"Aus neutraler Sicht" von Albert Jörimann - Die sozialistische Internationale
ID 118984
Bisher hatte ich Pedro Sanchez immer für einen sowieso sympathischen und auch glaubwürdigen Politiker gehalten, soweit dies im Rahmen des politischen Spiels überhaupt möglich ist. Auf seine Art erschien er wie eine tatsächlich sozialdemokratische Alternative zur Generation von Tony Blair und Gerhard Schröder. Kein Kommunist oder Linksaußen, bewahre; wie es um deren Chancen steht, im Rahmen der kapitalistischen Interessensgeometrie an die Macht zu kommen, hat man in England anhand von Jeremy Corbin gesehen.
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11:07 min, 10 MB, mp3
mp3, 130 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 30.11.2022 / 16:58
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Dateizugriffe: 146
Klassifizierung
tipo: Kommentar
idioma: deutsch
áreas de redacción: Politik/Info, Internationales
serie: Aus Neutraler Sicht
Entstehung
autoras o autores: Albert Jörimann
Kontakt: redaktion(at)radio-frei.de
Radio: Radio F.R.E.I., Erfurt im www
fecha de producción: 30.11.2022
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
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Skript
Bisher hatte ich Pedro Sanchez immer für einen sowieso sympathischen und auch glaubwürdigen Politiker gehalten, soweit dies im Rahmen des politischen Spiels überhaupt möglich ist. Auf seine Art erschien er wie eine tatsächlich sozialdemokratische Alternative zur Generation von Tony Blair und Gerhard Schröder. Kein Kommunist oder Linksaußen, bewahre; wie es um deren Chancen steht, im Rahmen der kapitalistischen Interessensgeometrie an die Macht zu kommen, hat man in England anhand von Jeremy Corbin gesehen.
Noch nicht mal der bewusst unsorgfältige Umgang mit dem Antisemitismus hat ihm die Regierungsverantwortung in die Tasche gespült, ganz abgesehen vom absehbar realpolitischen Umgang mit dieser Regierungsverantwortung, wenn man sie dann mal hat. Die griechische Syriza hatte eine Zeit lang Züge einer radikal linken Partei, um sie aber in den Verhandlungen mit der Troika schnell abzustoßen, und die spanische Podemos ist zwar spürbar radikaler als die Sozialisten, macht aber ebenfalls nicht mehr Stunk als nötig, um in der Regierung zu bleiben. Alles in bester sozialdemokratischer Ordnung, dachte ich mir, bis Sanchez am letzten Freitag zum Präsidenten der Sozialistischen Internationale gewählt wurde. Er löst dort Giorgos Papandreou ab, welcher die Verknöcherung und Verfilzung dieser Institution wie kaum ein anderer repräsentiert: Er war beteiligt an den Betrügereien rund um den EU-Beitritt Griechenlands und anschließend in verantwortlicher Position an praktisch jedem weiteren Beschiss, der das Land in die Schuldenkrise ritt; er war griechischer Ministerpräsident als Sohn eines früheren griechischen Ministerpräsidenten und als Enkel eines früheren griechischen Ministerpräsidenten, selbstverständlich auch sie beide Sozialisten, und steht damit für die Umwandlung der griechischen Sozialisten in eine Erbmonarchie, immer am Halsband der internationalen Kapitalisten und der griechischen Kirche. Und jetzt Pedro Sanchez? Was soll das? Sogar die deutsche SPD hat ihre Beitragszahlungen an die sozialistische Internationale von 100'000 auf 5000 Pfund reduziert und nimmt nur noch als Beobachterin an den Beratungen teil. Vollmitglieder sind dagegen Parteien wie der African National Council, der Partido Aprista Peruano, die mexikanische Partei der institutionalisierten Revolution als Erbauerin des modernen mexikanischen Staates, der indische Nationalkongress und so weiter, denen man vieles vorwerfen kann, aber nicht die Treue zu grundlegenden Prinzipien des Sozialismus und meistens noch nicht mal des Sozialdemokratismus.
