Eine Reise durch die Ukraine nach dem Euro-Maydan - Buchkritik

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Fünf Jahre nach den Ereignissen am Euro-Maydan in Kiew hat sich die Berichterstattung über die Ukraine deutlich verschoben. Von Demokratiebewegung. Von einer Annährung an die EU oder Korruptionsbekämpfung ist schon lang keine Rede mehr.
Der Krim-Konflikt mit Russland und die Auseinandersetzungen am Donbass-Delta scheinen nach einem halben Jahrzehnt auf friedlichem Wege schwer zu befrieden zu sein. Der erstarkte nationalistische bis faschistische „Rechte Sektor“ spaltet sich momentan in mehrere Flügel auf.

Alles in allem bleibt die Ukraine ein für uns schwer zu verstehendes Land mit starkem Bezug zu unserer Geschichte und Gegenwart. Ein gutes Stück Verständnisarbeit leistet Jens Mühlings Buch „Schwarze Erde - Eine Reise durch die Ukraine“ aus dem Rowohlt Taschenbuchverlag. Jenz Steiner von coloRadio hat es für uns gelesen und mit Anne Klein darüber gesprochen.

Abmod:

Die Ukraine – fünf Jahre nach dem Euro-Maydan. Jens Mühlings Buch „Schwarze Erde – Eine Reise durch die Ukraine“ liefert Einblicke in die Gegenwart und Geschichte des Landes. Anne Klein von coloRadio sprach über das Buch mit Jenz Steiner.
Audio
07:09 min, 16 MB, mp3
mp3, 307 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 06.02.2019 / 11:54

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Klassifizierung

Beitragsart: Rezension
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Internationales, Kultur, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Anne Klein und Jenz Steiner
Radio: coloradio, Dresden im www
Produktionsdatum: 06.02.2019
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Schwarze Erde – Rezension des Buchs von Jens Mühling

Fünf Jahre nach den Ereignissen am Euro-Maydan in Kiew hat sich die hiesige Berichterstattung über die Ukraine deutlich verschoben. Von einer Demokratiebewegung, von der Annährung an die EU, von Korruptionsbekämpfung ist schon lange keine Rede mehr.

Die Ukraine ist geprägt von bewaffneten Konflikten im Donbass, von erstarkten Nationalisten und auf friedlichem Wege unlösbar erscheinenden Rangeleien um die Krim.

Der ukrainische Rechte Sektor ist gespalten. Militante und nationalistische Gruppen streiten sich um die Wege, die sie einschlagen wollen: politische Integration oder Radikalisierung und bewaffneter Kampf.

Was ist in der ehemaligen Sowjetrepublik in den letzten fünf Jahren passiert?
Wie tickt dieses Land? Was beschäftigt die Menschen in Lwiw, Charkiw, Kiew und im Donbass-Delta?
Diesen Fragen geht der deutsche Journalist Jens Mühling in seinem Buch „Schwarze Erde- Eine Reise durch die Ukraine“ nach.
Er nimmt die Leserinnen und Leser mit auf seine Reise, die im Westen, in Lwiw, Lwow oder Lemberg beginnt und ganz im Osten der Ukraine, am Busbahnhof von Milowe endet.

„Schwarze Erde“ ist kein klassischer Reiseführer, erfüllt aber die Erwartungen, die man an einen Reiseführer hat. Ein Land verstehen, Kuriositäten einordnen können.
Jens Mühling spricht mit den Menschen, denen er auf seiner Reise begegnet. Empathisch, interessiert und nicht unparteiisch. Er versucht, nationalistische Tendenzen zumindest nachvollziehen zu können, grenzt sich aber auch klar ab, wenn er mit antisemitischen Parolen konfrontiert wird.

Mühling taucht ein in die Orte, in denen die ukrainische Geschichte am lebendigsten ist. Die Friedhöfe mit den Grabsteininschriften in deutscher, russischer, rumänischer, ukrainischer, tsche und ungarischer Sprache. Er geht den Geschichten der Menschen nach, die dort unter der Erde liegen und rekonstruiert daraus, was diese Vielvölkerregion einmal ausgemacht hat.

Jens Mühlings bildhafte Sprache macht es leicht, sich vorzustellen, wie das Leben etwa zu Zeiten des Habsburger Reichs ausgesehen haben muss, als jeder Schuhmacher an der Straßenecke ganz selbstverständlich drei Sprachen und fünf Dialekte beherrscht hat. Das untermauert er mit historischen Fakten.
Mühling nimmt uns mit im Bus nach Kalyniwka, durch kleine Dörfer, vorbei an Datschen, Kartoffelsäcken, Apfelkörben und Zwiebeltüten. Er führt uns zum Maydan, anderthalb Jahre nach den blutigen Ereignissen in Kiew.

Er ergründet genauso gut die heutige Logik des Schmuggels, des Handels an der polnisch-ukrainischen Grenze.

Immer wieder stolpert er über Stellen, über Ereignisse, über Familiengeschichten, die ganz eng mit der deutschen Geschichte und Gegenwart verwoben sind. Das alles macht das Buch durchweg spannend, lebendig und interessant.

Das knapp 300 Seiten starke Taschenbuch ist im Rowolth Verlag erschienen und kostet 10,99 Euro.