"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Zollkrieg abgesagt

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Da ist sie also raus, die Luft aus der Lastwagenhupe; der Handelskrieg mit China wurde abgebrochen, und der Liberation Day von Anfang April mit all seinen wundervollen Zöllen hat sich verzogen bis auf den Restmüll von 10%, wobei der Endkrieg bis zum Endsieg mit der Europäischen Union noch ausgetragen werden muss, aber irgendeine Form von anhaltender Pause dürfen wir auch hier erwarten.
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11:25 min, 26 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 15.05.2025 / 09:29
Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Internationales
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung

AutorInnen: Albert Jörimann
Kontakt: redaktion(at)radio-frei.de
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 13.05.2025
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Da ist sie also raus, die Luft aus der Lastwagenhupe; der Handelskrieg mit China wurde abgebrochen, und der Liberation Day von Anfang April mit all seinen wundervollen Zöllen hat sich verzogen bis auf den Restmüll von 10%, wobei der Endkrieg bis zum Endsieg mit der Europäischen Union noch ausgetragen werden muss, aber irgendeine Form von anhaltender Pause dürfen wir auch hier erwarten. Die verbleibende Abgabe von 10% können die Produzentinnen irgendwo in der Liefer- und Warenkette verstecken, sodass am Ende der US-Inlandmarkt seine Zölle doch selber bezahlen wird, ohne dass die Posaunen von Jericho erschallen. Wie es die ganze Welt grosso modo vorhergesehen und vorhergesagt hat, immer mit einer gewissen Unsicherheit in Bezug auf die Stimmungslage beziehungsweise die physische und psychische Robustheit des ambulanten Jokus im Weißen Haus.

Wir können uns also wieder anderen Themen zuwenden, namentlich der Frage, was der Wrestler sich als Nächstes einfallen lassen wird, damit er wieder in die Schlagzeilen zurückkehrt, und darum geht es ihm ja in erster Linie, einmal abgesehen von der Bereicherung seines Clans im Namen des US-amerikanischen Volkes, welchem dies allerdings ganz recht geschieht, wenn es ihn halt wählt. Man erinnert sich zwangsläufig an ähnliche Dreistigkeiten in der Geschichte; aus dem alten Rom sind zahlreiche Berichte erhalten, während zum Beispiel die Nationalsozialisten alles daran setzten, in der Bevölkerung als tugendhafte Regierung dazustehen. Im Verhältnis gesehen sind allerdings die paar 100 Millionen Dollar, welche die Trump-Familie mal hier, mal dort einstreicht, ein verdammter Klacks angesichts von Vermögen von 100, 200, 300 Milliarden US-Dollars der wirklich reichen Menschen auf der Erde, also die Lichtgestalten der Digitalindustrie und die leuchtenden Vorbilder in den Erdölstaaten. Das erinnert mich übrigens daran, dass ich kürzlich einen Bericht darüber gelesen habe, wie der Journalistenmörder Mohammed Bin Salman seine Macht in Saudiarabien auf solide Grundlagen gestellt hat, und zwar im November/Dezember des Jahres 2017, also vor noch nicht allzu langer Zeit. Er lud die 350 mächtigsten Männer des Landes ins Hotel Ritz Carlton in Riad ein, setzte sie dort fest und ließ sie erst gehen, nachdem sie Verzichterklärungen auf Machtansprüche unterschrieben und hohe Lösegeldsummen bezahlt hatten. Seither herrscht Ruhe im Kartong, und seither kann Mohammed Bin Salman seine architektonischen Phantasien ausleben, die übrigens auch mir gefallen, wie ich an dieser Stelle bereits gesagt habe; auch wenn seine 100 Kilometer lange gerade Linie durch die Wüste etwas linear aussieht und von Stadtplanern aus diesem Grund kritisiert wird, will sagen, die hätten eher einen Kreis gezogen oder wenigstens eine leicht gewellte Linie, so ist das Projekt doch ambitiös und fast pharaonisch, auch in Bezug auf den Anspruch, CO2-neutral zu sein, was ich in solchen Erdölstaaten immer für eine besonders geistreiche Art des Scherzens halte. Zwischenzeitlich erfährt man, dass die Gelder dann doch nicht ausreichen für die ganze Linie, offenbar ist man erst bei Kilometer zwei oder fünf, und Saudiarabien begibt sich zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte an die internationalen Kapitalmärkte, um Staatsanleihen aufzunehmen. Ich bin mir nicht sicher, ob da noch andere Investitionen dahinter stecken als dieser Friedens-Strich; man weiß ja, dass in dieser Region auch viel Geld in Krieg investiert wird, namentlich von Qatar, aber auch von den Vereinigten Arabischen Emiraten habe ich letzte Woche gelesen, dass sie die Hauptfinanciers seien für die aufständische FSR im Sudan und diese von der tschadischen Luftwaffenbasis Amidjaras aus beliefern würden. Kein Wunder, hat der Tschad die Französinnen aus dem Land geworfen. Die FSR hat von sich reden gemacht mit Drohnenangriffen auf Port Sudan, wo sich die wichtigsten Kräfte der regulären Armee und Regierung befinden und das die Rebellen bisher weitgehend in Ruhe gelassen hatten; nun haben sie chinesische Raketen des Typs Norinco BG50A vermittels der Trägerdrohnen CH-95 und Wing-Loong-2 mit einer Reichweite von 1500 km, ebenfalls aus chinesischer Produktion auf die Stadt abgeschossen, was trotz allen staatlichen Dementis von den Emiraten finanziert wurde, und wer hier nicht an den Slogan «Fly Emirates» denkt, hat wirklich keine Phantasie. Die offizielle sudanesische Armee setzt übrigens iranische Drohnen vom Typ Mohajer und Mohajer-6 ein; die sogenannten Kamikaze-Drohnen, welche keine Bomben befördern, werden vor Ort hergestellt, wie auch sonst auf der Welt. Dazu haben die offiziellen Sudanesen noch 6 Bayraktar-TB2-Drohnen von der Türkei gekauft, und mit kurzer Reichweite und beschränkter Nutz- beziehungsweise Bombenlast fliegen kommerzielle und Quadrikopter-Drohnen aus russischer oder chinesischer Produktion.