Offenbar geht die Ära Sanchez zu Ende. Wenn er dies nun rasch durchzieht, wird von Pedro Sanchez tatsächlich die Erinnerung an einen sympathischen und glaubwürdigen Politiker bleiben, während er in der Versenkung der sozialistischen Internationale verschwindet. Und wer wird sein Nachfolger? Vermutlich wird es eine Nachfolgerin. Die Vorsitzende des Parteivorstandes, Cristina Narbona Ruiz, ist mit ihren 72 Jahren zu alt, um den nach wie vor jugendlich wirkenden Sanchez zu beerben trotz beeindruckendem wirtschaftspolitischen Rucksack und dem besten Wahlergebnis des ganzen Landes bei den Senatswahlen 2019. Ich denke eher an die stellvertretende Generalsekretärin Adriana Lastra Fernandez, die aus den Reihen der Jungsozialist:innen hervorgegangen ist, deren Generalsekretärin sie von 1999 bis 2004 war. Vielleicht wird es auch Teresa Ribera, aktuell dritte stellvertretende Ministerpräsidentin im Kabinett und Ministerin für den ökologischen Wandel. Einen Mann werden sich die spanischen Sozialdemokrat:innen in diesen Zeiten nicht leisten.
Wie verhält es sich eigentlich mit den polnischen Forderungen nach Reparationszahlungen durch Deutschland für die Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg? Einmal abgesehen davon, dass es sich bei diesen Forderungen um ebenso klare wie aussichtslose Ablenkungsmanöver der polnischen Regierung handelt, welche sie als einen Hebel einsetzt, um die gegen sie laufenden Verfahren der Europäischen Kommission mindestens leicht zu behindern? Es gibt zu dieser Frage einen Artikel im Schlauen Buch des Fähnleins Fieselschweif, welcher zunächst auf Staatsverträge verweist wie zum Beispiel die Potsdamer Konferenz 1945, welche die Aufteilung von Nazideutschland und unter anderem den Ausgleich für die Kriegsschäden in der Sowjetunion zum Inhalt hatte. 1953 verzichtete Polen unter sowjetischem Druck auf alle Forderungen an Deutschland. Genau dieser Verzicht wird heute in Frage gestellt mit der Begründung, die damalige Regierung sei nicht demokratisch legitimiert gewesen. Deutschland hält dagegen mit dem Argument, dass das heutige Polen unter allen Titel die Rechtsnachfolgerin des Vorgängerstaates sei. Den jüngsten Nagel in das Vertragswerk schlugen die Abmachungen zur deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990 ein, in denen von Reparationszahlungen nicht die Rede war; Polen war an den Verhandlungen zwar nicht beteiligt, legte aber auch keinen Widerspruch ein, laut Wikipedia vermutlich darum, weil sonst die Oder-Neiße-Grenze wieder hätte diskutiert werden müssen. Im Jahr 2004 flackerte die Diskussion um Reparationszahlungen von polnischer Seite erneut auf, nachdem von deutschen Vertriebenenverbänden Forderungen nach einer Entschädigung für enteigneten Besitz in Schlesien gestellt worden waren. Ein gemeinsam von Deutschland und Polen in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten lehnte darauf die Forderungen beider Seiten ab. Es versteht sich von selber, dass verschiedene Abgeordnete der polnischen PiS-Partei später, nämlich 2017, das Gutachten für ungültig erklärten, mindestens soweit es die polnischen Forderungen an Deutschland betraf, und den polnischen Mitautor des Gutachtens strafrechtlich belangen wollten. Im gleichen Jahr gab das polnische Parlament ein neues Gutachten in Auftrag, das ein Guthaben Polens bei Deutschland von 850 Milliarden Euro errechnete. Die letzten Monat von der polnischen Regierung geltend gemachte Summe beträgt nun offenbar 1.3 Billionen Euro.
Und dann nennt Wikipedia noch die tatsächlich geleisteten Reparationszahlungen nicht an den Staat, sondern an polnische Opfer des Nationalsozialismus; sie umfangen ungefähr 3 Milliarden Euro.
