Der Deal zwischen Lidl und Bioland - Ein weiterer Niedergang der Bio-Lebensmittel-Branche

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Der Bio-Lebensmittel-Erzeugerverband Bioland hat mit dem Discounter Lidl einen "Kooperationsvertrag" abgeschlossen. Die ersten Bio-Lebensmittel mit Bioland-Siegel sollen bereits Anfang November in den deutschlandweit rund 3.200 Lidl-Filialen angeboten werden. Dies markiert einen weiteren Schritt beim Niedergang der Bio-Lebensmittel-Branche.
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Upload vom 14.11.2018 / 00:28

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Klassifizierung

Beitragsart: Nachricht
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Politik/Info, Umwelt, Wirtschaft/Soziales
Serie: Burning Beds
Entstehung

AutorInnen: Klaus Schramm
Radio: RDL, Freiburg im www
Produktionsdatum: 14.11.2018
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Der Deal zwischen Lidl und Bioland
Ein weiterer Niedergang der Bio-Lebensmittel-Branche

Der Bio-Lebensmittel-Erzeugerverband Bioland hat mit dem Discounter Lidl einen "Kooperationsvertrag" abgeschlossen. Die ersten Bio-Lebensmittel mit Bioland-Siegel sollen bereits Anfang November in den deutschlandweit rund 3.200 Lidl-Filialen angeboten werden. Dies markiert einen weiteren Schritt beim Niedergang der Bio-Lebensmittel-Branche.

Ab Anfang 2019 sollen dann entsprechend der Vereinbarung rund 200 Bioland-Produkte unter der Lidl-Eigenmarke 'BioOrganic' erhältlich sein, darunter vor allem Bioland-Milch und -Molkereiprodukte. Die Kooperationsvereinbarung hat in großen Teilen der Bio-Lebensmittel-Branche für Entsetzen gesorgt. Bioland-Präsident Jan Plagge versuchte dem zu begegnen, indem er in einem internen Rundbrief schrieb: "Es ist mir wichtig nochmals zu betonen, daß diese Kooperation keinesfalls Hals über Kopf eingegangen wurde." Die Partnerschaft mit Lidl sei ein Weg, um "möglichst vielen Menschen Zugang zu wertvollen, ökologisch erzeugten Lebensmitteln zu ermöglichen."

Bioland ist vor Demeter der größte Verband in Deutschland, in dem sich LandwirtInnen zusammengeschlossen haben, um nach strengen Richtlinien Bio-Lebensmittel zu erzeugen. Die Bioland-Richtlinien sind deutlich strenger als etwa jene der EU-Öko-Verordnung. Schon deren Einführung, die maßgeblich von der damaligen pseudo-grünen Ministerin Renate Künast betrieben wurde, hatte eine Verwässerung der Standards und Skandale zur Folge (Siehe unsere Artikel v. 13.06.07 und v. 21.01.09).

Die in Bioland zusammengeschlossenen LandwirtInnen bewirtschaften rund 400.000 Hektar von insgesamt 16,9 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche in Deutschland. Dies entspricht rund 2,4 Prozent. Sie erzielen damit jährlich einen Umsatz von rund 850 Millionen Euro.

Der Discounter Lidl gehört als Teil der Unternehmensgruppe Schwarz mit Sitz in Neckarsulm zu den führenden Unternehmen im Lebensmittel-Einzelhandel in Deutschland und Europa. Aktuell ist Lidl in 30 Ländern präsent und betreibt rund 10.500 Filialen in derzeit 28 Ländern weltweit. In Deutschland gibt es rund 3.200 Lidl-Filialen. Der Umsatz von Lidl beträgt mit rund 90 Milliarden Euro jährlich mehr als das hundertfache des Gesamtumsatzes der in Bioland zusammengeschlossenen LandwirtInnen. Bei einem Größenverhältnis von eins zu hundert dürfte klar sein, wer bei diesem Deal wen über den Tisch ziehen wird.

In der Folge dieses Deals kommt den traditionellen Bio-Läden ein Alleinstellungs-Merkmal abhanden: Das grüne Bioland-Siegel. Dies wird nicht nur zu einer zweiten Welle beim Verschwinden der kleinen Bioläden führen (Siehe auch unseren Artikel v. 30.09.05), sondern auch zu einem Verdrängungs-Kampf der zweiten Stufe und deutlichen Einbußen bei den Bio-Supermarkt-Ketten. Die "Hechte im Karpfenteich" werden nun nach und nach von den Haien gefressen.

