Die Akteure des Neoliberalismus: Politiker*Innen, Teil 2: Die „politische Mitte“

ID 122759
 
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Aktuell liegt die AfD in der „Sonntagsfrage“ mit 18% gleichauf mit der SPD. 67% derer, die ihre Stimme der AfD geben würden, geben an, das aus Protest zu tun. Aus Protest dagegen womöglich, dass sich an neoliberaler Politik im Lande nichts ändert, egal welche Partei gerade in der Regierungsverantwortung steht? Warum beugen sich auch Politiker*Innen der sogenannten „politischen Mitte“ den Interessen der Oberen Zehntausend?
Audio
47:50 min, 64 MB, mp3
mp3, 187 kbit/s, Stereo (48000 kHz)
Upload vom 22.06.2023 / 11:01

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Klassifizierung

tipo: Gebauter Beitrag
lingua: deutsch
settore/i di redazione: Politik/Info, Wirtschaft/Soziales
serie: Die Diktatur des Monetariats
Entstehung

autrici/autori: Ulrich Seibert (Radio Lora)
Radio: LoraMuc, München im www
data di produzione: 22.06.2023
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
Mit die wichtigste Gruppe der Handlanger des Monetariats sitzt … in der Politik. Und zwar, wie man leider konstatieren muss, mittlerweile in allen Parteien, von der LINKEN bis zur AfD. Wobei man natürlich die Politiker*Innen kaum über einen Kamm scheren kann, denn nicht alle sind vom großen Geld bezahlte Schergen oder – vielleicht schlimmer – Überzeugungstäter. Wie in anderen Sendungen gezeigt wurde, sind die Strukturen und Zwänge mittlerweile so ausgebaut, dass neoliberale Interessen sich immer durchsetzen, unabhängig davon, welche Parteien gerade die Regierung stellen. Den Deutschen wurde dies erstmals durch das von der SPD- / den GRÜNEN geführte Kabinett Schröder deutlich gemacht, als ausgerechnet von gefühlt links mit der Agenda 2010 die soziale Komponente der Sozialen Marktwirtschaft mal so eben über Bord geworfen wurde. Aber auch Parteien, die explizit antreten, den Neoliberalismus überwinden zu wollen, sind nicht davor gefeit, neoliberalen Interessen Vorschub zu leisten. Man erinnere sich, als der Ministerpräsident Thüringens, Bodo Ramelow (Die LINKE), im Bundesrat einer Grundgesetzänderung zustimmte, die es ermöglicht, das Autobahnnetz in Deutschland zu privatisieren. Oder die Teil-Privatisierung des ÖPNV in Berlin. Oder die Zustimmung zu einem Landes-Polizeiaufgabengesetz, das dem bayerischen (Stichwort: mögliche Verhaftung, wenn auch nur der behördliche Verdacht einer drohenden Gefahr besteht) kaum in etwas nachsteht, und das kaum als rechtsstaatlich angesehen werden kann.

Im ersten Teil der Politiker*Innen-Trilogie im Mai diesen Jahres ging es um Politiker*Innen, die sich ganz offen zum Kapital bekennen und die auch ganz in dessen Sinne aktiv sind. Da sollte man auch nicht wirklich etwas anderes erwarten, selbst wenn gerade auch dieser Typus ganz gern mal rührselige Sonntagsreden vom Stapel lässt. Als Beispiele für bekennende Akteure des Neoliberalismus dienten uns in jener Sendung Friedrich Merz und Hans Tietmeyer. Selbstverständlich hätten wir auch eine beliebige FDP-Politiker*In wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann oder natürlich Christian Lindner oder die gesamte Riege der AfD nennen können, die sich im Wahlkampf zwar immer sehr gern auf der Seite von Rentnern und anderen finanziell Benachteiligten zeigt, deren Programm aber nicht den allergeringsten Zweifel daran lässt, dass sie am radikalsten an die neoliberalen Prinzipien, insbesondere das der Umverteilung von unten nach oben, glaubt.

Wie gesagt … von Politiker*Innen, die sich offen zum Neoliberalismus bekennen, wäre es nachgerade dämlich, etwas anderes zu erwarten als neoliberale Politik. Wie aber ist das mit Politiker*Innen von Parteien, die sich dem Kapital entgegen zumindest skeptisch geben, mit Politiker*Innen, die sich mit viel persönlichem Einsatz dafür engagieren, um das Land / die Gesellschaft zu einem besseren Ort für uns alle zu machen? Wieso machen diese Menschen ab dem Moment, in dem sie in Amt und Würden sind, auch nichts anderes als ihre neoliberalen Vorgänger*Innen? Beispiel gefällig? Noch im September 2021 beantwortete Annalena Baerbock nur wenige Tage vor der Bundestagswahl die Frage zu ihrem Standpunkt bezüglich der Freilassung von Julian Assange mit: „wir … fordern die sofortige Freilassung von Julian Assange.“ (https://www.abgeordnetenwatch.de/profile...) Doch kaum war sie Außenministerin, wollte sie von diesem Thema nichts mehr hören. Etwas oder jemand hatte also dafür gesorgt, dass die Gute, kaum im Amt, eine politische 180°-Drehung vollzogen hat. Was ist da passiert? Warum können (oder wollen??) Politiker*Innen Positionen, für die sie bislang uneingeschränkt standen, plötzlich nicht mehr vertreten?

Ich sehe da genau drei mögliche Erklärungen: ENTWEDER …

… die Leute, die dann später in der Politik aufsteigen, lügen bezüglich ihrer An- und Absichten wie von der BILD-Zeitung gedruckt, sind in Wirklichkeit samt und sonders nur auf ihre eigene Karriere fixiert und ordnen sich deshalb ebensolchen Leuten unter, die innerparteilich die Devise ausgeben: Was auch immer ihr tut, es muss dem Kapital nützen, sonst gehören wir der Katz! Dann würden all diese Politiker*Innen in Wahrheit unter einer falschen Flagge segeln, wie Pirat*Innen, die sich als Rotes Kreuz tarnen.

ODER aber …

… aufgrund irgendwelcher Mechanismen glauben diese Leute nach ihrer Amtseinführung WIRKLICH an das Märchen, dass es der Wirtschaft nur dann gut geht und wir in Konsequenz alle nur so lange gut leben, als der Rubel rollt und fette Profite gemacht werden können. Und weil sie das wirklich glauben, ordnen sie sich dem Dogma des Kapitals ohne böse Absicht unter.

ODER aber …

… es gibt gewisse Machtmechanismen hier im Lande, an denen keine noch so aufrecht denkende und handeln wollende Politiker*In vorbeikommt, Mechanismen, mit anderen Worten, die das parlamentarische, der Intention nach demokratische, System aushebeln, um die Durchsetzung anderer Interessen als derer des Kapitals wirksam zu verhindern.

Woran also liegt es, dass Politiker*Innen aller politischen Couleurs in erster Linie die Interessen des großen Kapitals vertreten? Dies ist die Frage, um die es in der Sendung vom 21. Juni geht. Als Interviewpartnerin konnte ich die Landessprecherin der Partei „Die LINKE Bayern“, Adelheid Rupp, gewinnen, die auch – damals noch für die SPD – bereits Erfahrung als Landtagsabgeordnete in Bayern sammeln konnte. Ein allzu gemütlicher Plausch sollte das für sie nicht werden, haben doch, wie gesagt, auch die LINKEN durchaus neoliberalen Dreck am Stecken.