Auf der symbolischen Ebene schlägt Deutschland nun aber zurück, und zwar mit dem Budget für das nächste Jahr, in dem zum ersten Mal Mittel für den Unterricht der polnischen Sprache für polnische Einwanderer:innen vorgesehen sind, nämlich eine volle Million Euro; in den Folgejahren wird diese Summe auf 2 Millionen jährlich aufgestockt. Man geht allerdings davon aus, dass diese Maßnahme auch auf Druck der Senkung des Budgets für den Deutschunterricht der deutschsprachigen Minderheit in Polen durch die polnische Regierung getroffen wurde. Diese deutschsprachige Minderheit besteht zwar nicht aus Einwanderer:innen, aber das tut der schönen polnischen Initiative keinen Abbruch.
Was ist aus neutraler Sicht davon zu halten? Nichts. Die deutsche Haltung, wonach der polnische Staat die Rechtsnachfolge des sozialistischen Vorgängerstaates angetreten hat, ist auf jeden Fall korrekt. Damit sind Neuverhandlungen in dieser Angelegenheit natürlich nicht vollständig ausgeschlossen, aber sie müssen auf dieser Grundlage stattfinden und selbstverständlich nicht auf der Grundlage von Gebrüll und Geschrei und juristischem Gezerre im Stil von Donald Trump.
Am 23. November wurde in Luanda ein Waffenstillstandsabkommen für die Auseinandersetzungen im Osten der Demokratischen Republik Kongo zwischen der Rebellengruppe M23 und Regierungstruppen geschlossen. International wird Ruanda als wichtigste Unterstützerin der Rebellen angegeben; es war an den Verhandlungen durch Außenminister Vincent Biruta vertreten. Beschlossen wurde eine Waffenruhe ab dem 25. November und den Rückzug des M23 aus den besetzten Gebieten. Allerdings war das M23 an den Verhandlungen selber nicht beteiligt und fühlt sich dementsprechend nicht an den Waffenstillstand gebunden. Anderseits behauptet die Gruppierung, dass sie sich sowieso schon seit April dieses Jahres einseitig einen Waffenstillstand auferlegt habe. Das ist angesichts der gemeldeten Gefechte eine ziemlich lustige Haltung, welche man unter die Kategorie «Narrative» ablegen kann.
Libyen hat am 24.November 105 Ägypter:innen, 101 Bürger:innen des Tschad sowie 20 Sudanes:innen zurück in ihre Heimatländer spediert. Bisher war die Verantwortung für die Rückführungen bei den zuständigen UNO-Organen gelegen; jetzt haben sich die Libyer:innen intern auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt und übernehmen die Ausführung selber. Mit solchen Aktionen wird der Migrationsstrom selbstverständlich nicht aufgehalten; als Drehscheibe für die Weiterreise übers Mittelmeer bleibt Libyen weiterhin attraktiv, solange nicht eine allgemein anerkannte Regierung mit entsprechenden staatlichen Institutionen für Regeln und ihre Durchsetzung sorgen. Aber die internationale Aufmerksamkeit registriert immerhin, dass eben nicht nur diese Drehscheibe für Migrant:innen aus den Ländern südlich der Sahara Menschen aus Afrika als Sprungbrett für Europa dient, sondern dass immer mehr Menschen aus dem Maghreb die Reise nach Norden antreten. Da sind wir wieder beim alten Thema der strategischen Ausrichtung der europäischen Union. Auch wenn Deutschland im Moment von einer zusätzlichen EU-Erweiterung nichts wissen will, wenn nicht die internen Regeln geändert werden, also wenn nicht das Vetorecht der Mitgliedstaaten abgeschafft wird, so ist im Moment der Fokus auf den Osten bis an den Aral-See wirklich beelendend. Im Süden, wo man mit echter Arbeit und Zusammenarbeit nicht nur verschiedene Probleme zum Wohle aller Beteiligten lösen könnte, sondern wo damit auch die Grundlage für die zunehmende Fremdenfeindlichkeit bekämpft werden könnte, also für das EU-interne Problem des rechten Nationalismus mit seinen Annex-Problemen aus dem Komplex des Donald-Trumpismus, gerade hier scheint sich niemand um Lösungen und Möglichkeiten zu kümmern. Die Verantwortung für dieses Defizit möchte ich ausnahmsweise mal Ursula von der Leyen zuschieben, welche ihr Amt genau für solche Ausrichtungen nutzen könnte. Offenbar ist sie einfach nicht in der Lage, von sich aus die Bedeutung von Afrika für Europa zu erkennen, und ebenso offenbar gibt es rund um sie auch keine Berater:innen, welche ihr ein paar Informationen zustecken. Stattdessen steckt Frau von der Leyen nach wie vor im Korsett, welches von der Brühwurst José Barroso geschneidert wurde, während sich ihr Vorgänger Juncker nicht besonders darum gekümmert hat. Das ist dumm.