Mancherorts haben kleine Bioläden noch bis heute gegen die Konkurrenz der Bio-Supermärkte überlebt. Astrid Reuter, seit 38 Jahren Inhaberin des Bioladens 'Kichererbse' in Ludwigshafen mußte über viele Jahre die Erfahrung machen: "Kunden und Kundinnen, die jahrelang ihren Haupteinkauf bei uns gemacht haben, kaufen jetzt nur noch spezielle Dinge bei uns, die sie im Supermarkt nicht kriegen. Ich bin ihnen auch nicht gram, aber ich hätte es natürlich lieber anders." Die Filiale der Alnatura-Kette schloß in Ludwigshafen nach wenigen Jahren wieder, während sich die 'Kichererbse' mit einer Verkaufsfläche von 140 Quadratmetern behaupten konnte. In den meisten deutschen Mittel- und Groß-Städten blieben allerdings die alteingesessenen kleinen Bioläden im Konkurrenzkampf gegen die Supermarkt-Bio-Ketten Alnatura (ca. 100 Filialen), Denn's (Unternehmen Dennree mit ca. 250 Filialen), BioCompany (56 Filialen) und basic (30 Filialen) auf der Strecke. Schon dieser dem kapitalistischen Profit-Prinzip folgende Trend ging mit deutlichen Qualitäts-Verlusten einher.

Der "Kooperationsvertrag" zwischen Lidl und Bioland markiert einen weiteren großen Schritt beim Niedergang der Bio-Lebensmittel-Branche. Es ist das erste Mal, daß ein großer Bio-Landwirtschafts-Verband sein Siegel für die Billig-Eigenmarke eines Discounters zur Verfügung stellt. Der bislang gute Ruf Biolands basierte vor allem auf den strengen Richtlinien und darauf, daß der Verband seit den 1970er-Jahren maßgeblich zum Aufbau der Bio-Lebensmittel-Branche in Deutschland beigetragen hat.

Ein Argument für den Deal zwischen dem Discounter und Bioland, das auch Ulrich Hamm, Professor für Agrarökonomie an der Universität Kassel-Witzenhausen, verbreitet, lautet: "Der Verkauf von Bio-Lebensmitteln über einen Discounter führt zu mehr Nachfrage. Diese wiederum hat zur Folge, daß mehr LandwirtInnen in Deutschland auf Bio umsteigen und so gewinnt die Agrar-Wende an Dynamik." Derzeit seien Bio-Lebensmittel am Markt knapp. Der weitaus größte Teil der in Deutschland verkauften Bio-Lebensmittel muß importiert werden. "Da können die Discounter nicht weniger Geld auf den Tisch legen, um an Ware heranzukommen", so Professor Hamm.

Doch genau hier liegt die Schwachstelle in dieser Argumentationskette. Denn dies trifft nur momentan zu. Die Nachfrage wird zwar tatsächlich in den kommenden Jahren steigen - doch der Haupt-Effekt wird in einer Marktverschiebung bestehen: Weg von den Bio-Supermärkten und kleinen Bioläden, hin zu Lidl. Auf die Dauer sitzt Lidl gegenüber den Bioland-LandwirtInnen am längeren Hebel. Und auf Seiten der LandwirtInnen gibt es keine Gewerkschaften, die jenes Macht-Gefälle ein wenig abmildern könnten. Ebenso wie die großen sechs Lebensmittel-Einzelhandels-Konzerne ihre Marktmacht gegenüber den rund 300.000 deutschen landwirtschaftlichen Betrieben durchsetzen können, um die ErzeugerInnen-Preise zu drücken, wird dies schon in wenigen Jahren auch Lidl gegenüber Bioland entsprechend exekutieren.

Dies wird umso sicherer eintreten, als die Bioland-LandwirtInnen sich vom Vertriebsweg Lidl abhängig machen. Sie setzen sich damit selbst unter Zugzwang, die angebauten Produkte an Lidl zu verkaufen. Wie üblich verstärken auch die Kredite, die bei einer Expansion aufgenommen werden, die eingegangene Abhängigkeit. Und so dürfte der pseudo-grüne Europa-Abgeordnete Martin Häusling in diesem Fall durchaus richtig liegen, wenn er warnt: "Wer so eine Marktmacht hat wie Lidl, bestimmt am Ende die Preise. Bioland macht sich abhängig von einem großen Abnehmer, der den Verband unter Druck setzen kann. Auch Bioland ist schnell austauschbar."

Ein weiterer Einwand gegen den Lidl-Bioland-Deal lautet: Lidl erzielt den weit überwiegenden Teil seiner Einnahmen aus Lebensmitteln, die mit dem Einsatz von Pestiziden erzeugt wurden. Von jedem umgesetzten Euro, der in einer Lidl- Filiale für ein Bioland-Produkt ausgegeben wird, verbleibt der größere Teil bei Lidl und nicht etwa bei Bioland. Und dieses Geld kommt damit der industriellen Landwirtschat zugute und nicht etwa der Bio-Landwirtschaft.

Wer das Sagen bei dem Deal hat, läßt sich schon heute an einem Detail ablesen: Lidl vereinbart mit den Vertrags-LandwirtInnen die Anbauflächen und nicht etwa Bioland. Daher liegt die Prognose nahe, daß der Discounter - wie schon in vielen anderen Fällen - Mittel und Wege finden wird, den Bioland-Verband auszutricksen und auf die Dauer die ErzeugerInnen-Preise zu drücken. Mehr noch: Es steht zu befürchten, daß Lidl seine Macht-Position auch nutzen wird, um die strengen Anbau-Richtlinien von Bioland zu verwässern.