"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Afrika im Juli

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Was machen eigentlich unsere Freunde in Afrika, während die Engländer die Europäische Union auseinander nehmen? Ich gucke mal wieder nach in meinem, zugegebenermaßen nicht nur repräsentativen beziehungsweise hauptsächlich frankophonen Organ «Jeune Afrique». Immerhin wird hier von einer Reise berichtet, welche der israelische Ministerpräsident in diesen Tagen durch Uganda, Kenia, Äthiopien und Rwanda unternimmt. Gleichzeitig spendiert der israelische Staat die Summe von 13 Millionen Dollar für einen neuen Investitionsfonds, der zusammen mit der Weltbank geführt wird. Nun, ein anständiger afrikanischer Diplomat nimmt auch 13 Millionen, auch wenn sich der Betrag im Vergleich zum gesamten Budget der Entwicklungszusammenarbeit bescheiden ausnimmt. In Uganda nahm Netanjahu an den Erinnerungsfeierlichkeiten für die Befreiungsaktion von Entebbe teil, bei welcher die israelische Armee vor vierzig Jahren ein Passagierflugzeug der Air France gestürmt hatte, welches von deutschen und palästinensischen Terroristen entführt worden war. Dabei kam offenbar auch ein Bruder von Netanjahu ums Leben. Die Reise ist verbunden mit einem kleinen Gipfeltreffen mit sechs afrikanischen Staatschefs, namentlich Südsudan, Tansania, Rwanda, Kenia, Äthiopien und Uganda, und sie bringt in Erinnerung, dass Israel die nordafrikanische Welt als feindlich einstuft, aber mit den übrigen Staaten Afrikas gute Beziehungen unterhält oder zu unterhalten versucht.
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09:14 min, 21 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 07.07.2016 / 16:15

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Klassifizierung

Beitragsart: Kommentar
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Wirtschaft/Soziales
Entstehung

AutorInnen: Albert Jörimann
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
Produktionsdatum: 05.07.2016
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Ein anderer Artikel beschäftigt sich mit den chinesischen Investitionen in Algerien. Hier hat allein die China State Construction Engineering Corporation in den letzten Jahren Aufträge für über 5 Milliarden Dollars erhalten, unter anderem für eine riesige Wohnsiedlung im Westen der Hauptstadt Alger, aber auch für den Bau der Grossen Moschee von Alger, welche das drittgrößte Kirchengebäude der Welt werden soll und rund 1.5 Mia. Dollars kostet. Insgesamt sollen heute in Algerien an die 800 chinesische Unternehmen tätig sein, welche unter anderem 40'000 chinesische Staatsangehörige beschäftigen. Dass dabei oft auch Bestechungsgelder mit im Spiel sind, versteht sich von selber, das ist bei Großaufträgen auch in Europa und in den USA nicht anders, und für Algerien trägt die Jeune Afrique nach, dass gegenwärtig internationale Untersuchungen wegen Korruption im Gang sind gegen die italienische Firma Saipem, welche einen Auftrag über 8 Mia. Euro an Land gezogen hat, sowie gegen die kanadische SNC-Lavalin mit einem solchen über 6 Mia. Dollar im Bereich Wasser und Energie.

Daneben ist China unterdessen zum wichtigsten Handelspartner Algeriens aufgestiegen, noch vor Frankreich. Und so zeigt sich auch hier, wie konsequent die Chinesen mit den enormen Handels­über­schüs­sen umgehen, welche sie zwanzig Jahre lang angehäuft haben: Sie dienen seit mehreren Jahren als Grundlage für eine globale Wirtschaftspolitik, dank der China in Kürze auf gleicher Höhe agieren wird wie die Vereinigten Staaten und das zerstrittene Europa. Die Strategie ist im Prinzip vollkommen simpel, es kommt nur darauf an, sie umzusetzen, und dazu ist China offen­sicht­lich ausgezeichnet imstande. Einmal abgesehen davon, dass auch andere Staaten wie eben die Vereinigten oder die europäischen darin ja nicht besonders schlecht sind, während wiederum andere Länder, welche seit einem halben Jahrhundert im Geld schwimmen, namentlich im Nahen Osten, aus ihrem Reichtum praktisch überhaupt nichts gemacht haben.

Das junge Afrika meldet sodann weitere Anschläge auf die Erdöl- und Erdgas-Infrastrukturen im Niger-Delta, in Nigeria. Verantwortlich zeichnet eine Gruppe, die sich die Rächer des Niger-Delta nennt. Das Wiederaufflammen solcher Anschläge wird allgemein auf die Absicht des neuen nigerianischen Präsidenten Buhari zurückgeführt, ein früheres Amnestieprogramm für ähnliche Rebellengruppen abzubrechen. Dieses war vor sieben Jahren in Kraft getreten nach jahrelangen Unruhen, bei denen die bewaffneten Gruppen einen höheren Anteil an den Erdöl-Einnahmen für die lokale Bevölkerung forderten. Daneben taucht China auch in Nigeria als Investor auf; wie im Fall von Algerien interessiert sich die asiatische Supermacht nicht nur für den Eintritt in die lokalen Märkte, sondern auch für den Rohstoff Erdöl.

