20 Jahre nach den NATO-Luftangriffen auf die Bundesrepublik Jugoslawien

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Anmod: Vor 20 Jahren flogen Nato-Kampfjets die ersten Angriffe auf die krisengeschüttelte Bundesrepublik Jugoslawien.
Das war eine Zäsur in der Nachkriegszeit.
Die Bundeswehr war an dem NATO-Angriff beteiligt.
Ihre Rolle als Verteidigungsarmee war Geschichte.
Gerhard Schröder von der SPD war damals frisch gebackener Bundeskanzler
und Joschka Fischer von den Grünen Außenminister.
Sie stellten maßgeblich die Weichen für einen Kriegseintritt Deutschlands ohne UN-Mandat und gegen das Zwei-Plus-Vier-Abkommen.
Jenz Steiner fasst zusammen, was damals in Jugoslawien passiert ist und zieht Bilanz.

[Beitrag enthält O-Töne von Gerhardt Schröder und Joschka Fischer, Quelle: Privatarchiv des Autors]
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07:02 min, 16 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 25.03.2019 / 17:40

Dateizugriffe: 2850

Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Umwelt, Politik/Info
Entstehung

AutorInnen: Jenz Steiner
Radio: coloradio, Dresden im www
Produktionsdatum: 25.03.2019
CC BY-NC-SA
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Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Dass deutsche Soldaten nach dem zweiten Weltkrieg wieder in einen Angriffskrieg zogen, ist mittlerweile 20 Jahre her. SPD und Grüne gaben damals grünes Licht für das Bombardement auf Jugoslawien ab dem 24. März 1999. Gerade haben wir Gerhardt Schröder mit seiner Ansprache aus dem Jahr 1999 gehört. Er war damals noch relativ frisch im Amt und bis dahin mit dem Grünen Aussenminister Joschka Fischer ein Hoffnungsschimmer nach der Kohl-Ära.

UCK, Kollateralschäden, Graphitbomben, Marschflugkörper, Kassettenbomben, Streubomben, Jäger 90, und Tarnkappenbomber sind Begriffe aus der Zeit, die bis heute präsent sind.

Der NATO-Angriff auf die damalige Bundesrepublik Jugoslawien war eine schwere Verletzung des Völkerrechts. Darin sind sich Historiker und Juristen heute einig. Die Bundeswehr hat sich damals am Angriff eines souveränen Staates beteiligt.
Für den Angriff gab es kein Mandat des UN-Sicherheitsrats.

Offiziell gerechtfertigt wurde der Angriff als Akt der Nothilfe und als humanitäre Intervention.
Im Völkerrecht ist diese Art von Nothilfe nur für angegriffene Staaten zulässig. Das war hier nicht der Fall.

Ja, die Bundesrepublik Jugoslawien steckte in den 1Neunzehnhindertneunziger Jahren in einer massiven Krise, geprägt von Nationalismus, Inflation, Sezessionserscheinungen, bewaffneten Konflikten und Streit beim Länderfinanzausgleich.
Hier ein Ausschnitt aus Joschka Fischers wahrscheinlich berühmtesten Rede beim Sonderparteitag der Grünen 1999.

Die humanitäre Katastrophe, mit der Joschka Fischer und Gerhardt Schröder die Angriffe damals rechtfertigten, hat es jedoch nachweislich nie gegeben.
Joschka Fischers damaliger Auschwitz-Vergleich war nicht nur falsch, sondern auch eine schamlose Beleidigung der Opfer des industriellen Genozids der Nazis im dritten Reich und deren Hinterbliebenen.
Nein, es gab keine Konzentrationslager nach Auschwitz-Vorbild.

Doch, ja. Es gab bis dahin Menschenrechtsverletzungen, es gab Vertreibung, Zerstörung und Tote. Der Vergleich mit einer industriellen Mordmaschinerie, wie sie die Nazis betrieben haben, war in der Situation übertrieben. Er diente nur der Rechtfertigung eines militärischen Angriffs durch der NATO.

Es gibt ein Urteil vom Internationalen Gerichtshof von 1986, als sich die USA und Nicaragua um humanitäre Interventionen einen Rechtsstreit lieferten, das besagt:

„Die Anwendung von Gewalt kann keine geeignete Methode sein, die Achtung der Menschenrechte zu überwachen oder zu sichern“ Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Das offizielle Ziel der Nato Attacken: eine erträgliche Menschenrechtslage wurde nicht erreicht.
Es gab noch mehr Menschen auf der Flucht, noch mehr Menschen, die ihr Hab und Gut verloren haben.

Mit dem Angriff Jugoslawiens hat die Bundesrepublik Deutschland damals auch den Zwei-Plus-Vier-Vertrag zur Wiedervereinigung gebrochen. Der besagte nämlich, dass Deutschland keine seiner Waffen jemals wieder ohne UN-Erlaubnis einsetzen wird. Die gab es für den Jugoslawienkrieg nie.
Das Ausweiten der Angriffe von militärischen auf zivile Ziele war außerdem noch ein Bruch der Genfer Konventionen und des Haager Abkommens.

Zwischen zehn und 15 Tonnen abgereichertes Uran und plutoniumhaltige Munition verschossen NATO-Flugzeuge ab 24. März 1999 über dem Kosovo uns Südserbien. Kriegsführung mit nachhaltigen Folgen: Krebs, Leukämie, Nieren und Leberschäden, Knochenmarksstörungen und Gendefekte, gerade bei denen, die die Schäden des Krieges beseitigen mussten, aber auch bei den eingesetzten Soldaten.

Neu im Jugoslawienkrieg war die "ökologische Kriegsführung": Es gab Angriffe auf Ölraffinerien und Chemiefabriken. Die Folge: Giftwolken, die weiter nach Rumänien und Bulgarien zogen. Das knüpfte an an die Verwendung des Entlaubungsmittels Agent Orange im Vietnamkrieg und das Anzünden von Ölquellen im Irak. Das war ein indirekter Einsatz chemischer Waffen. Auch der verstößt gegen die Genfer Konventionen und gegen das Edmond-Abkommen.

Das wurde alles billigend in Kauf genommen und in die Wege geleitet durch den Grünen Aussenminister Joschka Fischer, der 1993 in Hessen erzürnter Umweltminister war, als es dort zu einem Störfall bei Höchst kam.

Die Bilanz der sogenannten humanitären Intervention: 78 Tage Krieg, 2.300 Luftschläge, 1.200 bis 2.500 Opfer, die Zahlen schwanken. Darunter 79 Kinder.
Angemessen erinnert wurde an diesem Wochenende an dieses Ereignis nicht. Eine offizielle kritische historische Aufarbeitung des illegalen Nato-Angriffs steht aus.

Kommentare
26.03.2019 / 11:50 Tina, Radio Corax, Halle
Vielen Dank!
Lief heute morgen im Morgenmagazin.
 
02.04.2019 / 11:39 Hagen, LORA München
Wird heute zu Gehör gebracht
ab ca. 20:50 Uhr. Vielen Dank!