Noch nicht mal der bewusst unsorgfältige Umgang mit dem Antisemitismus hat ihm die Regierungsverantwortung in die Tasche gespült, ganz abgesehen vom absehbar realpolitischen Umgang mit dieser Regierungsverantwortung, wenn man sie dann mal hat. Die griechische Syriza hatte eine Zeit lang Züge einer radikal linken Partei, um sie aber in den Verhandlungen mit der Troika schnell abzustoßen, und die spanische Podemos ist zwar spürbar radikaler als die Sozialisten, macht aber ebenfalls nicht mehr Stunk als nötig, um in der Regierung zu bleiben. Alles in bester sozialdemokratischer Ordnung, dachte ich mir, bis Sanchez am letzten Freitag zum Präsidenten der Sozialistischen Internationale gewählt wurde. Er löst dort Giorgos Papandreou ab, welcher die Verknöcherung und Verfilzung dieser Institution wie kaum ein anderer repräsentiert: Er war beteiligt an den Betrügereien rund um den EU-Beitritt Griechenlands und anschließend in verantwortlicher Position an praktisch jedem weiteren Beschiss, der das Land in die Schuldenkrise ritt; er war griechischer Ministerpräsident als Sohn eines früheren griechischen Ministerpräsidenten und als Enkel eines früheren griechischen Ministerpräsidenten, selbstverständlich auch sie beide Sozialisten, und steht damit für die Umwandlung der griechischen Sozialisten in eine Erbmonarchie, immer am Halsband der internationalen Kapitalisten und der griechischen Kirche. Und jetzt Pedro Sanchez? Was soll das? Sogar die deutsche SPD hat ihre Beitragszahlungen an die sozialistische Internationale von 100'000 auf 5000 Pfund reduziert und nimmt nur noch als Beobachterin an den Beratungen teil. Vollmitglieder sind dagegen Parteien wie der African National Council, der Partido Aprista Peruano, die mexikanische Partei der institutionalisierten Revolution als Erbauerin des modernen mexikanischen Staates, der indische Nationalkongress und so weiter, denen man vieles vorwerfen kann, aber nicht die Treue zu grundlegenden Prinzipien des Sozialismus und meistens noch nicht mal des Sozialdemokratismus.
Offenbar geht die Ära Sanchez zu Ende. Wenn er dies nun rasch durchzieht, wird von Pedro Sanchez tatsächlich die Erinnerung an einen sympathischen und glaubwürdigen Politiker bleiben, während er in der Versenkung der sozialistischen Internationale verschwindet. Und wer wird sein Nachfolger? Vermutlich wird es eine Nachfolgerin. Die Vorsitzende des Parteivorstandes, Cristina Narbona Ruiz, ist mit ihren 72 Jahren zu alt, um den nach wie vor jugendlich wirkenden Sanchez zu beerben trotz beeindruckendem wirtschaftspolitischen Rucksack und dem besten Wahlergebnis des ganzen Landes bei den Senatswahlen 2019. Ich denke eher an die stellvertretende Generalsekretärin Adriana Lastra Fernandez, die aus den Reihen der Jungsozialist:innen hervorgegangen ist, deren Generalsekretärin sie von 1999 bis 2004 war. Vielleicht wird es auch Teresa Ribera, aktuell dritte stellvertretende Ministerpräsidentin im Kabinett und Ministerin für den ökologischen Wandel. Einen Mann werden sich die spanischen Sozialdemokrat:innen in diesen Zeiten nicht leisten.
