"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - "Doch ein guter Witz" -

ID 50112
 
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Nur wer seine Herkunft kennt, weiß, wo er hin geht, und deshalb ein Witz aus alten Zeiten: In der Hochzeitsnacht liegen die frisch Vermählten im Bett, er ist aber fürchterlich schüchtern. Sie sagt: Schatz, es zieht, mir ist kalt. Er antwortet: Oh, da, nimm doch die Decke, Schatz. Sie kurz darauf. Schatz, mir ist immer noch kalt, es zieht halt schon furchtbar. Darauf er: Oh, hier, nimm auch meine Decke. Sie etwas später: Es zieht immer noch, jetzt ist mir erst recht kalt. Er: Soll ich dir noch eine Decke holen? Da setzt sie sich verärgert auf und fragt:
Audio
11:26 min, 13 MB, mp3
mp3, 160 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 08.08.2012 / 11:13

Dateizugriffe: 1206

Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Wirtschaft/Soziales
Serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung

AutorInnen: Albert Jörimann
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 31.07.2012
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Hat dir deine Mutter eigentlich nie gesagt, was die Frauen unten am Bauch haben? Und er begeistert: Dochdoch, da kommt doch der ganze Luftzug her. Yo, Mann, darüber lachten unsere Großeltern, sagen wir mal: vielleicht, das hängt stark von ihrer Disponibilität für niemals verletzenden Humor sowie davon ab, welcher sozialen Schicht oder gar Klasse sie zugehörten. Mich aber belustigt diese Sorte der Verklemmung, natürlich vor allem, weil sie im vorliegenden Fall auch sehr gut grafisch gespiegelt ist. Sie stammt natürlich aus einer Zeit, da zwischen den Betten der Eheleute noch das bestand, was die Fachwelt «einen Spalt» nannte, während dies heute ebenso zu verschwinden droht wie die Ehe selber. Und soweit man doch noch heiratet, ist die Scheidung auch schon eingeplant. Mich wundert es bloß, dass es die Menschheit noch nicht geschafft hat, aus der Scheidung einen ebenso freudvollen Anlass zu machen wie aus der Heirat, so wie man sich ja auch nach der Beerdigung am Leichenmahl erfrischt. Jedenfalls hörte ich kürzlich auf der Straße einen über 70-Jährigen sagen, dass er bald der einzige aus seiner Schulklasse sei, der noch nicht geschieden sei. Jaja, und eben, bezüglich dieses Witzes braucht man sich eines kleinen Lachreflexes überhaupt nicht zu schämen. Man braucht sich aber auch nicht zu schämen, wenn einen dieses Relikt aus frühen sexualmoralischen Epochen überhaupt nicht anspricht; trotzdem handelt es sich um eine kleine Wegmarke auf dem Weg zur entfesselten Sexualität von heute.

Es gibt viele SexualforscherInnen, welche in der völlig freigegebenen Geschlechtlichkeit intensiv nach Hinweisen auf eine neue repressive Struktur suchen. Der Feminismus beruht auf der Aussage, dass die Unterdrückung der Frau zentral im Sexualverhalten organisiert wird. Die Missionarsstellung bringt das perfekt zum Ausdruck: Mann oben, Frau unten. Was sie mit Missionieren zu tun hat, leuchtet nicht auf Anhieb ein, das kann aber in der Wikipedia schnell nachgeblättert werden. Jedenfalls bleibt die männliche Dominanz eine gesellschaftliche Konstante, unabhängig davon, ob sie sich auf der Ebene der Chromosomen oder der primären Sexualmerkmale entwickelt oder anderswo, wobei dieses anderswo durchaus ein paar Gedanken wert wäre: Wo denn tatsächlich? Tatsache bleibt aber in jedem Fall, dass zwar immer mehr Frauen in den geisteswissenschaftlichen Fächern an die Universität drängen, während die Wirtschaftswissenschaften und vor allem die Technik eine Männerbastion bleiben. Ich gehe davon aus, dass nicht einmal auf dem Gebiet der ehemaligen DDR heute noch annähernd gleich viele Frauen einen technischen Beruf erlernen wie vor dem Fall der Mauer. Und in den Verwaltungs- oder Aufsichtsräte oder in jenen Positionen, in welchen Bonuszahlungen in Millionenhöhe anfallen, sind Frauen mager vertreten. Man kann auch bei den vermögendsten Personen suchen: In den Vereinigten Staaten findet man auf Rang 6 Christy Walton und auf Rang 10 Alice Walton vom Wal-Mart-Konzern – das erinnert übrigens an all die reichsten Deutschen Supermarktbesitzer, u.a. deshalb, weil auf Rang 9 Jim und auf Rang 11 S. Robson Walton von der gleichen Familie liegen –, und dann folgt auf Rang 20, zusammen mit Forrest und John Mars, Jacqueline Mars und weiter hinten auf den Rängen 26 und 29 Anne Cox Chambers und Abigail Johnson; an die Stelle von Steve Jobs mit der Nummer 39 ist seine Witwe Laurene Powell Jobs getreten. Das bleiben dann aber die einzigen in den 50 Spitzenpositionen, und erst auf Rang 96 folgt die Witwe des Medizinalgeräte-Herstellers William Cook, gleichauf mit Milane Frantz, kurz: 6 der 50 reichsten und 8 der 100 reichsten US-AmerikanerInnen sind Frauen. Weltweit belegt Christy Walton den 11. Rang, und auf Platz 15 finden wir Liliane Bettencourt, die Eigentümerin von L’Oréal und Schmiererin von Nicolas Sarkozy. Nummer 17 ist Alice Walton, Nummer 29 die Australierin Georgina Rinehart, Nummer 32 die Chilenin Iris Fontbona, auf Rang 50 liegt die Schwedin Birgit Rausing, gefolgt von Jacqueline Mars auf Platz 52 und dann von Susanne Klatten mit Nummer 59, die noch vor ihrem Bruder Stefan Quandt auf Platz 76 liegt. Abigail Johnson bekleidet Rang 85 und die Quandt-Mutter Johanna Platz 88. Platz 100 nimmt Laurene Powell Jobs ein. Weltweit sind also ebenfalls 6 der reichsten 50, aber immerhin 11 der reichsten 100 Menschen weiblichen Geschlechts. – Sollte aber die mächtigste Frau der Welt die Queen von England sein, dann würde das die ganze Hierarchie entweder auf den Kopf stellen oder aber erst recht eine Männerdominanz belegen, welche sich als Verzierung oder Adorno an der Spitze eine Frauendekoration leistet.

