focus europa vom 19.12.2006

ID 15107
 
Nachrichten:
- Steinmeier präsentiert deutsches EU-Ratsprogramm
- Muslime in EU diskriminiert
- Schärfere Sicherheitsregeln für Warenhandel mit der EU
- Tiefkühlen menschlicher Embryonen
Europäisches Patentamt soll gegen Patentgesetze verstoßen

Interview:

mit Tobias Pflüger zu Frontex und deutscher EU-Ratspräsidentschaft
Audio
18:22 min, 17 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 19.12.2006 / 12:34

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Klassifizierung

Beitragsart: Magazin
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Arbeitswelt, Umwelt, Politik/Info
Serie: Focus Europa
Entstehung

AutorInnen: hav/david
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 19.12.2006
keine Linzenz
Skript
Steinmeier präsentiert deutsches EU-Ratsprogramm

Brüssel.- Der deutsche Außenminister Steinmeier stellt Dienstagnachmittag in Brüssel das Programm der deutschen EU-Ratspräsidentschaft vor. Ein zentrales Anliegen dürfte die Wiederbelebung des Verfassungsprozesses sein. Beim EU-Gipfel vergangene Woche hatte mehrere Teilnehmer an Deutschland die Forderung gerichtet, der auf Eis liegenden Verfassung neue Impulse zu geben.
Spanien und Luxemburg luden bereits für den 26. Jänner die Außenminister der dann 18 EU-Staaten, die den Text ratifiziert haben, nach Madrid ein. Im Februar soll ein Treffen jener Staaten folgen, die dies noch nicht getan haben.
Der Verfassungsprozess stockt, seit Franzosen und Niederländer in Volksabstimmungen im Mai 2005 gegen die Annahme votierten. Die deutsche Bundeskanzlerin Merkel forderte ihre EU-Kollegen auf, jeweils eine Vertrauensperson für die künftigen Konsultationen zu benennen.



Muslime in EU diskriminiert

Islamische Migranten in Europa werden laut einer EU-Studie tagtäglich diskriminiert. Ihre Benachteiligung erstrecke sich dabei auf praktisch alle Lebensbereiche wie Arbeit, Wohnen und Bildung, so ein Bericht, den die Europäische Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit (EUMC) gestern vorstellte. Dabei reichten Diskriminierung und Rassismus von verbalen Attacken bis zu physischen Übergriffen. Ein Problem bei der Erfassung der Diskriminierung von Muslimen sei die oft unvollständige Registrierung der Übergriffe.
Zum dem heute veröffentlichten Bericht erklärt die integrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE., Sevim Dagdelen:
Die EUMC fordert von der Politik größere Anstrengungen, um Rassismus, Diskriminierung und Marginalisierung zu begegnen. Neben der Gewalt unterliegen Migrant/innen der Diskriminierung in Schule und Ausbildung, im Berufsleben und auf dem Wohnungsmarkt. Sie sind in besonders hohem Maße von Arbeitslosigkeit betroffen und leben in einer Reihe von Mitgliedstaaten der EU in ärmeren und unsichereren Wohnverhältnissen als der Durchschnitt der Bevölkerung. Diskriminierungserfahrungen bei der Arbeits- oder Lehrstellensuche treffen nach Angaben der EUMC vermehrt Menschen muslimischer oder afrikanischer Herkunft. In diesem Sinne halte ich es für notwendig, dass endlich kollektive Zuschreibungen unterlassen werden, die tradierte rassistische Stereotype befördern. Pauschalisierungen und die Verknüpfung mit Themen wie Terrorismus oder Unterdrückung von Frauen, die Menschen muslimischen Glaubens per se autoritäre, sexistische wie fundamentalistische Grundhaltungen und Verhaltensweisen unterstellen, machen erst ein Klima möglich, das Rassismus und Diskriminierung akzeptiert.


