Maribor verwaltet sich selbst (überregionale Version)

ID 60680
 
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Die Initiative Mestni Zbor (sprich "Sbor") setzt sich dafür ein, dass sich die Menschen in Maribor, Slowenien, selbst verwalten. Dabei haben sie Vorbilder gesucht und gefunden. Nachdem eine aufständische Bewegung dem korrupten Bürgermeister vor ca einem Jahr das Amt gekostet hat, bemühen sich die Menschen darum ihre Stadt Stück für Stück selbst zu verwalten. Wir haben mit Mitgliedern der Initiative Mestni Zbor gesprochen. Sie sagen uns wie Maribor auch für andere Städte ein Vorbild sein kann.
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06:41 min, 11 MB, mp3
mp3, 224 kbit/s, Stereo (44100 kHz)
Upload vom 12.12.2013 / 13:07

Dateizugriffe: 593

Klassifizierung

Beitragsart: Gebauter Beitrag
Sprache: deutsch
Redaktionsbereich: Wirtschaft/Soziales, Politik/Info
Serie: von unten
Entstehung

AutorInnen: imre und irene
Radio: RadioHelsinki, Graz im www
Produktionsdatum: 12.12.2013
CC BY-NC-SA
Creative Commons BY-NC-SA
Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen erwünscht
Skript
BEITRAGSSCRIPT

Um ernst zu nehmende Initativen zu sehen, die versuchen direkte Demokratie zu leben, müssen wir nicht allzu weit über den Tellerrand schauen. In Maribor versucht die Initiative Mestni Zbor (Sprich: Sbor) seit fast einem Jahr die Verwaltung der Stadt in die Hände der Bürger*innen zu legen.

OT SERVICE TO CITIZENS
"Wir versuchen die Stadt zu etwas zu machen, das nur mehr den Bürger*innen dient. Wir wollen nicht, dass die Leute in der Stadtverwaltung ihre eigenen Visionen oder Ideen durchdrücken. Sie sollen einfach ihren Job machen und das bedeutet, den Menschen in der Stadt das zu geben, was die Menschen wollen."
OT SERVICE TO CITIZENS

Gregor Stamejtschitsch ist Teil der Initiative Mestni Zbor, was so viel heißt wie Initiative der Stadtversammlung.
die Initiative Mestni Zbor denkt laut nach über Dinge wie das Budget der Stadt und stellt auch Forderungen zu einer Änderung der Gesetze um schließlich möglichst nahe heran zu kommen an Selbstverwaltung in Maribor. Doch wie kam es zu einem Szenario, in dem ernsthaft über eine solche Selbstverwaltung nachgedacht werden kann?

ATMO DEMO
Im Dezember 2012 haben die Menschen in Maribor ihren korrupten Bürgermeister aus dem Amt gejagt. 20.000 Menschen waren damals auf der Straße.
ATMO FADEOUT

Die etablierten Politiker haben in der darauffolgenden Wahl nichts mehr reißen können. Einer, der selbst aus der Bewegung gekommen ist, ist jetzt Bürgermeister. Aber viel wichtiger noch: Die Menschen haben begonnen ihre eigenen Viertel zu verwalten. Angefangen hat die selbstverwaltung in maribor ganz konkret. die menschen haben Probleme in der Stadt gesehen und versucht, sie gleich selbst anzugehen.

OT ZEBRA
"Es hat diese ziemlich lustige und erfolgreiche Aktion gegeben namens Operation Zebra. Diese eine Straße hatte seit 30 Jahren keine Zebrastreifen. Also haben wir den Kopf und den Arsch des Zebras auf die Straße gemalt. Die Stadt hat dann den Körper des Zebras ausgemalt. Jetzt gibt es in dieser Straße drei Zebrastreifen. Erreicht haben wir das Ganze in einer Woche"
OT ZEBRA

Mittlerweile versucht die Initiative Mestni Zbor, die Geschicke der Stadt mehr und mehr in die Hände der Menschen zu legen, die in der Stadt leben. Und zwar nach brasilianischem Vorbild.