Wie auch immer: Feminismus ist out, und das scheint mir völlig in Ordnung, weil sich nämlich die Geschichte niemals linear entwickelt, sodass man ruhig auf die Rückkehr der Frauenbefreiung als politische Forderung warten kann. Vielleicht muss man lange warten, aber das dürfte für die Sphäre des Politischen insgesamt zutreffen. Aber außerhalb des Politischen werkelt die Wissenschaft weiter, eben zum Beispiel rund um die Frage, ob die Lustbefriedigung auch unter modernen Lebensverhältnissen der Etablierung oder Zementierung von Machtverhältnissen diene. Das Buch «neunhundertsiebzehn Grauschattierungen» könnte als Beweis dafür dienen; hier handelt es sich offenbar um die Konzelebration der Unterwürfigkeit eines weiblichen Subjekts unter – na ja, halt unter das männliche Objekt, meinetwegen. Nichts Neues unter der Sonne, könnte man sagen; vor 60 Jahren war es die Histoire d’O, heute sind es Grauabstufungen, Hauptsache, die Frau kriecht vor dem Mann im Staub. Ich denke, auch Houellebecq und Charlotte Roche lassen sich in diese Reihe einpassen. Und trotzdem dürfte von etwas anderem die Rede sein. Im Staube winden sich nämlich oft und gerne auch Spitzenmanager, wenn es sich nämlich um ein inszeniertes Setting mit klaren, ritualisierten Rahmenbedingungen handelt; die Domina ist das weibliche Pendant zu diesem Herrn im grauen Anzug, den ich im Übrigen nicht näher kenne. Und somit verkneift man es sich lieber, die Geschlechterplatte abzuspielen, was ja nicht heißt, dass sich nicht einige Elemente davon mit im Spiel befinden.

Wenn man eine Linie zieht vom Hochzeitsnacht-Witz zu den Graustufen, erkennt man fast keine Verwandtschaft. Der Bräutigam weiß noch nicht mal, was Sexualität ist, und in den Graustufen geht es längst nicht mehr um den Beischlaf, sondern um eine Metamorphose des Individuums, welches nicht die bedingungslose Unterwerfung, sondern das bedingungslose Vertrauen sucht, also eine Form von Wahrheit, welche sich vermutlich auf der ganzen Welt nicht findet außer eben in einer Rahmenhandlung mit Schnüren. Die Schnur als Surrogat der Wahrheit – wenn man hier noch den Strick dazu rechnet, an welchem sich die Lebensmüden aufhängen, kommen wir auf ein abgerundetes Weltbild. Was die Frau darin für einen Stellenwert hat oder aber der Mann, das muss sich dann jeder selber ausdröseln.

