staatsquote ist aus unterschiedlichen Perspektiven nicht wünschenswert:
Zum einen sind staatliche Dienste meist Monopolisten, die durch fehlende Konkurrenz und Alternativlosigkeit keinen Grund zur positiven Weiterentwicklung oder Anpassung an die Erfordernisse haben. Schulen, Behörden, Gesundheitsämter, Polizei, Arbeitsamt, Strafvollzug oder zahlreiche andere Bereiche unterliegen nicht den positiv wirksamen Marktfaktoren, weil sie keine Konkurrenz haben und die Bedingungen, zu denen sie ihre Dienstleistungen liefern, selbst definieren. Sie müssen nicht auf Nachfrage oder Ablehnung reagieren und tendieren zur ständigen personalen und strukturellen Ausweitung sowie zu ineffizenter Mittelverwendung. Die wesentlichen Regulationsmechanismen der Marktwirtschaft sind also außer Kraft gesetzt. Die negativen Folgen sind beispielsweise in der überbordenden Bürokratisierung zu sehen. Ein immer größer werdender Anteil der Menschen arbeitet innerhalb der Verwaltung oder der Überwachung der Bevölkerung. Die Zahl der PolizistInnen hat sich seit 1970 mehr als verdoppelt, Bürokratie und Vorschriften haben sich exponentiell ausgeweitet.
Eigentlich gilt in der BRD das Subsidaritätsprinzip, welches besagt, dass der Staat nur die Aufgaben wahrnehmen darf, die der private Sektor nicht bewältigen kann oder will. Der Staat darf ebenso nur regulativ eingreifen, wenn die Möglichkeiten des Einzelnen, der Gruppe oder einer untergeordneten Hierarchie-Ebene alleine nicht ausreichen. Dieses Prinzip wird seit Jahrzehnten immer weiter ausgehöhlt mit der Konsequenz, dass der Zentralstaat immer tiefer in die wirtschaftlichen und persönlichen Belange hineinregiert. Je nach politischer Präferenz wissen Herr Habeck oder Herr Merz besser als du selbst, welche Heizung für dich in den nächsten Jahren die richtige ist. Herr Lauterbach legt fest, wie viele Leute du am Tag treffen darfst – und wie die Bahn deine Mobilitätsbedürfnisse am besten befriedigt, bestimmt seit Jahrzehnten das Verkehrsministerium.
Der sich ständig weiter aufblähende Staat und seine zunehmende Dominanz der wirtschaftlichen Aktivitäten sind eine enorme Belastung für die ökonomische Entwicklung.
Wir können es mit Ronald Reagan formulieren: Goverment is not the solution, goverment ist the problem.
Und weil es so gut passt, ein weiterer Satz aus dieser Antrittsrede des 40. amerikanischen Präsidenten, der hierzulande leider allzu oft nur als tumber Reaktionär gesehen wird.
It is time to check and reverse the growth of government which shows signs of having grown beyond the consent of the governed.
Es ist an der Zeit, das Ausufern der Regierung zu überprüfen und umzukehren, da es Anzeichen gibt, dass sie über die Zustimmung der Regierten hinaus gewachsen ist.

Episode und Musik von Frederick Liberatout.
Anregung und Kritik an moneycracy@riseup.net

This podcast features music created by F. Liberatout using Groovepad. Free available on Google Play and Apple Store,