OT PORTO ALLEGRE
"Wir haben recherchiert und sind drauf gekommen, dass so ein System der Selbstverwaltung bereits in vielen Städten überall auf der Welt funktioniert. Besonders in Porto Allegre in Brasilien. Wir haben uns deren System angesehen und nach unseren Bedürfnissen angepasst. Dann haben wir begonnen es hier in Maribor umzusetzen."
OT PORTO ALLEGRE

In Porto Allegre entscheidet seit Ende der 80er eine Bürger*innenversammlung über das städtische Budget. Die Stadt hat eineinhalb Millionen Einwohner*innen. Was beweist, dass eine solche Selbstverwaltung auch im großen Rahmen möglich ist.

Maribor hat hingegen 100.000 Einwohner*innen. Dort haben die Stadtteilversammlungen das System angepasst und begonnen es umzusetzen.
Sieben Stadtteilversammlungen gibt es nun - insgesamt waren schon schon fünfhundert Menschen bei den alle zwei Wochen stattfindenden Versammlungen. Heute sind nicht mehr so viele an den Treffen beteiligt wie vor einem Jahr auf der Straße waren. Vor allem eine Gruppe, ist gerne anwesend.

OT OLD GUYS
"Es gibt viele Erwachsene und vor allem alte Leute, die sich beteiligen. Der Grund dafür ist, dass es im sozialistischen Jugoslawien ähnliche Sachen gegeben hat. Obwohl das natürlich ein totalitäres System war, hat es auch starke Tendenzen der lokalen Selbstverwaltung gehabt. Vor allem auf der Bezirksebene. Die älteren hier sind also schon an diese Selbstverwaltung gewöhnt. Sie nehmen an den Versammlungen teil um die Gemeinschaft wieder aufzubauen und sich die Macht zurückzuholen."
OT OLD GUYS

Aber warum spricht die Bewegung junge Menschen nicht an. Besonders fällt auf, dass gerade Studierende sich nicht besonders an den Treffen beteiligen. Also eine Gruppe, die ansonsten gerne sehr aktiv ist in sozialen Bewegungen. Gregor hat eine Erklärung.

OT NIGHTMARE
"Maribor ist ein postindustrieller Albtraum. Die Stadt ist seit 25 Jahren in einer sozialen Krise. Junge Menschen wissen ganz genau, dass sie hier keine Zukunft haben. Sie müssen entweder die Stadt verlassen oder irgendeinen Scheiß-Job annehmen. Es gibt einen ziemlichen Brain-Drain in Maribor in den letzten zehn Jahren haben über 25.000 Studierende die Stadt verlassen."
OT NIGHTMARE

Matiz primsch - von der Initiative Mestni Zbor ist ein wenig optimistischer. Er glaubt, dass der Wunsch nach Selbstverwaltung stark ist und von den Menschen selbst kommt.

OT PARTIZIPATION
"In unserer Gesellschaft gibt es ein großes Verlangen nach Partizipation unter den Bürger*innen. Dieser Partizipationswunsch stößt auf Schwierigkeiten, wenn sich die Bürger*innen austauschen wollen mit den formalen Strukturen von Verwaltung und Politik."
OT PARTIZIPATION

Die Umstände würden aber verhindern, dass Menschen diesem Bedürfnis nachkommen können. Petra Juric (juritsch), die auch Teil der Initiative ist, spricht von Isolation bei den Menschen.

OT NACHBARN
"Es geht darum, dass Menschen nicht mehr miteinander reden. Wir kennen uns nicht mehr. Wir wissen nicht einmal, wer neben uns wohnt. Wie sollen wir dann jemanden kennen, der weiter weg wohnt? Diese Versammlungen bieten nicht nur die Möglichkeit, dass wir zusammen etwas verändern, sondern auch die Möglichkeit, dass wir uns wieder kennenlernen und miteinander reden. Weil in diesem Elend verstecken wir uns alle in unseren Ecken."
OT NACHBARN

Die Initiative Mestni Zbor in Maribor will also nicht einfach nur die Verwaltung der Stadt den Menschen zurück geben. Der Prozess der Selbstverwaltung verändert auch die gesamte Gesellschaft.

Kommentare
13.12.2013 / 14:28 kati, radiokampagne.de Berlin
Gesendet...
...im Zip-FM am 13.12. - vielen Dank! Spannend.
 
13.12.2013 / 18:49 Torben, Radio Unerhört Marburg (RUM)
Gespielt am 13.12.13 bei RUM Marburg Gleis 16.
Vielen Dank!