Heute macht man andere Witze. Letzthin verfolgte ich im Zug ein Fachgespräch über die neueste Generation von Grillgeräten, das muss euch als Wächter der heiligen Bratwürste unbedingt auch interessieren. Zusammengefasst steht die Grilltechnik, was rede ich von Technik, hier ist der Begriff Technologie am Platz, also die Grilltechnologie steht heute da, dass das Grillgerät intelligent ist und erkennt, welches Stück Fleisch sich auf dem Rost befindet, Schweinshals, Schweinshaxe, Rindshohrücken, Filet von Schwein oder Rind oder Katz, Koteletten aller Art sowie ein Universum an Würsten, alle mit eigenem Programm, und damit nimmt der Automat den Grillprozess ganz und gar selbständig vor. Ich nehme an, dass man diesem Grillgerät auch nicht mehr mitteilen muss, ob das Grillgut ganz oder halb durchgebraten oder saignant heraus kommen muss, das wird technologisch intuitiv erfasst. Daran musste ich auch denken, als ich letzthin als Beifahrer in einem Automobil jüngeren Zuschnittes mitfuhr. Seltsamerweise machte das Gerät keine Mucken, als ich mich auf dem Hintersitz nicht anschnallte; aber sonst erwies es sich als höchst kommunikativ. Besonders ins Ohr gestochen ist mir die Meldung bei Nichteinhalten des seitlichen Abstandes; wir fuhren nämlich auf einem Naturweg in eine Art von Alphütte hinauf, und das Ding quietschte ununterbrochen, weil sein Besitzer noch nicht dazu gekommen war, die Bedienungsanleitung bzw. das Programmiererhandbuch zu studieren. Aber auch sonst gibt es jede Menge von nützlichen Hinweisen auf Tempoüberschreitungen, zu nahes Auffahren auf den Vordermann usw.; ich gewinne den Eindruck, dass Autofahren früher einen größeren Unterhaltungswert hatte. Heute kann man ja bereits seinen Mercedes automatisch seitwärts einparkieren lassen, und der Autopilot ist mit Sicherheit eine Realität in den meisten Modellen, bloß die zuständigen Straßenbauer und –betreiber haben noch keine entsprechenden Führungsleitungen eingezogen. Vielleicht lässt sich das aber mit dem GPS letztlich auch ohne zusätzliche Leitspur realisieren.

Noch was anderes. Ich hatte hier vor zwei Wochen die Vermutung geäußert, dass in Syrien eine Allianz zwischen den USA und den Saudiarabiern am Werk sein könnte bzw. hinter den wunderbaren Aufständen stünde. So ganz sicher bin ich mir natürlich nicht; die Hypothese erinnert mich auch etwas zu stark an Verschwörungstheorien. Aber ausschließen will ich’s nach wie vor nicht; der Bürgerkrieg breitet sich für meine Einschätzung etwas zu rasch aus für einen friedlichen Aufstand der braven Bevölkerung. Aber wie auch immer: So richtig auf den Sack geht mir auch hier wieder bloß die Fernseh-Berichterstattung, in welcher Kamerad Assad zum Vornherein der Schweinehund ist, der verantwortlich ist für alle Stich- und Hiebwunden und für sämtliche verlorenen Gliedmaßen in der Zivilbevölkerung, während eben die Gegenseite wohl nur humanitäre Munition verschießt und Anschläge mit Rotkreuz-Sprengstoff verübt. Irgendwo durfte letzthin mal ein Mitglied einer Anti-Assad-Miliz seinen Armstumpf in die Kamera halten, was optisch als Beweis dafür fungierte, wie massenmörderisch sich doch dieses Regime verhält, schießt dem sein Militär doch voll einem demokratischen Bürgerwehrler einen Arm ab! Das geht doch nicht! – Mich erinnert diese Berichterstattung immer an die Vegetarier, die kein Blut sehen können oder aber Mitleid haben mit den geschöpften Geschöpfen Gottes. Um wie viel mehr muss man Mitleid haben mit den armen Opfern von Bashir al Assad, während eben die Anschläge von Aleppo und in allen anderen Städten letztlich nur dem vom Blut seiner Untertanen lebenden Tyrannen gelten. Das ist doch schrecklich und für mich, der ich mit diesem Krieg ansonsten in keiner Art und Weise befasst bin, letztlich fast schrecklicher als der Krieg selber. Nicht, weil ich den Krieg gut finde oder den Assad besonders spitze, sondern wegen der Heuchelei, wegen dieser vermeintlichen politischen Korrektheit, die ich eben im Verdacht habe, ihrerseits zu den Missständen auf dieser Welt beizutragen. Und Missstände gibt es nach wie vor genug, Bürgerkrieg in Syrien hin oder her.

Kommentare
30.08.2022 / 14:30 John, Radio F.R.E.I., Erfurt
Auszug verwendet im kleinen feinen großen FRN-Quiz 2022
Danke. Hier geht's zum Beitrag: https://www.freie-radios.net/117215