Ist Fastfood eine Gefahr insbesondere für Jugendliche?

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Warum hat Fastfood vielerorts unser traditionelles Essen abgelöst? Was finden Jugendliche gut daran? Was sagen die Ernährungsspezialisten dazu? Und was bieten Schulen als Alternative?
Audio
11:34 min, 21 MB, mp3
mp3, 256 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 31.01.2012 / 12:26

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Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Andere, Wirtschaft/Soziales, Umwelt
Serie: Grünfunk (Greenpeace München)
Entstehung

AutorInnen: Ekkehard Renz (Greenpeace München)
Radio: LoraMuc, München im www
Produktionsdatum: 24.11.2011
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Gefahren der Fastfood-Welle speziell für Jugendliche

Omas Küche scheint gerade bei Jugendlichen nicht mehr in zu sein. Sie gilt als langweilig, zeitraubend und spießig. Doch in dem, was Europas Jugendliche so in sich hineinschaufeln, steckt nur zu sieben Prozent Pflanzliches. Sicher, auch Omas Küche war nicht immer die gesündeste. Doch die Zutaten waren nach Marktlage und aus der Gegend. Sie wurden frisch eingekauft und ebenso frisch verarbeitet. Farb- und Konservierungsstoffe, Geschmacksverstärker, Aromen gab es praktisch nicht. Ach ja, und Fleisch brutzelte höchstens 2 oder 3 Mal die Woche in der teflonfreien Pfanne. Doch was ist aus Omas Küche geworden? Wo gibt es noch ein gemeinsames Essen im Familienkreis? Entwickeln wir uns immer mehr weg von Esskultur hin zu Essstörungen?
Fast Food hat Omas Küche und die Familientafel längst abgelöst. Über den kulturellen Verlust mag man jammern oder auch nicht. Verheerend sind die Folgen für Gesundheit und Umwelt.
So hat die Fettleibigkeit seit 1985 bei Männern um 44 % und bei Frauen um 39 % zugenommen. 15 Prozent der Kinder und Jugendlichen in Deutschland sind zu dick, sechs Prozent von ihnen leiden unter krankhafter Fettleibigkeit. Die Anzahl der fettleibigen Kinder hat sich binnen zwei Jahrzehnten fast verdreifacht. Deutschland liegt beim Übergewichtigkeit nunmehr an Platz 2 in Europa.
Ernährungsberaterin Brigitte Rosenberger leitet seit 2007 die Ausbildung zum ganzheitlichen Ernährungsberater an der Akademie für Homöopathie in Gauting bei München. Welche Anforderungen stellt sie an die Ernährung Heranwachsender?
Statement Frau Rosenberger I – Dauer 1:25
Doch die aus Amerika importierte Realität sieht anders aus. In den Vereinigten Staaten geht mehr als ein Drittel der unter 20-Jährigen mindestens jeden zweiten Tag in ein Fast Food-Restaurant. Deutschlands Kids und Teens sind nicht so weit. Doch auch hierzulande ernährt sich bereits jeder dritte männliche Jugendliche mindestens einmal pro Woche von Burger, Döner und Pizza. Tendenz steigend.
Warum ist Fast Food gerade bei Heranwachsenden so beliebt? Wesentliche Gründe dafür lägen im Elternhaus, sagen die Experten. In immer weniger Familien werde gemeinsam gegessen, geschweige denn frisch gekocht. Lieber mehr Freizeit und dafür weniger Vitamine?
Es wäre zu einfach, nur dem Elternhaus den Schwarzen Peter zuzuschieben. Die Fast Food Industrie hat gerade bei Jugendlichen einen Kultstatus. Über 172 Mio € hat McDonald’s 2010 für Werbung ausgegeben. 6 % mehr als im Vorjahr. Im Fokus: Die Kids und Teens.
Die ungezwungene Atmosphäre von McDonald‘s, Burger King oder Pizza Hut macht diese zu beliebten Treffpunkten. Fast Food ist also auch ein Werkzeug zur Förderung der sozialen Kontakte zwischen Gleichaltrigen. Und: Diese Art zu Essen ermöglicht es, sich von Normen und Verhaltensweisen der Erwachsenen abzugrenzen. Essen ohne Besteck und Geschirr ist unkompliziert und zeitsparend. Doch lassen wir hierzu einen typischen Fast-Food-Kunden zu Wort kommen:
