Informationen zur aktuellen EU-Agrarpolitik und Interview mit dem Mitglied des Agrar-Ausschusses Peter Jahr (CDU)

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Der Beitrag ist zweigeteilt. Die ersten knapp 6 Minuten informieren über die bisherige Agrarpolitik in der EU und der Bundesrepublik und skizzieren neue Entwicklungen, besonders vor dem Hintergrund der Sitzungen des EU-Agrarausschusses vom 02. und 08. April 2019
Danach folgt ein Interview mit Dr. Peter Jahr (CDU). Er ist Mitglied des Agrarausschusses, und wir haben ihn am 8. April direkt im Anschluss an die Sitzung in Brüssel telefonisch zur aktuellen und künftigen Agrar- und Umweltpolitik befragt.
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25:12 min, 58 MB, mp3
mp3, 320 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 08.04.2019 / 21:33

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Beitragsart:
Sprache:
Redaktionsbereich: Politik/Info, Umwelt, Arbeitswelt, Internationales, Wirtschaft/Soziales
Entstehung

AutorInnen: Danny Walther - Aktuell
Radio: RadioBlau, Leipzig im www
Produktionsdatum: 08.04.2019
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Aktuell betragen die Agrarausgaben der EU jährlich rund 58 Mrd. Euro = größter Posten im EU-Haushalt
6,1 Mrd. Euro davon gehen nach Deutschland
Agrarausgaben beruhen grundsätzlich auf zwei Säulen
a.) ca. 70% der Gelder gehen in die erste Säule, das sind vor allem die Direktzahlungen an die Landwirte – dabei wird primär nach Fläche bezahlt, als je mehr Hektar ein Betrieb hat, desto mehr Geld bekommt er von der EU – aktuell sind das rund 280 Euro pro Hektar und Jahr
b.) das Geld aus der zweiten Säule wird dagegen vor allem für Programme zur ländlichen Entwicklung verwendet

den politischen Rahmen bildet die Gemeinsame Agrarpolitik, die sog. GAP – sie ist eines der ältesten und wichtigsten Steuerungsinstrumente auf EU-Ebene
sie wurde 1957 eingeführt und danach mehrfach erweitert und reformiert.
die letzte große Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik gab es im Jahr 2013.
die dort gemachten Beschlüsse betrafen das Rahmenbudget von 2014-2019.
In der Reform wurde u.a. vereinbart, 30% der Direktzahlungen stärker an Umweltschutzmaßnahmen zu binden, z.B. zur Förderung von Artenvielfalt und von sauberem Wasser, zur Diversifizierung des Anbaus und dem Erhalt von Dauergrünland.
Die Bundesregierung macht von diesen Maßnahmen zur Ökologisierung der Landwirtschaft aber nur zu einem kleinen Teil Gebrauch.
Laut Vorgaben der EU könnte sie bis zu 15 Prozent der Direktzahlungen umwidmen, um das Geld an umwelt- und klimabezogene Leistungen der landwirtschaftlichen Betriebe zu geben. Sie tut das aber lediglich mit 4,5 Prozent der Mittel.

