Die erste soziale Klasse erblickt das Licht der Welt Mesopotamien Teil II

ID 73229
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49:22 min, 45 MB, mp3
mp3, 128 kbit/s, Mono (44100 kHz)
Upload vom 22.10.2015 / 15:51

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Klassifizierung

Beitragsart: Rezension
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Internationales, Kultur, Politik/Info
Serie: grund.funk
Entstehung

AutorInnen: Monika Ohl-Albert, Jörg Albert
Radio: bermuda, Mannheim im www
Produktionsdatum: 22.10.2015
Folgender Teil steht als Podcast nicht zur Verfügung
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Skript
An dieser Stelle setzen wir den Vortrag eines Essays des amerikanischen Ökonomen Michael Hudsons “Landmonopolisierung, Staatskrisen und Schuldenerlasse” im Mesopotamien der Bronzezeit fort. Der erste Teil ist auch Audiodatei und Skript hier unter freie-radios.net zu finden.

Was kümmern uns Landmonopolisierung und Staatskrisen im alten Mesopotamien? Nicht wirklich viel. Was uns kümmern könnte, wäre der Nachweis der ersten privaten Aneignung an Grund und Boden und deren verheerende Auswirkungen auf das Wohlergehen des damals entwickeltsten Teil der Menschheit.

Im ersten Teil des Vortrags ging es weitgehend um Verhältnisse vor der Landnahme großer Subsistenzflächen durch eine neu entstandene Schicht einer parasitären Landaristokratie. Land diente vorher ausschließlich der Selbstversorgung. Nur dadurch konnte die militärische Macht des Tempels und später Palastes erhalten werden - der Organisatoren des Gemeinwesen. Teil der sumerisch-mesopotamischen Gemeinschaft zu sein war gleichbedeutend mit Landbesitz zur Selbstversorgung und Militärdienst.

Wenn bäuerliche Landbesitzer sich verschuldeten, taten sie dies bei archaischen Zinssätzen von 30 Prozent. Das war auch der Satz, den Pächter von Ländereien dem Tempel und Palast zu entrichten hatten. Man kann daraus schließen, dass das landwirtschaftliche Mehrprodukt auch bei etwa bei mindestens 30 Prozent lag. denn nur dann konnte ein Schuldner seine Schulden bezahlen und gleichzeitig überleben.

Konnte der Schuldner damit nicht überleben, geriet dieses System in Ungleichgewicht, d.h. überforderte die Zins- und Tilgungslast die Leistungsfähigkeit der Schuldner, wurden regelmäßig Entschuldungsedikte erlassen. Der Zustand vor der Verschuldung wurde wieder hergestellt. Das ging natürlich nur, so lange der Gesetzgeber gleichzeitig der letzte Gläubiger war.

Im heutigen zweiten Teil der Schuldengeschichte Mesopotamiens geht es vor allem darum, was passiert, wenn Gruppen sozial definierter Individuen zwischen öffentlichem Gläubiger und bäuerlichem Schuldner auftauchen.

Hudsons Darstellung berührt auch ein weit verbreitete Geschichtsauffassung, die auf die eine oder andere Art einen aufsteigenden Fortschritt der Menschheit annimmt.

Zu Beginn eines in vielen Varianten verbreiteten Narratvs der Entwicklung des Menschen steht etwa der edle Wilde Rousseaus, der noch nicht von der Gesellschaft verdorben ist oder die positiv besetzte Ancient Society, der Urgesellschaft - nach dem US-amerikanischen Anthropologen Lewis Henry Morgan.

Danach kommt nach diesen Darstellungen der Sündenfall, Bei Rousseau in die Zivilisation selbst, bei Morgan in die Barbarei, die erst durch kulturelle Errungenschaften in die Zivilisation übegeht.

Friedrich Engels, Anhänger des Morganschen Ansatzes hat daraus eines der Grundwerke des kanonischen Marxismus entwickelt “Der Ursprung---”, wobei er den Dreiklang Morgans “Urgesellschaft-Barbarei-Zivilisation“ersetzt hat durch den Fünfklang Urkommunismus-Sklavenhaltergesellschaft-Feudalismus-Kapitalismus- Sozialismus.

Hudson dagegen verschiebt das Moment des sozialen Sündenfalls weit in die jüngere Geschichte der Menschheit, dorthin, wo der Konflikt um den geschaffenen Reichtum - das Mehrprodukt - erstmals massiv stattfand. Erst die Technologien der Secondary Products Revolution im 4. Jahrtausend v.Z schafften hortbares Mehrprodukt in großem Maßstab etwa als Gerste, Olivenöl, Wein, Transportmittel, Infrastruktur oder Importgüter, die gegen Mehrprodukt eingetauscht worden waren. Hier setzt für ihn ein bis heute ausgetragener Kampf zwischen Landaristokraten und anderen besitzenden Klassen und den Besitzlosen ein

Hudsons Darstellung entfernt sich von Vorstellungen einer Entwicklung hin zum sozialen Fortschritt der Menschheit überhaupt. Vielmehr ist der Kampf um die Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums immer wieder neu zu führen. Eher glücklichere Zeiten der Menschen sieht er dort, wo die vorherrschende Geschichtsschreibung eher dunkle Zeitalter vermutet: im frühen Mesopotamien, im Sparta des antiken Griechenlands oder im oströmischen byzantinischen Reich um Konstantinopel . Katastrophale Zeiten für die Mehrheit der Menschen sieht er dagegen im antiken Imperium Romanum oder im gegenwärtigen Zeitalter des US-amerikanischen Super Imperialism - so auch der Titel eines Buches von Hudson

Eine Konsequenz: Wir werden wohl ohne die Tröstungen einer erlösenden Zukunft auskommen müssen. Nichts spricht dafür, dass aus Krisen zwangsläufig Lösungen erwachsen.

Was bleibt ist die Notwendigkeit, sich bescheiden und geduldig für eine Gesellschaft einzusetzen, bei der der geschaffene Wohlstand bei seinen Produzenten bleibt und Grund und Boden denen gehört, die dort wohnen oder arbeiten.