Wie verhält es sich eigentlich mit den polnischen Forderungen nach Reparationszahlungen durch Deutschland für die Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg? Einmal abgesehen davon, dass es sich bei diesen Forderungen um ebenso klare wie aussichtslose Ablenkungsmanöver der polnischen Regierung handelt, welche sie als einen Hebel einsetzt, um die gegen sie laufenden Verfahren der Europäischen Kommission mindestens leicht zu behindern? Es gibt zu dieser Frage einen Artikel im Schlauen Buch des Fähnleins Fieselschweif, welcher zunächst auf Staatsverträge verweist wie zum Beispiel die Potsdamer Konferenz 1945, welche die Aufteilung von Nazideutschland und unter anderem den Ausgleich für die Kriegsschäden in der Sowjetunion zum Inhalt hatte. 1953 verzichtete Polen unter sowjetischem Druck auf alle Forderungen an Deutschland. Genau dieser Verzicht wird heute in Frage gestellt mit der Begründung, die damalige Regierung sei nicht demokratisch legitimiert gewesen. Deutschland hält dagegen mit dem Argument, dass das heutige Polen unter allen Titel die Rechtsnachfolgerin des Vorgängerstaates sei. Den jüngsten Nagel in das Vertragswerk schlugen die Abmachungen zur deutschen Wiedervereinigung im Jahr 1990 ein, in denen von Reparationszahlungen nicht die Rede war; Polen war an den Verhandlungen zwar nicht beteiligt, legte aber auch keinen Widerspruch ein, laut Wikipedia vermutlich darum, weil sonst die Oder-Neiße-Grenze wieder hätte diskutiert werden müssen. Im Jahr 2004 flackerte die Diskussion um Reparationszahlungen von polnischer Seite erneut auf, nachdem von deutschen Vertriebenenverbänden Forderungen nach einer Entschädigung für enteigneten Besitz in Schlesien gestellt worden waren. Ein gemeinsam von Deutschland und Polen in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten lehnte darauf die Forderungen beider Seiten ab. Es versteht sich von selber, dass verschiedene Abgeordnete der polnischen PiS-Partei später, nämlich 2017, das Gutachten für ungültig erklärten, mindestens soweit es die polnischen Forderungen an Deutschland betraf, und den polnischen Mitautor des Gutachtens strafrechtlich belangen wollten. Im gleichen Jahr gab das polnische Parlament ein neues Gutachten in Auftrag, das ein Guthaben Polens bei Deutschland von 850 Milliarden Euro errechnete. Die letzten Monat von der polnischen Regierung geltend gemachte Summe beträgt nun offenbar 1.3 Billionen Euro.
Und dann nennt Wikipedia noch die tatsächlich geleisteten Reparationszahlungen nicht an den Staat, sondern an polnische Opfer des Nationalsozialismus; sie umfangen ungefähr 3 Milliarden Euro.
Auf der symbolischen Ebene schlägt Deutschland nun aber zurück, und zwar mit dem Budget für das nächste Jahr, in dem zum ersten Mal Mittel für den Unterricht der polnischen Sprache für polnische Einwanderer:innen vorgesehen sind, nämlich eine volle Million Euro; in den Folgejahren wird diese Summe auf 2 Millionen jährlich aufgestockt. Man geht allerdings davon aus, dass diese Maßnahme auch auf Druck der Senkung des Budgets für den Deutschunterricht der deutschsprachigen Minderheit in Polen durch die polnische Regierung getroffen wurde. Diese deutschsprachige Minderheit besteht zwar nicht aus Einwanderer:innen, aber das tut der schönen polnischen Initiative keinen Abbruch.
Was ist aus neutraler Sicht davon zu halten? Nichts. Die deutsche Haltung, wonach der polnische Staat die Rechtsnachfolge des sozialistischen Vorgängerstaates angetreten hat, ist auf jeden Fall korrekt. Damit sind Neuverhandlungen in dieser Angelegenheit natürlich nicht vollständig ausgeschlossen, aber sie müssen auf dieser Grundlage stattfinden und selbstverständlich nicht auf der Grundlage von Gebrüll und Geschrei und juristischem Gezerre im Stil von Donald Trump.