Man weiß also nicht, wie weit die Golfstaaten ihre Erdölmilliarden neben den Prestigeprojekten in die Beförderung ihrer eigenen Interessen in fremden Staaten pumpen, also diesmal nicht in der Form von Fußballclubs, sondern von echten Waffen in echten Kriegen. Was ich dagegen weiß, ist, dass ich dem saudiarabischen Alleinherrscher, der übrigens im Rahmen seines Aufschwungs zum Alleinherrscher auch den islamischen Klerus weitgehend aus dem Spiel genommen hat, wie dies in der Geschichte überall hin und wieder vorkommt, ob ich Mohammed bin Salman also nicht doch empfehlen sollte, anstelle von geraden Linien einfach Datenzentren zu bauen wie Google und Apple und alle anderen sowie Satelliten in den Weltraum zu schießen nach dem Beispiel von Elon Musk; schließlich kann man im Notfall mit den Satelliten auch Drohnen ins Ziel lenken, und wenn man die Kontrolle über ein eigenes Satellitennetz besitzt, dann ist man zweifellos im Vorteil gegenüber wem auch immer. Dieser Satz gilt übrigens auch für die Vereinigten Staaten von Europa; es wäre mir gewiss lieber, ich könnte hier Botschaften vom ewigen Frieden verbreiten, aber angesichts der Quantensprünge, welche die Militärtechnik in den letzten Jahren erzielt hat, und dem offensichtlichen Willen, diese Vorsprünge auch zum eigenen Nutzen umzusetzen, bin ich dazu im Moment überhaupt nicht in der Lage und werde noch eine ganze Zeitlang nicht zum Kriegstreiber, aber zum Befürworter der Modernisierung in der Rüstungstechnik. Ich habe bisher noch keine Alternative gefunden, die nicht in letzter Konsequenz einer Kapitulation noch vor Beginn der Auseinandersetzung gleichkommt.

Nun kann man sagen, dass die Auseinandersetzung als solche überhaupt keinen Sinn ergibt, da die Wirtschaft und die Bevölkerung der Länder mindestens in der entwickelten Welt derart intensiv miteinander und ineinander verflochten sind, dass jeder Krieg unter ihnen auch zur Selbstzerstörung führt. Aber solange Lastwagenhupen und Wrestler in den einzelnen Ländern für Krieg und Frieden zuständig sind, bilden solche Diskrepanzen bei der Rüstung stetige Gefahrenherde für Drohungen jeglichen Kalibers. Dabei muss ich einräumen, dass die offizielle Rhetorik der Vereinigten Staaten gegenüber Europa ziemlich genau gegenteilig läuft, indem sie ja selber die Aufrüstung des alten Kontinentes fordern, um hier nichts mehr bezahlen zu müssen. Immerhin unterstellen sie eine Aufrüstung mit US-amerikanischem Kriegsgerät, was ziemlich absurd ist, wie man am Beispiel der US-amerikanischen F-35 in Diensten der dänischen Armee gesehen hat, welche im Fall eines Angriffs der USA auf Grönland niemals auf die US-amerikanische Armee schießen würden, sondern geradewegs die dänischen Truppen. Aber das ist ein Detail.