Schärfere Sicherheitsregeln für Warenhandel mit der EU

Die EU-Kommission hat am Montag neue Sicherheitsregeln für das Verbringen von Waren in die bzw. aus der EU erlassen. Begründet werden diese mit der zunehmenden Globalisierung nicht nur des Handels, sondern auch der Kriminalität, und mit der wachsenden Gefahr durch den Terrorismus sowie dem illegalen Handel mit Drogen, Sprengstoffen sowie Nuklear- und Chemiewaffen. Die Verordnung enthält erstens einen EU- Rahmen für das Risikomanagement. Zweitens wird ab 1. Januar 2008 von den Mitgliedstaaten zuverlässigen Unternehmen, die bestimmte Kriterien erfüllen, ein EU-weit anerkanntes Zertifikat eines «zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten» (ZWB) verliehen. Dieses berechtigt zu Erleichterungen bei der Grenzabfertigung. Drittens wird per 1. Juli 2009 eine Voranmeldepflicht eingeführt für Warenlieferungen in die oder aus der EU («24-Stunden-Regel»). Sie soll den Zollbehörden eine Risikoanalyse bereits vor dem Grenzübertritt der Ware sowie die Konzentration auf Hochrisikolieferungen ermöglichen. Die Fristen hierfür variieren beträchtlich. So muss bestimmte Hochsee-Container-Fracht 24 Stunden vor dem Verlad gemeldet werden. Für Schienentransporte wird eine Meldung mindestens 2 Stunden, für Strassentransporte wenigstens 1 Stunde vor Ankunft bzw. Abfahrt am Zollamt verlangt. Das vierte Element bildet ein elektronischer Informationsaustausch zwischen den Zollbehörden über Exporte.





Tiefkühlen menschlicher Embryonen
Europäisches Patentamt soll gegen Patentgesetze verstoßen

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace wirft dem Europäischen Patentamt (EPA) in München vor, "oftmals" gegen die Patentgesetze verstoßen zu haben. Die Organisation will diesen Vorwurf mit einer Dokumentation über Patente auf menschliche Embryonen und Gene, Tiere und Pflanzen, die das Patentamt in den Jahren 2005 und 2006 erteilt habe, belegen. Anlass des Vorstoßes der Umweltschützer ist eine bevorstehende Entscheidung der Großen Beschwerdekammer des Patentamtes über ein Patent zur Verwertung menschlicher Embryonen, gegen das Greenpeace Einspruch eingelegt hatte.
Das Patent (EP 1121015) von zwei Forscherinnen, die mit dem schwedischen Biotechnologieunternehmen Vitrolife kooperierten, umfasse ein Verfahren zum Tiefkühlen menschlicher Embryonen und Keimzellen für die künstliche Befruchtung oder Stammzellforschung. Dabei würden die Embryonen und Keimzellen selbst mitpatentiert, so Greenpeace.
Ein ähnliches Patent des Stammzellenforschers Oliver Brüstle zur kommerziellen Verwertung von Embryonen habe das Bundespatentgericht am 5. Dezember nach einer Klage von Greenpeace in wesentlichen Teilen widerrufen.
"Patente auf Leben haben weniger mit Forschung als mit wirtschaftlichen Interessen zu tun", kritisiert Patentexperte Christoph Then von Greenpeace. "Die Kommerzialisierung von menschlichem Leben darf über Patente nicht gefördert werden." Ähnlich dem Patent von Oliver Brüstle setze das Vitrolife-Patent den menschlichen Embryo mit einer technischen Erfindung gleich und bestätige einen "Monopolanspruch zu seiner wirtschaftlichen Nutzung".

Das kommerzielle Interesse an Patenten führt nach Auffassung von Greenpeace dazu, "dass auch ethische und rechtliche Grenzen bei Patentvergaben überschritten werden". Die Greenpeace-Dokumentation zeige, dass das Europäische Patentamt in den Jahren 2005 und 2006 auf menschliche Gene 472 Patente, auf Tiere 117 Patente und auf Pflanzen 241 Patente vergeben habe. Dabei hat das Patentamt "in mehreren Fällen gegen die Gesetze verstoßen und Patente erteilt, die ethisch nicht vertretbar sind", behauptet die Organisation.

Zu diesen Fällen zähle das Krebs-Affen-Patent EP 811061. Es umfasse auch "Schimpansen, die mit menschlichen Krebsgenen manipuliert werden sollen". In die Tiere, die von Wissenschaftlern aus Belgien und Deutschland "beansprucht werden, sollen Gene eingebaut werden, die vielfältige Krebskrankheiten wie Gebärmutter-, Brust-, Speicheldrüsen-, Knochen-, Haut-, und Blutkrebs auslösen können". Greenpeace kündigte an, auch gegen dieses Patent Einspruch einzulegen.
"Das Patent für Krebs-Affen zeigt, welche perversen Entwicklungen das Patentamt fördert, weil klare rechtliche Grenzen fehlen", so Then. Hier werde nicht nur das Recht beansprucht, an Affen zu forschen. Darüber hinaus sollten die kranken Tiere sogar "als patentgeschütztes Produkt gewinnbringend gehandelt werden". Es gebe kein wirksames Verbot für derartige Patente. Greenpeace fordert daher die Neuverhandlung der EU-Patentrichlinie und ein umfassendes Verbot der Patentierung von Lebewesen und ihren Genen.