Am 23. November wurde in Luanda ein Waffenstillstandsabkommen für die Auseinandersetzungen im Osten der Demokratischen Republik Kongo zwischen der Rebellengruppe M23 und Regierungstruppen geschlossen. International wird Ruanda als wichtigste Unterstützerin der Rebellen angegeben; es war an den Verhandlungen durch Außenminister Vincent Biruta vertreten. Beschlossen wurde eine Waffenruhe ab dem 25. November und den Rückzug des M23 aus den besetzten Gebieten. Allerdings war das M23 an den Verhandlungen selber nicht beteiligt und fühlt sich dementsprechend nicht an den Waffenstillstand gebunden. Anderseits behauptet die Gruppierung, dass sie sich sowieso schon seit April dieses Jahres einseitig einen Waffenstillstand auferlegt habe. Das ist angesichts der gemeldeten Gefechte eine ziemlich lustige Haltung, welche man unter die Kategorie «Narrative» ablegen kann.
Libyen hat am 24.November 105 Ägypter:innen, 101 Bürger:innen des Tschad sowie 20 Sudanes:innen zurück in ihre Heimatländer spediert. Bisher war die Verantwortung für die Rückführungen bei den zuständigen UNO-Organen gelegen; jetzt haben sich die Libyer:innen intern auf ein gemeinsames Vorgehen geeinigt und übernehmen die Ausführung selber. Mit solchen Aktionen wird der Migrationsstrom selbstverständlich nicht aufgehalten; als Drehscheibe für die Weiterreise übers Mittelmeer bleibt Libyen weiterhin attraktiv, solange nicht eine allgemein anerkannte Regierung mit entsprechenden staatlichen Institutionen für Regeln und ihre Durchsetzung sorgen. Aber die internationale Aufmerksamkeit registriert immerhin, dass eben nicht nur diese Drehscheibe für Migrant:innen aus den Ländern südlich der Sahara Menschen aus Afrika als Sprungbrett für Europa dient, sondern dass immer mehr Menschen aus dem Maghreb die Reise nach Norden antreten. Da sind wir wieder beim alten Thema der strategischen Ausrichtung der europäischen Union. Auch wenn Deutschland im Moment von einer zusätzlichen EU-Erweiterung nichts wissen will, wenn nicht die internen Regeln geändert werden, also wenn nicht das Vetorecht der Mitgliedstaaten abgeschafft wird, so ist im Moment der Fokus auf den Osten bis an den Aral-See wirklich beelendend. Im Süden, wo man mit echter Arbeit und Zusammenarbeit nicht nur verschiedene Probleme zum Wohle aller Beteiligten lösen könnte, sondern wo damit auch die Grundlage für die zunehmende Fremdenfeindlichkeit bekämpft werden könnte, also für das EU-interne Problem des rechten Nationalismus mit seinen Annex-Problemen aus dem Komplex des Donald-Trumpismus, gerade hier scheint sich niemand um Lösungen und Möglichkeiten zu kümmern. Die Verantwortung für dieses Defizit möchte ich ausnahmsweise mal Ursula von der Leyen zuschieben, welche ihr Amt genau für solche Ausrichtungen nutzen könnte. Offenbar ist sie einfach nicht in der Lage, von sich aus die Bedeutung von Afrika für Europa zu erkennen, und ebenso offenbar gibt es rund um sie auch keine Berater:innen, welche ihr ein paar Informationen zustecken. Stattdessen steckt Frau von der Leyen nach wie vor im Korsett, welches von der Brühwurst José Barroso geschneidert wurde, während sich ihr Vorgänger Juncker nicht besonders darum gekümmert hat. Das ist dumm.
Kommentare
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01.12.2022 / 17:58 | Monika, bermuda.funk - Freies Radio Rhein-Neckar |
in sonar
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am 1.12.. Vielen Dank ! | |