Für die Zeit von 2021-2027 hat die EU-Kommission nun Vorschläge für eine Neuausrichtung der Agrarpolitik gemacht, die vom Agrarausschuss am 2. April und heute, am 08. April 2019, beraten worden.
Die Europäische Kommission schlägt für den Haushalt der Gemeinsamen Agrarpolitik den Jahren 2021 bis 2027 365 Milliarden Euro vor, das entspricht 28,5 Prozent des Gesamthaushalts der Europäischen Union. Allein 265,2 Milliarden sind als Direktzahlungen gedacht
78,8 Milliarden sollen in ländliche Entwicklung ausgegeben werden.
Eine der wichtigsten Neuerungen: die jährlichen Direktzahlungen an landwirtschaftliche Betrieb sollen bei 100.000 Euro gekappt werden. Allerdings gibt es hier viele Ausnahmeregelungen.
Ab sofort muss jeder Mitgliedsstaat den Landwirten Möglichkeiten zum Schutz der Umwelt und des Klimas anbieten, die sog. „eco-schemes“. Dafür sollen 20% des Geldes aus dem Topf der Direktzahlungen reserviert werden. Es bleibt den Landwirten aber freigestellt, ob sie diese Ökologisierungsmaßnahmen umsetzen oder lieber bei der konventionellen Landwirtschaft bleiben und auf die Auszahlung der Gelder für Umweltschutzmaßnahmen verzichten.
Außerdem sollen die einzelnen Staaten mehr Flexibilität bei der Finanzierung und Ausgestaltung nationaler Programme zur Entwicklung der Landwirtschaft bekommen.
Für diese Vorschläge stimmten Konservative, Christdemokraten und Liberale. Grüne und Linke waren dagegen und kritisierten, dass der Agrarausschuss vor der Landwirtschaftslobby und den Bauernverbänden eingeknickt sei bzw. nur diese vertrete.
Umweltpolitisch hat der Agrarausschuss strengere Umwelt- und Klimaschutzauflagen wie sie etwa vom Umweltausschuss vorgeschlagen wurden, verwässert
Grüne und Linke kritisieren vor allem, dass die Koppelung der Direktzahlungen an die Größe des Betriebes nicht aufgehoben wurde, d.h. die pauschalen Flächenprämien auch in Zukunft weitgehend beibehalten werden. Die EU, so die Kritiker, bevorteile damit letztlich Agrar-Großbetriebe, die zumeist eben nicht ökologisch wirtschaften, wodurch die Ansätze zur Ökologisierung der Landwirtschaft konterkariert werden.
Außerdem komme es so zu einer zunehmenden Marktkonzentration, zugleich sind immer mehr kleine landwirtschaftliche Betriebe vom Markt verschwunden.
In der EU bewirtschaften heute 3% der Betriebe 50% der Anbaufläche. Beim Geld sieht es ähnlich aus: 20% der Betriebe bekommen 80% der EU-Zahlungen.
Auch in Deutschland ist die Zahl der Betriebe mit mehr als 100ha in den letzten Jahren deutlich gestiegen.
Rund die Hälfte der 270.000 Agrarbetriebe in Deutschland werden deshalb im Nebenerwerb geführt, das ist auch eine Folge der Politik der Bundesregierung: laut der Gemeinsamen Agrarpolitik der EU dürfte sie jährlich bis zu 30 Prozent der nationalen Direktzahlungen kleineren Betrieben zukommen lassen. Aus diesem Topf aber nimmt sie lediglich 7 Prozent.
Demgegenüber steht, dass sich die Mehrheit der Bundesbürger laut repräsentativen Umfragen die Stärkung kleinerer und mittlerer landwirtschaftlicher Betriebe wünscht und dafür votieren, staatliche Unterstützung stärker dorthin zu lenken.

Der Osten Deutschlands nimmt hier noch mal eine Sonderrolle ein, hier liegt die durchschnittliche Betriebsgröße bei 224ha, verglichen mit 47ha im Westen der Republik. Der zentrale Grund: Aus den ehemaligen LPG's, die meist sehr große Flächen bewirtschafteten, sind nach der Wende oft agrarische Großbetriebe geworden. Sie wurden in den vergangenen Jahren zunehmend von Investoren übernommen, die oft gar nicht aus der Landwirtschaft kommen, aber darin nicht zuletzt durch die EU-Agrarsubventionen in der konventionellen Landwirtschaft und Agrargroßbetrieben eine gute Anlagemöglichkeit für ihr Geld sehen.
Diese Betriebe kommen durch die großen Flächen und den hohen Technisierungsgrad mit wenige Beschäftigten aus – im Schnitt arbeitet kommen hier nur 1-2 Personen auf 100ha. Die EU-Zahlungen verteilen sich im Osten also auf vergleichsweise wenige wenige Begünstigte, die oft sehr hohe Zahlungen bekommen – dagegen regt sich aber nicht nur von Seiten der Umweltverbände Protest.
Im Januar diesen Jahres haben auch zahlreiche Landwirte gegen den Aufkauf von riesigen Flächen und Betrieben durch Großinvestoren protestiert. Die sächsische Landesregierung hat dieses Problem offenbar noch nicht erkannt oder verschließt ganz bewusst davor die Augen, denn Lösungen, wie man diesem Landraub beikommen kann, fehlen bislang – und das, obwohl das Problem seit vielen Jahren bekannt ist und immer dringender wird.

Die Frage ist nun also – wie geht es weiter mit der Agrarpolitik. Ich bin dazu jetzt mit Dr. Peter Jahr verbunden. Er ist seit 2009 Mitglied des Europaparlaments und Mitglied des Vorstands der Fraktion der Europäischen Volkspartei (also der Christdemokraten). Zugleich sitzt er als einziger sächsischer Abgeordneter im Ausschuss für Landwirtschaft und ländliche Entwicklung.

→ Interview

Kommentare
09.04.2019 / 16:36 Kurt, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar
Gesendet im Di Sonar
Danke fürs Produzieren