Im Zusammenhang mit dem Erdöl sticht eine weitere Meldung ins Auge: Angola hat die Verhandlungen über ein Hilfspaket des Internationalen Währungsfonds in der Höhe von 4.5 Milliarden Dollar abgebrochen, und zwar, wie es heißt, eben wegen der Aussichten auf einen Wideranstieg der Erdölpreise. Der Preiszerfall hatte dem Land so stark zugesetzt, dass es im April 2016 einen entsprechenden Kreditantrag gestellt hatte, der jetzt offenbar hinfällig geworden ist. Trotzdem bleibt man vorderhand noch im gegenseitigen Gespräch; man weiß ja nie, was noch kommt.

Gegen die Steinzeit-Terroristen von Boko Haram läuft gegenwärtig eine koordinierte Militäraktion von Truppen aus dem Niger, dem Tschad, aus Nigeria und aus Kamerun, konzentriert auf die Region um den Tschad-See sowie entlang dem Fluss Komadougou, der die Grenze zwischen Nigeria und dem Niger bildet.

In der Demokratischen Republik Kongo neigt sich die Amtszeit von Präsident Joseph Kabila dem Ende zu, mindestens wenn nicht in den nächsten Monaten noch ein paar Gesetze abgeändert werden. Die Opposition scheint sich bei einem Konklave in Belgien unter dem Poliveteranen Etienne Thisekedi einigermaßen geeinigt zu haben, Thisekedi wäre demnach ein logischer Kandidat; aber wie sich das bis im November entwickelt, bleibt abzuwarten.

Neben Benjamin Netanjahu hat auch Michelle Obama eine Afrikatour angetreten, und zwar am 26. Juni, welche sie über die Kapverden nach Liberia und nach Marokko geführt hat.

In Burkina Faso soll im nächsten Jahr die Goldmine Houndé die Produktion aufnehmen. Eigentümer ist die kanadische Firma Endeavour Mining. Offenbar sind die Chinesen noch nicht zum Gold vorgestoßen. Dafür will der chinesischstämmige Jean Ping als Oppositionsführer bei den Präsidentschaftswahlen in Gabun antreten. Immerhin. Derweil zieht sich in Burundi die politische Krise in die Länge, welche vor allem durch den Willen von Präsident Pierre Nkurunziza ausgelöst wurde, bei den Wahlen zum dritten Mal anzutreten, was laut Verfassung verboten ist. In Zentral­afrika dauern die Unruhen ebenfalls an; gegenwärtig werden sie geprägt durch Vorwürfe an die Friedenstruppen, dass Mitglieder dieser Truppe sexuelle Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung begingen. Daneben gibt es immer wieder Scharmützel zwischen der ehemaligen Seleka und anderen Gruppierungen, zwischen muslimischen und christlichen Bewaffneten, aber auch innerhalb dieser Bewegungen.

Moçambique wiederum hat andere Sorgen. Die Staatsverschuldung ist innerhalb von fünf Jahren von 38% des Bruttoinlandproduktes auf 61% im Jahr 2015 gestiegen, und die Währung Metical ist nur noch halb so viel wert wie vor einem Jahr. Im Frühjahr vermochte eine staatliche Gesellschaft einen Kredit von 180 Millionen Dollar an die russische VTB-Bank nicht zurückzuzahlen, und der Staat ist offenbar auch nicht eingesprungen. Die Ratingagentur Moody’s hat das Länderrating von B3 auf Caa1 zurückgestuft.

In Sambia dagegen macht der Bau von zwei Solarkraftwerken mit einer Kapazität von je 50 Megawatt Schlagzeilen. Die Firma Neoen aus Frankreich und die italienische Enel liegen dafür am besten im Rennen. Die Weltbank beteiligt sich an diesem Projekt im Rahmen der Förderung solcher Elektrizitätserzeuger auf dem ganzen Kontinent. Weiter im Spiel im Rahmen dieser Weltbank-Initiative sind EDF Energies nouvelles, die südafrikanische Mulilo, die britische Globeleq und die chinesische Schangahi Electric Power.

Aus Zimbabwe erreicht uns die Nachricht, dass der Dauer-Oppositionsführer Morgan Tsvangirai an Dickdarmkrebs erkrankt ist. Der Diktator Robert Mugabe hat derweil im Februar seinen 92. Geburtstag gefeiert.

Nicht ganz zu Afrika zu rechnen ist das noch vereinigte Königreich, obwohl eines der Geheimnisse des Ja zum Brexit darin besteht, dass ja über lange Zeit hinweg keineswegs die europäische Per­so­nen­freizügigkeit für die freizügige Zuwanderung gesorgt hat, sondern in erster Linie die Freiheit für Menschen aus den ehemaligen englischen Kolonien, egal, ob aus Indien, Pakistan oder eben Nigeria und so weiter. Immerhin tauchen die Führungsfiguren der Brexit-Kampagne jetzt geradezu reihen­weise ab, sofern die beiden Knallfrösche Boris Johnson und Nigel Farage eine Reihe bilden können. Das hätte man sich nun anders gewünscht, nämlich dass die die Suppe auch auslöffeln, welche sie ihrem Land und dem ganzen Kontinent eingebrockt haben. Die Kampagne hat sie aber ihrerseits zu Parias gemacht, sie triumphieren zwar, verfügen aber über keinen Apparat, welcher diesen Triumph in irgendeinen persönlichen Machtzuwachs umsetzen könnte. Immerhin: So widerlich die beiden Figuren auch anmuten mögen, so bleibt doch unbestritten, dass es eine Mehrheit der Bevölkerung für das Abstimmungsergebnis besorgt war und nicht die beiden Hanswurstens. Chancen und Risiken von Volksabstimmungen – darüber muss man sich in Zukunft vermehrt Gedanken machen.