Daneben lese ich, dass sich Griechenlands Finanzen und Wirtschaft wieder einigermaßen erholt hätten; die Ragingagentur Standard and Poor’s erhöhte ihr Länderrating soeben auf BBB, also doch in einige Entfernung zum Schrott-Status. Dank einem kleinen Budgetüberschuss will der konservative griechische Premierminister ein paar Euro für die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft frei machen. Skepsis ist nach wie vor am Platz insofern, als diese Überschüsse fast ausschließlich vom Tourismus und vom Immobiliensektor getragen werden, während im Bereich Industrie und Dienstleistungen weiterhin ein gewaltiger Nachholbedarf besteht; an der politischen und wirtschaftlichen Dominanz der alten Oligarchie hat sich nichts geändert, und was die Qualität der Verwaltung und die Korruption angeht, sind die Damen und Herren dort noch lange nicht aus dem Schneider. Auch hier würden wir Programme mit Datencentern und Raumfahrt empfehlen, aber das internationale Kapital zeigt keinerlei Bereitschaft, sich in ein solches Abenteuer zu stürzen.

A propos Datencenter beziehungsweise Datenverarbeitung: Im gleichen Buch, in dem ich die Geschichte von Mohammed Bin Salmans Konsolidierung seiner Macht in Saudiarabien gelesen habe, findet sich auch eine ausführliche Passage über die Unterstützung der zweiten Wahlkampagne von Barack Obama durch die damaligen Riesen der Datenverarbeitung, insbesondere durch Google und seinen CEO Eric Schmidt. Das Team hatte bereits genaue Angaben zu sämtlichen 70 Millionen Wählerinnen aus dem ersten Wahlgang, und zwar aufgrund von Analysen der Konsumations- und Verhaltensmuster dieser Menschen; auf dieser Grundlage wurden sie mit gezielter Werbung beschossen, allerdings vermutlich etwas wahrheitshaltiger als später die Typen von Cambridge Analytica, aber die Methode war die gleiche. Dass die Internetmogule heute vor der Lastwagenhupe eingeknickt sind, ist ein Phänomen, über welches noch zu diskutieren sein wird; dass sie aber bei den Obama-Kampagnen mit dem Präsidenten auch eine Gesetzgebung zu ihren Gunsten, konkret: eine Nicht-Gesetzgebung im Digitalbereich bezahlten, das muss man doch noch als Ergänzung zur ganzen Obama-Trump-Biden-Trump-Geschichte zu den Akten nehmen. Eben, was ich aus neutraler Sicht dem Mohammed bin Salman empfehlen würde, würde sich in diesen Zusammenhang einreihen, nämlich in die massive Verbreitung der neuen Technologien, welche wir auch künstliche Intelligenz nennen; hauptsächlich geht es aber um eine indirekte Machtübernahme der Datenjägerinnen und -sammlerinnen durch die Analyse derselben. Das Fehlen sämtlicher gesetzlicher Regulierungen in diesem Bereich kann man nicht nur durch die Unterstützung der demokratischen Partei in den Vereinigten Staaten erklären; das hat auch damit zu tun, dass wir auf diesem Gebiet praktisch täglich mit neuen Möglichkeiten konfrontiert werden, was bedeutet, dass die Gesetzgeberinnen zwangsläufig hinterher hinken. Lustig ist bloß, dass im gleichen Zeitpunkt derart laute Scheingefechte ausgetragen werden, Trump mit seinen wunderbaren Zöllen in den Vereinigten Staaten und seinem Macht-Amerika-wieder-groß-Slogan, der sich anfühlt, als würde jemand fordern, man dürfe eine 150 Kilogramm schwere Person nicht verhungern lassen. Dazu kommen in Europa die Rechtsextremen, von denen allerdings meines Wissens noch keiner und keine das Format der Santscha Pantscha erreicht hat, welche geradewegs den Kampf gegen die Windmühlen zum Programm macht. Allerdings ist das ja nicht der wichtigste Bestandteil, sondern die wichtigste Triebkraft der politischen Rechten ist die Bekämpfung der Migration. Das wiederum ist ein anderes Kapitel, das man auch mit der Verschärfung der Grenzkontrollen nicht in den Griff kriegen wird. Damit ich euch hier nicht ganz im Ungefähren hängen lasse, wiederhole ich meinen uralten Grundsatz: Es ist undenkbar, sämtliche Probleme der Entwicklungsländer durch die Emigration der ganzen oder der halben Bevölkerung in die entwickelten Länder zu lösen. Was das in der politischen Praxis bedeutet, darüber wird man noch lange streiten.

Kommentare
15.05.2025 / 18:06 Monika, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
in sonar
am 15.05.. Vielen Dank !