Statement Jugendlicher – Dauer 0:50
Fassen wir zusammen: Das „Schnell-mal-zwischendurch“ und das gemeinsame Esserlebnis mit Gleichaltrigen wird gerade von Jugendlichen als großer Vorteil gesehen. Klar, dass beides zusammen mit Eltern nicht funktionieren kann.
Doch warum gilt Fast Food als ungesund? Würstchen und Fleichpflanzerl gab es schon in Omas Küche. Fast Food, gerne auch als Junk Food verspottet, ist typischerweise reich an Fett und Energie. Wahre Kalorienbomben sind vor allem "Menüs" aus Burger und Pommes Frites, zu denen meist noch ein zuckersüßer Softdrink bestellt wird. Immerhin enthält ein halber Liter Cola 55 Gramm reinen Zucker. Die für ein lang anhaltendes Sättigungsgefühl erforderlichen Ballaststoffe sind unterrepräsentiert. Fast Food weist zudem einen hohen Glykämischen Index auf. Hierzu noch mal die Ernährungsberaterin Brigitte Rosenberger:
Statement Frau Rosenberger II – Dauer 0:40
Fazit: Essen, das hungrig macht, ist gut für das Folgegeschäft. Kein Wunder, dass sich die Fast-Food-Zellen wie Metastasen über die Innenstädte ausbreiten. Burger King, der ewig Zweite hinter McDonalds, will jährlich um 50 Filialen wachsen.
Fast Food hat aber nicht nur bedenkliche Auswirkungen auf die Gesundheit, sondern auch auf die Umwelt. Bereits 2006 warf Greenpeace in seinem Bericht „Eating up the Amazon“, McDonald’s vor für den Rückgang des brasilianischen Regenwaldes verantwortlich zu sein. Burger brauchen Rindfleisch. Rindfleisch braucht Tiermast. Und Tiermast braucht eiweißhaltiges Futter wie Sojaschrot – und für die Anbauflächen wird Urwald abgeholzt. Klingt einfach, ist es auch, nur eben mit verheerenden Folgen.
Inzwischen hat Fast Food längst auch die Randbezirke der Metropolen erfasst. Im Fokus sind Schulen und Schulwege. Nehmen wir Gauting im Südwesten Münchens mit seiner überregional bedeutsamen Realschule als Beispiel. Auf dem 600 Meter langen Weg zwischen S-Bahnstation und Schule sind 700 Realschüler den Verführungskünsten von 4 Fast Food Anbietern ausgesetzt.
Es ist nun keinesfalls so, dass die Jugendlichen nicht aufgeklärt wären. Studien ergaben, dass die Bedeutung einer gesunden Kost den jungen Menschen theoretisch längst klar ist. Doch offensichtlich will der Bauch etwas anderes als der Kopf.
Neben den Elternhäusern sind auch die Schulen in der Pflicht. Wie ist es denn nun um die gesunde Ernährung in den Schulküchen und Mensen bestellt?
Dies ist leider zunächst einmal eine Frage des Preises. Im Gegensatz zu anderen Ländern wie etwa Italien, wo die Schulverpflegung über staatliche Ämter einheitlich geregelt und bezuschusst wird, muss ein deutscher Anbieter in der Regel mit Portionspreisen zwischen 1,50 und 4 Euro kalkulieren. Doch fragen wir jemanden, der es wissen muß. Frau Petrone ist Betreiberin von Il cielo, einem Spezial-Cateringunternehmen, das die Mensen von 6 Schulen im Großraum München bewirtschaftet und dabei voll auf Bio setzt. Findet sich da tatsächlich eine finanzielle Schnittmenge zwischen Eltern, die bezahlen, den Schülern, die das essen müssen und letztendlich dem Betreiber, der Geld verdienen will?
Interview Frau Petrone – Dauer 1:15
Kommen wir zurück zum Elternhaus. Esskultur und gesunde Ernährung kann nur hier nachhaltig vermittelt werden. Die Schule muss ihren Teil beitragen. Gemeinsames Einkaufen und Zubereiten der Nahrung sind nach wie vor die besten Abwehrmittel gegenüber den Verlockungen von Döner, Burger und Pizza. Freilich, das kostet Zeit. Aber in Omas Kochbuch zu stöbern und dies und jenes auszuprobieren dürfte auch Kids und Teens Spaß machen.