Vogel der Woche (145): Der Silberscheibling

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Heute: der furchtbare Silbenscheibling. Erste Selbstanzeigen gab's ja nun schon...
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mp3, 128 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 11.02.2010 / 08:05

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Klassifizierung

Beitragsart: Hörspiel
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Andere, Wirtschaft/Soziales, Internationales, Arbeitswelt
Serie: Vogel der Woche
Entstehung

AutorInnen: Kai
Radio: RUM-90,1, Marburg im www
Produktionsdatum: 11.02.2010
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Skript:

Der Silberscheibling (phoenix incasso RASPELII)

Es gibt seltene Vögel, es gibt sehr seltene Vögel, und es gibt die – in der seriösen wie unseriösen Vogelkunde höchst umstrittenen temporären Solitärvögel. Das sind Vögel, die bestenfalls einzeln, und wenn überhaupt, auch nur alle paar Jahre oder Jahrhunderte mal auftauchen, gesichtet werden, für ordentlichen Wirbel sorgen und dann wieder verschwinden.

Der Phönix zum Beispiel ist so einer. Taucht aus der Asche auf, macht ordentlich Geschrei und verbrennt dann nach einiger Zeit wieder zu nix. Also das perfekte Tier für unser modernes Medienzeitalter: Ordentliche Halbwertszeit, schillerndes Gefieder, sowie ein im Vergleich zum möglichen Erlös sehr geringer Futter- und Platzbedarf machen die phoenixartigen Solitäre zu recht rentablen Gesellen.

Einer von ihnen ist der in den letzten Jahren häufiger aufgetretene Silberscheibling. Der Silberscheibling verbringt seine Jugend in der Regel behütet und beschützt in Spezialzoos mit Hochsicherheitsnestern, wo er kontinuierlich mit Datensätzen gefüttert wird, bis er schön rund und glänzend ist.

Freigelassen wird der Silberscheibling meist von frustrierten Wärtern oder Betreuern, denen man oft nach jahrelanger Aufopferung für Ihre Schützlinge den Stuhl vor die Tür setzt und sie um ihren gerechten Lohn, nämlich die weiter ungenierte Bereicherung aus den schier unermesslichen Töpfen voller Geld, das ihnen nicht gehört, prellt.

Wissend um den Wert ihrer Schützlings versuchen diese frustrierten Tierpfleger nun, Kapital aus dem echten oder zugesprochenen Wert ihres Silberscheiblings zu schlagen und ihn an den Meistbietenden zu verkaufen. Das Wohl des Tieres muss dabei selbstverständlich vor den Interessen des Profits zurückstehen.

Zupass kommt ihnen auch die Tatsache, dass die Phoenixartigen Solitäre trotz ihrer absoluten Seltenheit nicht durch das Washingtoner Artenschutzabkommen geschützt sind und deshalb ungeniert mit Ihnen Handel getrieben werden darf. Das macht die Silberscheiblinge ausgesprochen interessant, vor allem für zwielichtiges Hehlergesindel aus den finstersten Bereichen unserer Gesellschaft als da wären geschasste Banker, Finanzminister, Steuerfahnder, oder Selbstanzeige-Unterstützer aus der Advokaten-Branche.

Dass der Silberscheibling nach einem Verkauf in der Regel brutal ausgeschlachtet und gezwungen wird, all die mühsam angefütterten Datensätze wieder von sich zu geben, ist dann zwar nicht im Sinne des Artenschutzes, liegt aber in der Natur der Sache.

Dass es soweit allerdings gar nicht kommen muss, zeigt der geschickte Umgang mit dem Mythos „Silberscheibling“, nicht mit dem Tier selbst. Alleine die Tatsache, dass der Silberscheibling existiert und die Drohung, ihm unter Einsatz zweifelhafter Methoden seine Datensätze abzupressen, treibt doch auch, getrieben von einer übermäßigen Portion Tierliebe regelmäßig einiges Gelichter auf die Lichtung, das mit einer Flut von Selbstanzeigen versucht, sowohl die Raubadler wie auch das eigene Gewissen wieder zufriedenzustellen.

Ob es eine Rechtfertigung dieses Missbrauchs des Tierschutzgedankens in ethischer, moralischer, oder diplomatischer Hinsicht geben kann, mag dahingestellt sein. Schließlich wurde schon der Bau des Petersdomes in Rom mit Ablasshandel finanziert´: Wenn das Geld in der Kasse klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt! Und unser kleiner Silberscheibling kann da noch am wenigsten dazu.

Und wenn dann die ganze Aufregung verraucht ist, werden wir am Ende wohl wieder das haben, was sowohl im Fegefeuer wie auch beim Werden und Vergehen des Phönix stets von Neuem entsteht: jede Menge heiße Luft.

(Text und Stimme: Kai)

Kommentare
17.02.2010 / 00:15 Kai, Radio Raspel, Bonn, Radiowerkstatt Raspel - Verein für Medien und Bild
Sendung am 5. März
mit HiKEs Stimme im Magazin "Wellensalat" auf Radio Bonn/Rhein-Sieg
 
18.02.2010 / 17:37 marie,
wird gesendet
am montag im "kaffeesatz". schillernden dank